Minimalistisch leben
Warum weniger mehr ist?

«Sie sind auch ohne Krempel ein wertvoller Mensch» sagt der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer und eröffnet somit eine Diskussion über Minimalismus, Messies, Freiheit und Anerkennung.
Publiziert: 04.09.2017 um 14:05 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 03:20 Uhr
Thomas Meyer

«Ich kann mich nicht von Dingen trennen. Mein Keller und mein Dachboden quellen demnächst über, » schreibt ein Blick-Leser.

Wer wir sind, ist eine Frage, die wir auf verschiedenste Art beantworten. Der eine ist, was er tut und erreicht. Er definiert sich über seinen Beruf und dessen Früchte. Der andere ist, was er bei anderen auslöst, indem er sich über seine Wirkung und sein Ansehen definiert. Und der Dritte ist, was er alles besitzt – sei es aus Habgier oder Nostalgie. Diese Aufzählung könnte beliebig fortgesetzt werden, zeigt aber bereits, dass solchen Zuschreibungen gehöriges Enttäuschungs- und Entzauberungspotenzial innewohnt. Denn wer nichts mehr erschafft, nicht mehr auffällt und nichts mehr hat, hört gemäss seiner Selbstdefinition auf zu existieren.

Warum ist es so schwer, sich von den Dingen zu trennen?

Um das zu vermeiden, allein schon die Furcht davor, entsteht ein regelrechter Zwang, sich selbst zu bewahren – durch anhaltende Erfolge, fortgesetzte Anerkennung und wachsendes oder zumindest gesichertes Eigentum. Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, dass Sie sich schlecht von Ihren Besitztümern trennen können. Sie haben diese Gegenstände, jeden einzelnen davon, mit Ihrer Person verknüpft. Sie bedeuten Ihnen nicht nur etwas – sie bedeuten schlicht Sie selbst. Einen zu entsorgen, käme, siehe oben, partiellem Selbstmord gleich.

Wie viele Sachen brauchen wir tatsächlich?

«Sie sind auch ohne Krempel ein wertvoller Mensch»

Genau dieser sei Ihnen daher empfohlen. Machen Sie sich bewusst, dass Sie auch ohne all den Krempel in Ihrem Dachboden und Ihrem Keller ein wertvoller Mensch sind, und dass er nach Ihrem Ableben ziemlich zügig von Ihren Angehörigen entsorgt werden wird.

Weniger Sachen - Mehr Freiheit!

Entsorgen Sie also die Objekte und damit die Person, die Sie durch diese zu sein glauben, indem Sie sich zu jedem einzelnen fragen:

  1. Brauche ich das wirklich?
     
  2. Finde ich das wirklich schön?

Die Tatsache, dass sich all die Sachen nicht in Ihrer Wohnung und damit Ihrer Nähe und Aufmerksamkeit befinden, beantwortet diese beiden Fragen übrigens bereits.

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