Wenn Träume wahr werden
Neue Liebe und eigenes Weingut für Schweizer Auswanderer

Wer sein Schicksal in die eigene Hand nimmt und ein neues Abenteuer wagt, findet unter Umständen sein ganz persönliches Glück. Dass dies möglich ist, beweist Urban Kaufmann (51).
Publiziert: 14.12.2022 um 14:08 Uhr
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Aktualisiert: 14.12.2022 um 14:49 Uhr
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Nicolas GreinacherRedaktor Wein DipWSET

Nach über zehn Jahren Berufstätigkeit als Käsermeister im Appenzell wurde Urban Kaufmann (51) klar, dass ihn sein Leben nicht vollständig erfüllte. Eva Raps (54), die zum selben Zeitpunkt ein paar hundert Kilometer entfernt beim Verband der deutschen Prädikatsweingüter (VDP) arbeitete, befand sich in einer ähnlichen Situation. Zu diesem Zeitpunkt wussten beide aber noch nichts voneinander.

«Wein war bei meinem Vater ein tägliches Getränk, deshalb war ich schon früh damit konfrontiert», so Kaufmann zu Blick. Über die Jahre entwickelte auch er ein wachsendes Interesse für Wein, wobei er mit grossen Degustationen anfänglich etwas Mühe hatte: «Zu Beginn war ich gnadenlos überfordert, auch weil ich am Schluss jeweils einen sitzen hatte.»

«Bei einem Glas Pinot Noir haben wir uns verliebt»

Kaufmann las Fachzeitschriften und absolvierte Weinkurse. Um praktische Erfahrung zu sammeln, arbeitete er während zwei Tagen die Woche auf einem Weingut im Thurgau. «Dort wurde mir schnell klar, dass Winzer-Romantik nicht der Alltag ist. Wer nicht hart arbeitet, kann keine grossen Weine keltern.»

Obwohl beide sehr gerne Riesling trinken, haben sich Eva Raps und Urban Kaufmann bei einem Glas Pinot Noir ineinander verliebt.
Foto: Monika Walther
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Nach und nach wurde ihm bewusst, dass er nicht nur Winzer werden, sondern auch sein eigenes Weingut besitzen wollte. «Zuerst schaute ich mich im Piemont um, weil mir die Region sehr gut gefällt. Weil sich meine Italienischkenntnisse jedoch in Grenzen halten und man in der Schweiz nur sehr schwierig ein Weingut kaufen kann, suchte ich mit der Hilfe eines Beraters in Österreich und Deutschland.» Da Kaufmann zu jener Zeit alleinstehend war, lautete sein Suchauftrag Weingut mit Frau.

Auch Raps hatte sich in der Zwischenzeit auf die Suche gemacht. Ihr Suchauftrag lautete: Mann mit Weingut. Als sich Kaufmann und Raps schliesslich kennenlernten, ging alles schnell. «Bei einem Glas Pinot Noir haben wir uns ineinander verliebt», so Raps. Kurze Zeit später wurden die beiden im deutschen Anbaugebiet Rheingau fündig und erwarben ein Weingut. Den Namen änderten sie in Weingut Kaufmann. Raps erzählt: «Das hat irgendwie mit Fügung zu tun, dass alles so wunderbar geklappt hat.»

Im Arbeitsalltag ist das Paar voll eingebunden

Auf die Frage, ob er in Deutschland seine Schweizer Heimat vermisst, antwortet Kaufmann: «Nein, das nicht, aber ich schätze die Schweizer Lebensqualität viel höher ein als früher.» Während die hohe Inflation in Deutschland sämtliche Preise, auch beispielsweise diejenigen für Glasflaschen oder Korken ansteigen lässt, scheint die Schweiz die Inflation besser unter Kontrolle zu haben.

Gemeinsam bewirtschaften Eva Raps und Urban Kaufmann eine Rebfläche von rund 20 Hektar, die mit Riesling, Spätburgunder (Pinot Noir) und einem kleinen Anteil Weiss- und Grauburgunder sowie Chardonnay bepflanzt ist. Die Arbeit auf dem Weingut hat das Paar aufgeteilt, erzählt Raps: «Ich kümmere mich um Büro, Marketing, Verkauf, sämtliche Veranstaltungen und Social Media, während Urban den Wein macht.»

«Unsere Weine sollen schon in einem jungen Alter ansprechend sein, aber auch lagerfähig», so Raps. Kaufmann fügt hinzu, dass er deutsche Weine mit Schweizer Präzision keltern möchte. Mittlerweile ist das Weingut sogar biodynamisch zertifiziert. Auch in die Gestaltung der knallroten Etiketten mit einem kleinen Schweizer Kreuz hat das Paar viel Zeit investiert. «Wir wollten einen hohen Wiedererkennungswert und etwas Aufgeräumtes.»

Knackiger Riesling und eleganter Pinot Noir

Zu Beginn probiere ich die beiden trockenen Einsteiger-Rieslinge: den Riesling 2021 und den Hattenheim Riesling 2021, eine Assemblage aus verschiedenen Lagen um den Ort Hattenheim. Wie für die Anbauregion Rheingau typisch, sind beide Weine kräftig, haben eine markante Säurestruktur und zeigen präzise Fruchtaromen von gelbem Apfel, Weintraube und Zitrone.

So richtig in Fahrt komme ich beim ebenfalls trockenen Tell Riesling 2021, einer Assemblage der besten vier Parzellen von Kaufmann. Der Tell, nach dem Schweizer Nationalheld Wilhelm Tell benannt, ist deutlich komplexer als die anderen beiden Rieslinge, viel würziger und am Gaumen sehr breit und äusserst präzise. Zudem zeigt dieser grossartige Riesling eine hohe Spannung, wie bei einem Pfeilbogen. Der komplexe 2015er Tell beweist, dass Kaufmanns Rieslinge mit ein paar Jahren Flaschenlagerung sogar noch zulegen können.

Raps und Kaufmann lieben auch die Rebsorte Pinot Noir. Ihr 2021 Hallgarten Pinot Noir +++ kommt mit etwa 30 Prozent Neuholz-Anteil aus und entstand aus Rebstöcken, die im Durchschnitt sechs Jahre alt sind. Auch hier sind die Fruchtaromen klar definiert und verweben sich harmonisch mit den rauchigen Noten vom Eichenholz. Ein ganz grosses Pinot Noir Erlebnis bietet der Energie geladene, konzentrierte und elegante 2020er Hattenheim Hassel Pinot Noir.

Schweizer Fondue sorgt für Stimmung

Wer die beiden auf ihrem Weingut im Rheingau besuchen möchte, kann dies zwischen November und März übrigens mit einem originalen Schweizer Fondue kombinieren. Die geselligen Fondue-Veranstaltungen haben sich bereits herumgesprochen und sind nicht nur bei den Besuchern aus der Schweiz, sondern auch bei den Einheimischen sehr beliebt.

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