Tipps gegen böse Überraschungen
Das sind die grössten Risiken bei Teilzeitarbeit

Immer mehr Menschen arbeiten in der Schweiz in Teilzeit. Reduzierte Arbeitspensen sind gut für das Privatleben, bieten aber grössere finanzielle Unsicherheit. Ob sie sich lohnen, hängt von einigen Faktoren ab.
Publiziert: 20.11.2023 um 19:58 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2024 um 11:30 Uhr
Felix Ertle
Beobachter

Teilzeitarbeit ist gut für Familie und Hobbys – und gegen Stress. Im Idealfall bietet sie viele Vorteile; vorausgesetzt, die reduzierten Pensen sind frei gewählt und das Arbeitsverhältnis ist sicher. Wer jedoch nicht aufpasst, verspielt mit tiefen Pensen seine Karriere und läuft Gefahr, im Alter zu verarmen. Was muss man beachten, wenn man das Pensum reduziert, wie ändert sich die Steuerbelastung, und wie hält man den Lebensstandard?

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Kein Recht auf Teilzeitarbeit

In der Schweiz besteht kein Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit – ganz im Gegensatz zu den Nachbarländern Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland. Teilzeitarbeit war früher vor allem Müttern vorbehalten, heute wird sie auch bei Männern und Kinderlosen immer beliebter. Auch die Schweizer Firmen öffnen sich dem Teilzeitmodell. «Immer mehr Unternehmen wollen Teilzeit fördern und halten die entsprechenden Rahmenbedingungen in ihren Gesamtarbeitsverträgen fest», sagt Michel Lang, Leiter Sozialpartnerschaft beim Kaufmännischen Verband Schweiz. Diese Entwicklung schreitet auch in Branchen voran, in denen Teilzeit zumindest schwierig ist. So wurde 2018 das Projekt Teilzeitbau lanciert, um die Teilzeit im Maler- und Gipsergewerbe zu fördern. Der Grund: Wer keine Teilzeitarbeit anbietet, verzichtet auf viele gute Fachkräfte.

Tipp: Wer das Pensum reduzieren möchte, sollte das frühzeitig mit dem Arbeitgeber klären, damit dieser auch Gelegenheit hat, allfällige organisatorische Änderungen vorzunehmen.

Reduzierte Pensen sind beliebt, da sie Arbeitnehmern mehr Freizeit erlauben – es sei denn, es ergeben sich Nachteile aus der Teilzeitarbeit.
Foto: Shutterstock
Weniger Arbeit, mehr Freizeit. Ein Recht darauf gibt es in der Schweiz nicht.
Foto: Getty Images
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Benachteiligung lauert bei Überstunden

Es besteht jedoch die Gefahr, benachteiligt zu werden, etwa bei den Überstunden. Denn die gesetzliche Höchstarbeitszeit liegt – abhängig davon, was für eine Tätigkeit es ist – bei 45 respektive 50 Stunden pro Woche. Alles darüber ist Überzeit – und nur in Ausnahmefällen legal. Wer nur 30 Stunden in der Woche arbeitet, darf also legal 15 bis 20 Überstunden pro Woche leisten. Fachmann Lang sagt: «Teilzeitmodelle bieten zwar eine hohe Arbeitsautonomie, mehr Flexibilität und eine bessere Vereinbarkeit mit dem Privatleben. Sie bergen aber auch die Gefahr einer Selbstausbeutung und somit vermehrten Überstunden, die sich längerfristig auf das Wohlbefinden der Arbeitnehmenden auswirken können.»

Achtung: Wie genau Überstunden bezahlt werden, kann man im Vertrag sehr flexibel regeln, sofern kein Gesamtarbeitsvertrag im Weg steht. Das Gesetz sieht einen Lohnzuschlag von 25 Prozent vor, doch das kann der Arbeitgeber vertraglich wegbedingen.

Tipp: Lesen Sie den Vertrag genau und verhandeln Sie, falls darin der gesetzliche Zuschlag reduziert ist.

Auch wer Teilzeit arbeitet, muss mit Überstunden rechnen.
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Vorsicht bei Lohnmodellen

Angestellten droht ein weiterer schlechter Deal. Für Firmen ist es attraktiv, Arbeit auf Abruf zu vereinbaren. Das bedeutet: Man arbeitet unregelmässig und ohne garantierte Arbeitszeiten – der Arbeitgeber bestimmt, wann und wie lange man eingesetzt wird. Doch für Arbeitnehmende ist das nicht vorteilhaft: Es gibt grundsätzlich kein fixes Einkommen, da nur die tatsächlich geleistete Zeit bezahlt wird. Gleichzeitig kommt es bei diesen Arbeitsmodellen regelmässig zu Diskussionen, wenn es um die Lohnfortzahlung bei Krankheit, Unfall, Mutterschaft und Invalidität geht.

Auch Experte Lang beobachtet mit Sorge, dass immer mehr Firmen Arbeit auf Abruf bevorzugen: «Diese ist aber mit einer bestimmten Planungsunsicherheit und finanziellen Unsicherheit verbunden. Viele Jüngere verbauen sich damit Vorsorge- und Karrierechancen.» Denn Teilzeitbeschäftigte machen weniger Karriere. Darum sollte man sich tiefe Arbeitspensen gut überlegen – und am besten nicht unter 80 Prozent gehen. Auch zu bedenken: Oft ist es schwierig, später das Pensum zu steigern.

Tipp: Verlangen Sie möglichst einen festen Monatslohn mit fixen Arbeitstagen.

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Zu wenig Geld für Altersvorsorge und Unvorhergesehenes

Die meisten Leute überlegen sich nicht, wie sich Teilzeitarbeit auf unvorhersehbare Lebensereignisse auswirkt. Die Budgetberaterin Andrea Schmid stellt fest: «Für die meisten stehen kurzfristige Interessen im Vordergrund – zum Beispiel mehr Zeit für das Hobby oder die Familie.»

Das hat mehrere Haken. Zum einen versäumen es viele in guten Zeiten, einen finanziellen Puffer anzusparen. Zum anderen werden die logischen Konsequenzen von Einkommenseinbussen nicht zu Ende gedacht. «Stellen Sie sich vor, Sie sind unerwartet von Kurzarbeit, einer Kündigung oder einem Unfall betroffen. Solche Ereignisse führen zu tieferen Einnahmen.» So kann das Geld schnell knapp werden.

Tipp: Sparen Sie ein Polster an, um die Übergänge abzufedern. Zudem steigert Teilzeitarbeit das Risiko der Altersarmut. Frauen sind dabei immer noch doppelt so häufig betroffen wie Männer – auch weil sie häufiger über lange Zeiträume und in kleinen Pensen Teilzeit arbeiten.

Weniger Arbeit heisst in vielen Fällen auch weniger Rente. Teilzeitarbeitende sind oft von Altersarmut betroffen.
Foto: Keystone
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Kann ich mir Teilzeit leisten? Rechnen!

Teilzeitarbeit beeinträchtigt die Vorsorge. Doch das wird oft übersehen. «Vielen erscheint die Vorsorgeplanung zu komplex – und sie verschliessen die Augen davor», sagt Expertin Schmid. Dabei ist es bei der Entscheidung für Teilzeitarbeit wichtig zu wissen, ob man auch im Alter genug Geld haben wird. Wenn staatliche, berufliche und private Vorsorge nicht reichen, ist das Pensum zu tief.

Tipp: Berechnen Sie Ihre Vorsorgesituation. Mit dem Detailrechner des Frauendachverbands Alliance F etwa können Sie in wenigen Schritten Ihre staatliche und berufliche Vorsorge grob berechnen. Zudem sehen Sie dort, wie sich Kinder, Heirat und Scheidung sowie ein Berufswechsel auf die Vorsorge auswirken. Wenn das nicht reicht, kann man den Rest mit der Säule 3a sowie allfälligen Anlagen und Sparguthaben aufbauen. Es lohnt sich, früh genug damit zu beginnen, wie dieses Beispiel zeigt: Auch wer ein Altersguthaben von 100'000 Franken in der dritten Säule hat, bekommt bei einer zusätzlichen Anlagerendite von 2 Prozent gerade mal 416 Franken im Monat – angenommen, er lebt noch 25 Jahre über das Rentenalter hinaus. Wer mit Teilzeit nicht genug verdient, um genug in die dritte Säule einzuzahlen, sollte das Pensum erhöhen. Wie viel man in die Säule 3a maximal einzahlen darf, hängt nicht vom Beschäftigungsgrad ab. Auch wer Teilzeit arbeitet, darf maximal 7056 Franken pro Jahr in die dritte Säule einzahlen, sofern man einer Pensionskasse angeschlossen ist. Sonst dürfen 20 Prozent des Nettoeinkommens eingezahlt werden. Berechnen kann man das private Altersguthaben zum Beispiel mit dem Säule-3a-Rechner von Moneyland.

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Pensum in jeder Lebensphase neu überdenken

Spätestens ab dem 50. Altersjahr ist es ratsam, das Renteneinkommen genau zu überprüfen, um allfällige Lücken zu schliessen – und allenfalls das Arbeitspensum anzupassen. Lücken sieht man auf dem Auszug aus dem AHV-Konto – die kann man innert fünf Jahren schliessen. Wichtig ist darum, alle paar Jahre einen kostenlosen Auszug zu bestellen. Von der Pensionskasse sollte man jeweils Anfang Jahr einen Pensionskassen- oder Vorsorgeausweis mit der voraussichtlichen PK-Rente erhalten. Wenn das nicht der Fall ist, kann man ihn kostenlos bei der Pensionskasse anfordern. Von der Ausgleichskasse kann man sich kostenlos beraten lassen.

Tipp: Ob Trennung, Kinder oder Karrierewechsel: Je nach Lebensphase sind die Berechnungen anders. Schmid rät darum, das optimale Pensum in jeder Lebensphase neu zu überdenken. Aus rein finanziellen Gesichtspunkten empfiehlt es sich, Phasen mit tiefen Teilzeitpensen so kurz wie möglich zu halten. «Irgendwann kommt der Planungsprozess ins Rollen, und dann ist es fast wie regelmässig zum Coiffeur zu gehen. Es verliert die Komplexität.» Im Zweifelsfall sei es ratsam, sich beraten zu lassen.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Steuerersparnis: mehr vom Einkommen behalten

Je tiefer das Einkommen, desto weniger Steuern muss man zahlen. Angenommen, Sie wohnen in Steffisburg BE, Sie sind unverheiratet, 35 Jahre alt, haben keine Kinder und gehören keiner Konfession an. Sie verdienen mit einem vollen Pensum 78'000 Franken brutto pro Jahr. Für die Berechnung des steuerbaren Einkommens wird vom Nettolohn ausgegangen. Nach Abzug der Sozialabgaben – AHV, Pensionskassenbeiträge und so weiter – beträgt Ihr steuerbares Nettoeinkommen gut 70'000 Franken. Dann gehen über 18 Prozent des Nettolohns für Steuern drauf – für Kanton, Gemeinde und Bund. Reduziert man das Arbeitspensum auf 60 Prozent, sinken die Steuern auf knapp 14 Prozent. Die Steuerbelastung ist jedoch von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich.

Tipp: Berechnen Sie Ihre Steuern einfach mit dem eidgenössischen Steuerrechner. Abziehen vom steuerbaren Einkommen kann man auch Berufsauslagen, zum Beispiel für Verpflegung, sowie die Kosten für den Arbeitsweg. Diese Ausgaben nehmen in der Regel mit abnehmendem Arbeitspensum ab. Auch Einzahlungen in die dritte Säule sind abzugsfähig.

Aus Teilzeitstellen ergeben sich steuerliche Vorteile. Diese können je nach Kanton und Gemeinde variieren.
Foto: Keystone
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