Social Freezing – Babyplanung 2.0
Was es bringt, wenn Frauen ihre Eizellen einfrieren lassen

Erst die Karriere, dann der Kinderwunsch. Frauen werden in der Schweiz immer später schwanger – dank Social Freezing, dem Einfrieren der Eizellen, ist das zunehmend einfacher. Wer auf diesem Weg schwanger werden will, muss aber einige Voraussetzungen erfüllen.
Publiziert: 17.04.2024 um 19:55 Uhr
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Julia Gubler
Beobachter

Im Jahr 1971 bekamen Mütter ihr erstes Kind noch mit durchschnittlich 25,3 Jahren – 2022 waren es 31,2 Jahre. Mit dem Alter steigt auch die Nachfrage nach «Social Freezing» – dem Einfrieren von Eizellen ohne medizinischen Grund. So kann frau in aller Ruhe das Studium beenden, ins Berufsleben einsteigen und nach dem richtigen Partner Ausschau halten, während die noch frischen Eizellen auf ihren – eventuellen – Einsatz warten. Männer lassen ebenfalls immer öfter ihre Spermien einfrieren.

Expertin Brigitte Leeners stellt fest, dass die Angst um die Fruchtbarkeit zunimmt. Leeners ist Direktorin der Klinik für Reproduktionsendokrinologie am Universitätsspital Zürich. Ganz unbegründet sind die Befürchtungen nicht: Die Fruchtbarkeit sinkt bei Männern kontinuierlich. Trotzdem machen vor allem Frauen vom Social Freezing Gebrauch. Denn das Zeitfenster, in dem sie fruchtbar sind, ist eben viel kleiner. «Vor ein paar Jahren hatten wir noch etwa eine Patientin pro Monat, nun sind es mehrere pro Woche», berichtet die Medizinerin.

Worauf sollte man achten, wenn man sich mehr Zeit kaufen will? Die wichtigsten Fragen und Antworten rund ums Social Freezing.

Kinderglück auch später im Leben: Social Freezing kann das ermöglichen.
Foto: Getty Images
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Wo kann man Ei- oder Samenzellen einfrieren lassen?

Es gibt zahlreiche Kinderwunsch-Kliniken oder Spitäler, die Social Freezing anbieten. In der Schweiz kann man davon ausgehen, dass die Angebote seriös sind. Wer ins kostengünstigere Ausland ausweichen will, sollte vorsichtiger sein.

Auf jeden Fall braucht es ein ausführliches Beratungsgespräch, in dem man sich auch nach den Erfolgsraten erkundigen kann. Weiter sollte abgeklärt werden, wo die eigene Fruchtbarkeit steht. Von Kliniken, die keine Altersgrenzen festlegen, lässt man besser die Finger. Und: Wo werden die Ei- und Samenzellen nach der Behandlung aufbewahrt? Die Lagerräume am Universitätsspital Zürich werden zum Beispiel rund um die Uhr überwacht. Wichtig ist am Schluss, dass auch das Bauchgefühl stimmt.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Gibt es Voraussetzungen fürs Einfrieren?

Das Gesetz legt keine bestimmten Alterslimiten fest und verlangt auch keine Begründung. Es genügt, dass die betroffene Person schriftlich in die Behandlung einwilligt. Empfehlenswert ist aber, dass Frauen sich vor dem 35. Geburtstag entscheiden, ob sie ihre Eizellen einfrieren lassen möchten oder nicht. Je jünger man ist, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass genügend Eizellen von guter Qualität vorhanden sind. Man sollte aber auch nicht zu voreilig sein, weil die Eizellen nur für eine begrenzte Zeit aufbewahrt werden dürfen.

Röhrchen mit gefrorenen Eizellen werden in einem Lagerungstank aufbewahrt. Dieser ist mit flüssigem Stickstoff gefüllt, um die permanente Kühlung der Eizellen zu gewähren.
Foto: keystone-sda.ch
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Wie läuft die Behandlung für die Entnahme ab?

Bei Männern ist der Ablauf relativ einfach: Nach einer Voruntersuchung und einer Prüfung auf Krankheiten müssen sie vor Ort in der Klinik Spermien abgeben. Danach werden die qualitativ guten und beweglichsten darunter aussortiert und eingefroren.

Bei Frauen ist es etwas komplizierter: Vor der Behandlung wird mit Ultraschall geprüft, wie es um die Eizellenreserve steht. Das Blut wird auf verschiedene Hormone getestet. Dabei spielt vor allem das Anti-Müller-Hormon (AMH) eine grosse Rolle: Je mehr davon vorhanden ist, desto höher ist die Chance, viele Eizellen zu gewinnen.

Danach muss man während 10 bis 30 Tagen Tabletten einnehmen und sich anschliessend 9 bis 13 Tage lang körpereigene Hormone spritzen, um die Reifung der Eizellen anzuregen. Wenn die Eibläschen gross genug sind, werden sie mit einer Nadel entnommen – unter einer kurzen Narkose. Bestenfalls gewinnt man so bis zu 20 reife Eizellen, die dann eingefroren werden. Klingt zwar nach viel, statistisch gesehen führt aber nur jede sechste Eizelle zu einer Schwangerschaft. 

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Was sind die Risiken?

Bei Frauen kann die Hormonbehandlung leichte Nebenwirkungen haben. Die Belastung für den Körper hält sich aber gemäss Brigitte Leeners in Grenzen: «Nebenwirkungen wie Reizbarkeit treten eher in der Vorbereitungsphase der Behandlung auf. In der Stimulationsphase werden Botenstoffe der Hirnanhangdrüse gespritzt. Dabei handelt es sich um körpereigene Hormone, die praktisch keine Nebenwirkungen auslösen. Weil die Eierstöcke dadurch deutlich vergrössert sind, kann es sein, dass es dort zu einem Ziehen kommt.»

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Was kostet die Prozedur?

Das Einfrieren von Spermien ist weniger aufwendig und kostet weniger: 500 bis 1500 Franken. Frauen zahlen zum Beispiel am Unispital Zürich 4000 bis 5000 Franken für die Behandlung und zusätzlich 1000 bis 2000 Franken für die Medikamente. Für die Lagerung der Keimzellen zahlen Frau und Mann etwa 400 Franken pro Jahr. Die Grundversicherung der Krankenkasse und die Zusatzversicherungen beteiligen sich nicht an den Kosten.

Eizellen können zwischen fünf und zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Liegen medizinsche Gründe vor, können sie auch länger aufbewahrt werden.
Foto: Getty Images
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Wie lange kann man Eizellen aufbewahren?

Das Fortpflanzungsmedizingesetz erlaubt eine Konservierung von Ei- und Samenzellen während fünf Jahren. Danach kann man eine Verlängerung um weitere fünf Jahre beantragen. In der Regel wird das bewilligt. Die Keimzellen dürfen also während höchstens zehn Jahren auf Eis liegen. Aus medizinischen Gründen kann diese Frist erneut verlängert werden. Wer Eizellen oder Spermien nicht mehr benötigt, kann die Aufbewahrung jederzeit abbrechen.

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Unter welchen Voraussetzungen kann man die Ei- oder Samenzellen verwenden?

Hier ist das Gesetz deutlich strenger, weil es sich um ein fortpflanzungsmedizinisches Verfahren handelt. Damit man die eigenen Ei- oder Samenzellen verwenden kann, muss ein medizinischer Grund vorliegen. Das heisst, man muss zuerst auf natürlichem Weg versuchen, ein Kind zu zeugen. Erst wenn das nicht klappt, dürfen die konservierten Keimzellen zum Einsatz kommen.

Und: Das Paar sollte nicht zu alt sein. Es muss laut Gesetz für das gewünschte Kind sorgen können, bis es volljährig ist. Ein bestimmtes Alter wird nicht erwähnt, aber viele Kliniken legen selber eine Grenze fest. Die Risiken für Mutter und Kind steigen auch bei gesunden Frauen bei einem Alter von 46 Jahren deutlich an – deshalb sollte eine Schwangerschaft unbedingt vorher erfolgen, sagt Brigitte Leeners.

Eizellen können zwischen fünf und zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Liegen medizinsche Gründe vor, können sie auch länger aufbewahrt werden.
Foto: Getty Images
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Welche rechtlichen Hürden gibt es?

Singles und männlichen homosexuellen Paaren steht das Gesetz im Weg. Denn Eizellenspende und Leihmutterschaft sind hierzulande verboten, deshalb steht männlichen Paaren bei einem Kinderwunsch nur die Adoption offen. Möglich ist entweder eine Stiefkindadoption oder bei verheirateten Paaren die gemeinsame Adoption.

Wenn Alleinstehende den Traumpartner oder die Traumpartnerin nicht finden, ziehen auch sie den Kürzeren: Eine Samenspende dürfen nur verheiratete Paare in Anspruch nehmen, und an eine fremde Eizelle kommt man in der Schweiz sowieso nicht. Auch die eigenen Eizellen darf man nur benutzen, wenn man sich in einer gefestigten Partnerschaft befindet.

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