Unterwegs in Vietnam
Zu Fuss zu traumhaften Reisterrassen

Traumstrände, eindrückliche Landschaften und Gourmetküche: Vietnam boomt. Doch es gibt sie noch, die authentischen Erlebnisse. Zu Besuch bei den Bergvölkern im Norden des Landes.
Publiziert: 19.01.2018 um 13:19 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:35 Uhr
Reisebericht aus Vietnam
4:15
Das Unerwartete wagen:Reisebericht aus Vietnam
Elspeth Callender/Christian Bauer

Das moderne Reisen steckt in einer Krise. Jeder, der sich auf den Weg macht, sucht authentische Erfahrungen – und plant seine Reise so akribisch, dass sie langweiliger wird als der Bürojob, dem man zu entfliehen hofft. Die Lösung? Sich treiben lassen und das Unerwartete wagen.

Die Reisterrassen im Norden Vietnams zählen zu den schönsten Landschaften des Landes.
Foto: Getty Images

In Vietnam das Unerwartete wagen

Unterwegs bin ich in Vietnam, jenem Land, das wie ein Elefantenrüssel die südostasiatische Halbinsel umschliesst, und das nach Thailand die beliebteste Touristendestination der Region ist. 10 Millionen Besucher kamen im Jahr 2016 – eine Steigerung von 26 Prozent zum Vorjahr. Davon können andere Länder nur träumen. Der Touristenboom hat seine Gründe. Das Land bietet alles, was man sich von Asien erträumt, ohne so überlaufen zu sein wie Thailand: Strände, farbenfrohe Traditionen, Unesco-geehrte Landschaften und eine der besten Küchen der Welt.

Eine solche gaumenverwöhnende Köstlichkeit dampft vor mir. Auf dem Markt in der geschäftigen Bergstadt Sa Pa hocke ich auf einen jener Bonsai-Stühle, die in Asien zur Standardausrüstung von Strassenküchen gehören, und geniesse eine Schale Pho, Vietnams Nudelsuppe. Mich hat es ohne Reiseprogramm in den Norden Vietnams gespült. Gerade als ich meine Möglichkeiten überdenke, kommen zwei Frauen in schönen Trachten und mit Ohrringen so gross wie Bierdeckel auf mich zu.

«Du musst mit in unser Dorf kommen und bei uns übernachten», sagen sie in verblüffend gutem Englisch. Was mich erwarten würde und wie die Unterkunft sei, will mein kritisches Reise-Ich wissen. «Alles gut», verkünden sie. «Komm mit!» Ob mich das beruhigen soll? Die Frauen grinsen glücklich, als ich mich auf ein Abenteuer einlasse, von dem ich keine Ahnung habe, was es ist. Sie binden mir bunte Bänder um mein Handgelenk und zeigen so den anderen Frauen, dass ich vergeben bin. Ungewohnte Sitten.

May und Susu gehören zum Volksstamm der Schwarzen Hmong, die in den Bergregionen an der chinesischen Grenze leben. Mit über einer Million Mitgliedern stellen sie die grösste der 54 offiziell anerkannten Minderheiten des Landes. Traditionell leben die Hmong von Reisbau und Viehzucht – bessern sich aber den Lohn mit «Homestays» auf. Eine für Touristen geschaffene Möglichkeit, bei einer Familie zu übernachten – oft in Kombination mit einem Trekking durch die schöne Landschaft.

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Die Reisterrassen hängen wie Infinity-Pools am Berg

Sa Pa, das vor etwa 100 Jahren von den französischen Kolonialherren als Ferienort gegründet wurde, ist so zu DEM Zentrum für Trekking und Ethnotouren der Region geworden. Am nächsten Morgen hike ich also mit meinen charmanten «Besitzerinnen» ins Ungewisse. Auf Schotterpisten und Wanderwegen geht es durch die wohl schönste Landschaft Südostasiens: Reisterrassen, die wie Infinity-Pools an Berghängen kleben. Die gefluteten Terrassen gleichen einem Spiegelkabinett, in dem die vorbeiziehenden Wolken glitzern. Im Sommer, wenn der Reis in vollem Saft steht, wird die Landschaft in hellem Chromgrün schimmern. Ein Fest für Fotografen.

Gegen Mittag erreichen wir das typische Hmong-Dorf Hau Thao, in dem ein paar Hundert Menschen leben. Mays Haus ist fensterlos, im Fussboden aus gestampftem Lehm prangt eine Feuerstelle, Bretter an der Tür halten das Vieh draussen: Schweine und Hühner als Nahrungsmittel und Wasserbüffel für die Arbeit auf den Feldern. Im oberen Stock befindet sich ein Schlafraum für alle. Trotz Zustupf durch Touristen sind die Lebensbedingungen sehr einfach.

 Ihr blinder Vater stapelt Holz neben dem Haus, während Mays zwei kleine Töchter die traditionellen Hanfkleider mit Indigo blau färben, das den Gewändern ein fast schwarzes Aussehen verleiht – daher der Name «Schwarze Hmong». Die Trachten haben noch nicht ausgedient, auch wenn darunter der westliche Einfluss hervorspitzt. «Wir tragen ganz normale T-Shirts und Sweatshirts darunter. Die sind warm und bequem», erläutert May. Nachmittags, wenn sich May und Susu um den Haushalt kümmern, erkunde ich Dorf und Umgebung.

Der Lehm ist so rutschig, dass es mich der Länge nach auf die Nase legt. Auf meinem Füdli prangt ein oranger Fleck, der sich nicht abrubbeln lässt – der beste Eisbrecher zwischen unseren Kulturen. Die Mütter mit ihren Kindern lachen, und eine Gruppe Teenager-Mädchen, welche Brennholz schleppt, verlieren ihre Zurückhaltung und kichern. Es ergeben sich zaghafte Gespräche. Wie heisst du? Woher kommst du? Wie gefällt es dir hier?

Mein privater Ausflug mit May und Susu hat kein Programm – ein Abendessen mit der Familie gehört aber anscheinend dazu. Wir sitzen auf kleinen Stühlen um einen Holztisch. Es gibt Hmong-Spezialitäten: selbst angebauten Reis, Chili-Tofu und getrocknetes Fleisch von Schweinefüssen, die über dem Küchenfeuer baumeln. Wir trinken Reiswein und reden stundenlang, während die Frauen Hanffasern spinnen. Ein kleiner Einblick in eine jahrhundertealte Lebensweise.

Meine zwei Tage mit den Hmong waren nicht spektakulär im gewöhnlichen Sinn, aber wohl die authentischste Erfahrung meines gesamten Trips. Gut, hatte ich den Mut, das Unerwartete zu wagen.

Praktische Infos

Hinkommen: Günstig fliegt man mit der russischen Fluglinie Aeroflot über Moskau nach Hanoi. www.aeroflot.ru Individuelles Reisen: Wer Trekking und einen Besuch bei den Hmong individuell organisieren möchte, muss nur nach Sa Pa fahren und darauf warten, angesprochen zu werden. Rundreisen: Wer gerne mit einer geführten Reise Vietnam entdeckt, findet bei Asia365 Angebote. www.asia365.ch

 

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