2122 Schweizer Babys entstanden letztes Jahr im Labor
Ihr Kinderlein, kommet

Unfruchtbarkeit wird für immer mehr Paare zum Problem. Alejandro Montoya kann helfen. Aber nicht immer.
Publiziert: 14.01.2018 um 00:12 Uhr
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Aktualisiert: 06.10.2018 um 12:38 Uhr
Aline Wüst (Text) und Valeriano Di Domenico (Foto)

Wer in den Eileiter will, muss Schutzkleidung anziehen. Denn da, wo Menschen entstehen, muss alles steril sein. Darum trägt Alejandro Montoya (35), Biologe an der OVA IVF Clinic in Zürich, auch eine Haube.

Der Eileiter, das ist Montoyas Labor. Denn exakt diese Funktion des weiblichen Körpers übernimmt es bei der künstlichen Befruchtung. Montoya tut hier, was bei seinen Patienten nicht funktioniert: bringt Eizelle und Spermien zusammen, lässt sie im Inkubator wachsen, fünf Tage lang, solange eben, wie es dauern würde, bis die Embryonen durch den Eileiter der Frau gewandert wären und sich in der Gebärmutter eingenistet hätten.

«Es ist wirklich wahr, ich bin Mutter!»

2122 Babys in der Schweiz sind 2016 durch künstliche Befruchtung zur Welt gekommen, wie die jüngste Auswertung der Gesellschaft für Reproduktionsmedizin zeigt. Das Baby von Tamara* und ihrem Mann taucht noch in keiner Statistik auf. Es ist erst vier Monate alt. Manchmal, wenn Tamara die kleinen Strampler von Emily* aufhängt, kann sie ihr Glück kaum fassen. Dann sagt sie sich: «Es ist wirklich wahr. Ich bin Mutter!»

Kinderwunsch-Biologe Alejandro Montoya kümmert sich in den ersten fünf Tagen nach der Befruchtung um die Embryonen.
Foto: Valeriano Di Domenico
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Entstanden ist Emily im Labor der OVA IVF Clinic in Zürich. Unter dem Mikroskop. Tamara waren im Nebenraum Eizellen entnommen worden. Ihr Mann lieferte das Sperma. Alejandro nahm alles in Empfang, fügte es zusammen. Das heisst, er schaute sich zuerst an, wie vital die Spermien sind. Bei einigen, die vom Morgen übrig geblieben sind, zeigt sich: Während manche ganz wild eine Eizelle suchen, sind andere regungslos.

Arbeitet Montoya, dimmt er das Licht. Im Eileiter scheint schliesslich keine Sonne. Während neues Leben entsteht, läuft Radio Swiss Pop.

Tägliche Hormonspritzen

Der Weg zum Wunschkind beginnt, lange bevor Montoya ans Werk geht: in der Sprechstunde von Peter Fehr. Der leitet die Kinderwunschklinik. Was gemacht werden muss, damit ein solches Kind entstehen kann, erklärt er gern: Fünf Wochen davor bekommt die Frau Medikamente, um die Gebärmutterschleimhaut auf das Baby vorzubereiten; sie erhält täglich Hormonspritzen, damit möglichst viele Eizellen heranreifen. Stimmt alles, werden diese unter Narkose entnommen.

«Ich, der Samenspender»

«Ich bin verheiratet und Vater von zwei kleinen Kindern. Als ich einen Dokumentarfilm über Samenspende sah, dachte ich: Das will ich auch machen. Ich habe meine Frau gefragt, sie war einverstanden. Letztes Jahr rief ich also in der OVA IVF Clinic in Zürich an. Ich kam dann aber erst mal auf eine Warteliste. Diesen September wurde ich nun zum Bluttest aufgeboten. Als alles in Ordnung war, konnte ich fünfmal spenden. Klar war das seltsam. Aber ich muss sagen, dass ich stolz bin, dass mein Sperma überdurchschnittlich gut ist. Das macht mich irgendwie auch ein bisschen männlicher. Im Februar muss ich nochmals eine Blutprobe machen, wenn alles gut ist, werden acht Kinder aus meiner anonymen Spende entstehen. Ich hoffe, sie werden gesund sein und etwas erreichen im Leben. Die Kinder haben mit 18 Jahren das Recht, zu wissen, wer ich bin. Ich habe mir schon vorgestellt, wie das sein wird, sie kennenzulernen. Gespendet habe ich, weil ich Paaren helfen will, ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Die 2000 Franken Entschädigung standen nicht im Vordergrund. Mit dem Geld fahre ich mit meiner Familie in die Ferien.»
*Name bekannt

Rund 400 Kinder entstehen in der Schweiz jährlich durch solche Samenspenden. Das Verfahren wird nur angewendet, wenn der Ehemann komplett unfruchtbar ist.

«Ich bin verheiratet und Vater von zwei kleinen Kindern. Als ich einen Dokumentarfilm über Samenspende sah, dachte ich: Das will ich auch machen. Ich habe meine Frau gefragt, sie war einverstanden. Letztes Jahr rief ich also in der OVA IVF Clinic in Zürich an. Ich kam dann aber erst mal auf eine Warteliste. Diesen September wurde ich nun zum Bluttest aufgeboten. Als alles in Ordnung war, konnte ich fünfmal spenden. Klar war das seltsam. Aber ich muss sagen, dass ich stolz bin, dass mein Sperma überdurchschnittlich gut ist. Das macht mich irgendwie auch ein bisschen männlicher. Im Februar muss ich nochmals eine Blutprobe machen, wenn alles gut ist, werden acht Kinder aus meiner anonymen Spende entstehen. Ich hoffe, sie werden gesund sein und etwas erreichen im Leben. Die Kinder haben mit 18 Jahren das Recht, zu wissen, wer ich bin. Ich habe mir schon vorgestellt, wie das sein wird, sie kennenzulernen. Gespendet habe ich, weil ich Paaren helfen will, ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Die 2000 Franken Entschädigung standen nicht im Vordergrund. Mit dem Geld fahre ich mit meiner Familie in die Ferien.»
*Name bekannt

Rund 400 Kinder entstehen in der Schweiz jährlich durch solche Samenspenden. Das Verfahren wird nur angewendet, wenn der Ehemann komplett unfruchtbar ist.

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2016 führte die Behandlung schweizweit bei 41,6 Prozent aller Frauen zu einer Schwangerschaft. Die Rate ist so hoch wie noch nie. Fehr hofft, dass sie weiter ansteigt.

Grund dafür ist das revidierte Fortpflanzungsmedizingesetz, das seit September in Kraft ist. Neu dürfen Embryonen von Eltern, die schwere Erbkrankheiten haben, vor der Einpflanzung auf Krankheiten untersucht werden.

Aufnahmen im Zeitraffer

Zum Einsatz kommt seit neustem auch eine Maschine, die ebenfalls in Montoyas Labor steht. Sie macht alle fünf Minuten Aufnahmen der Embryonen. Im Zeitraffer wird sichtbar, wie sich die Zellen teilen. Statt bisher drei dürfen seit September bis zu zwölf Embryonen pro Frau weiterentwickelt werden. Montoya kann nun die besten auswählen.
Die Maschine hilft ihm. Sie bewertet die Embryonen je nach Erfolgsaussichten mit Ziffern. Fehr erhofft sich von diesem Verfahren eine Erfolgsrate von bis zu 50 Prozent.

Fünf Tage nach der Befruchtung erhält die Frau den erfolgversprechendsten Embryo zurück. Der Rest wird eingefroren und das Hoffen beginnt. Neben jedem Embryo steht der Name einer Frau, dahinter oft eine leidvolle Geschichte. Tamara beispielsweise brauchte zwei Jahre, um schwanger zu werden, ihr Mann hatte wegen einer Krankheit eine eingeschränkte Fruchtbarkeit, auch bei ihr kamen Schwierigkeiten hinzu.

Zwei Wochen warten auf das Resultat

Nach frühestens zwei Wochen zeigt ein Schwangerschaftstest, ob die Behandlung erfolgreich war. Wird die Frau beim ersten Mal schwanger, kostet das 6000 bis 9000 Franken. Die Krankenkasse zahlt nichts – anders als etwa in Deutschland.

Bei Tamara nistete sich erst der siebte Embryo ein. Das strapazierte nicht nur die Nerven, sondern ging auch ins Geld. 30’000 Franken hat das Baby gekostet. Mutter und Vater haben dafür auf manches verzichtet, auch auf Ferien: «Der Aufwand war es wert. Keine Frage», sagt sie.

Was Tamara am Herzen liegt: Man solle sich bewusst sein, dass der Kinderwunsch nicht bei jedem Paar sofort in Erfüllung geht. Ständiges Nachfragen, wann es so weit sei, könne deshalb für die Betroffenen sehr verletzend sein.

*Namen von der Redaktion geändert

«Paare sollten schneller Hilfe suchen»

SonntagsBlick: Was sind die häufigsten Gründe für Unfruchtbarkeit?
Elisabeth Berger: Die Frauen werden zunehmend älter, bevor sie Kinder wollen.

Und bei den Männern?
Die Spermienqualität nimmt ab.

Woran liegt das?
Wir wissen es nicht genau. Es könnte mit der Umwelt zusammenhängen.

Wie reagieren Paare, wenn auch Sie ihnen nicht mehr helfen können?
Oft bricht eine Welt zusammen. Viele Frauen haben das Gefühl, sie könnten das Kinderkriegen dank künstlicher Befruchtung hinausschieben. Das stimmt leider nicht. Am fruchtbarsten sind Frauen zwischen 25 und 35 Jahren. Dann nimmt das rapide ab.

Bleibt die Eizellen-Spende.
Dann ist die Mutter genetisch nicht verwandt mit dem Kind.

Und im Gegensatz zur Samenspende ist das Verfahren in der Schweiz verboten.
Im Sinne der Gleichberechtigung geht mir das gegen den Strich. Wir brauchen hier unbedingt gesetzliche Anpassungen.

Was raten Sie Paaren, deren Kinderwunsch unerfüllt bleibt?
Schneller Hilfe holen. Ist die Frau nach einem Jahr ungeschützten Geschlechtsverkehrs nicht schwanger, sollte das abgeklärt werden. Bei Frauen über 35 Jahren schon nach einem halben Jahr.

Wie die Statistik belegt, hat die Zahl behandelter Frauen im Jahr 2016 leicht abgenommen.
Die Zahl hat vor allem im Tessin abgenommen, weil in Italien die Gesetze geändert und darum keine Italienerinnen mehr ins Tessin kommen für eine Behandlung. Grundsätzlich werden die Behandlungen im kommenden Jahr wegen des neuen Reproduktionsmedizingesetzes aber wohl eher zunehmen.

SonntagsBlick: Was sind die häufigsten Gründe für Unfruchtbarkeit?
Elisabeth Berger: Die Frauen werden zunehmend älter, bevor sie Kinder wollen.

Und bei den Männern?
Die Spermienqualität nimmt ab.

Woran liegt das?
Wir wissen es nicht genau. Es könnte mit der Umwelt zusammenhängen.

Wie reagieren Paare, wenn auch Sie ihnen nicht mehr helfen können?
Oft bricht eine Welt zusammen. Viele Frauen haben das Gefühl, sie könnten das Kinderkriegen dank künstlicher Befruchtung hinausschieben. Das stimmt leider nicht. Am fruchtbarsten sind Frauen zwischen 25 und 35 Jahren. Dann nimmt das rapide ab.

Bleibt die Eizellen-Spende.
Dann ist die Mutter genetisch nicht verwandt mit dem Kind.

Und im Gegensatz zur Samenspende ist das Verfahren in der Schweiz verboten.
Im Sinne der Gleichberechtigung geht mir das gegen den Strich. Wir brauchen hier unbedingt gesetzliche Anpassungen.

Was raten Sie Paaren, deren Kinderwunsch unerfüllt bleibt?
Schneller Hilfe holen. Ist die Frau nach einem Jahr ungeschützten Geschlechtsverkehrs nicht schwanger, sollte das abgeklärt werden. Bei Frauen über 35 Jahren schon nach einem halben Jahr.

Wie die Statistik belegt, hat die Zahl behandelter Frauen im Jahr 2016 leicht abgenommen.
Die Zahl hat vor allem im Tessin abgenommen, weil in Italien die Gesetze geändert und darum keine Italienerinnen mehr ins Tessin kommen für eine Behandlung. Grundsätzlich werden die Behandlungen im kommenden Jahr wegen des neuen Reproduktionsmedizingesetzes aber wohl eher zunehmen.

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