Fi sihtuk!
Der Ramadan und der Rausch

Letzte Woche, also während des Ramadans, war Blick-Wein-Redaktorin Shirley Amberg in Dubai und diskutierte, mit einer Tasse Tee in der Hand, mit einem Saudi über Gott und die Welt. Und den Ramadan und den Rausch.
Publiziert: 30.04.2022 um 16:29 Uhr
Shirley Amberg

In unserer sich stetig und schnell verändernden Zeit bieten religiöse Feste einen relativ einfachen Weg, die Verbindung zu Traditionen und Werten aufrechtzuerhalten. So gibt es zum Beispiel viele abtrünnige Christen, die dann aber doch in einer Kirche heiraten wollen. Diese Tatsache erklärt vielleicht auch, warum der Ramadan besonders in weitgehend säkularen muslimischen Ländern eine wichtige Bedeutung hat.

Alkohol wird von der Mehrheit der Muslime als «haram», also als verboten oder sündhaft, angesehen – doch trinken diejenigen Muslime, die Alkohol trinken, oft mehr als ihre westlichen Kollegen: Unter den Alkoholkonsumenten führt eine Reihe mehrheitlich muslimischer Länder gar die globale Rangliste für Alkoholkonsum an.

Während des Ramadans verzichten jedoch viele muslimische Trinker aus mehr oder weniger freiem Willen auf den Konsum von Wein, Bier oder Spirituosen.

Religion hat viel mit Tradition zu tun. So setzen viele Christen nur bei der Hochzeit einen Fuss in die Kirche.
Foto: Shutterstock
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Es mag etwas seltsam erscheinen, doch gibt es eine winzige Minderheit von Muslimen, die tagsüber fasten und in der Nacht dann Alkohol trinken. Doch ist es gar nicht so seltsam, wie es scheint: Schon seit den Anfängen des Islam wird darüber diskutiert, was die doch eher vagen Passagen des Korans zum Thema Trinken genau verbieten.

Die Mehrheit vertritt die Meinung, dass das Rauschmittel Alkohol an sich verboten ist – die Minderheit ist der Ansicht, dass es der Rausch, also das sich betrinken, verboten ist.

Alkohol wurde vom Koran nicht von Anfang an verboten

Der Koran, das heilige Buch der Muslime, also jener Menschen, deren Religion der Islam ist, entstand vor ungefähr 1'400 Jahren. Damals war der Konsum von Alkohol in der islamischen Gesellschaft gang und gäbe und die Muslimen sehen es als einen weisen Ansatz von Allah, sein Volk nicht in einen kalten Entzug zu schicken.

Das arabische Wort «sukara» bedeutet so viel wie betrunken oder berauscht – und kommt in sehr vielen der Verse vor. So verbietet einer der ersten Verse des Korans den Muslimen, betrunken am Gebet teilzunehmen (4:43). In einem anderen Vers steht geschrieben, dass Alkohol etwas Gutes und etwas Böses enthält, aber «das Böse ist grösser als das Gute» (2:219).

Der Koran unternahm mehrere kleine Schritte, um seine Anhänger vom Alkoholkonsum abzubringen. Der letzte Vers ist aber schon sehr eindeutig: Rauschmittel werden als «Gräuel des Satans» bezeichnet, um «die Menschen von Gott abzuwenden und das Gebet vergessen zu lassen».

Der Prophet Muhammad wies seine Anhänger an, alle berauschenden Substanzen zu vermeiden: «Wenn es in einer grossen Menge berauscht, ist es sogar in einer kleinen Menge verboten». Aus diesem Grund vermeiden viele gläubige Muslime Alkohol in jeglicher Form, selbst in kleinsten Mengen und auch nicht zum Kochen.

Zehn Sünder

Prophet Mohammed verbot ebenfalls den Handel mit Alkohol und verfluchte folgende zehn Personen: «…der Traubenbauer, derjenige, der ihn pressen lässt, derjenige, der ihn trinkt, derjenige, der ihn befördert, derjenige, an den es weitergegeben wird, derjenige, der es serviert, derjenige, der es verkauft, derjenige, der von dem dafür gezahlten Preis profitiert, derjenige, der es kauft, und derjenige, für den es gekauft wird.»

Aus diesem Grund lehnen es viele Muslime ab, in Positionen zu arbeiten, in denen sie Alkohol servieren oder verkaufen müssen.

Es gibt aber auch viele Muslime, die nicht fasten – und während des Ramadans gerne Alkohol trinken würden. Einige von ihnen sind nur vage Gläubige, die ihren Glauben nicht praktizieren, andere hingegen sind durch und durch Atheisten oder Agnostiker. Wie ich aus Erfahrung weiss, kann es in einigen muslimischen Ländern auch für Nicht-Muslime schwierig sein, während des Fastenmonats Alkohol zu finden. Ich rede hier natürlich nicht von den muslimischen Ländern, die den Alkoholverkauf während des Ramadans erlauben und das einzige Hindernis das eigene Gewissen ist. Aber es gibt Länder, in denen normalerweise reichlich Alkohol fliesst, beispielsweise Tunesien oder Ägypten, während des Ramadans aber nichts zu holen ist.

Die Schwierigkeit, während des Ramadans Alkohol zu finden, dürfte zwar kaum die grösste Ungerechtigkeit jener Länder sein. Trotzdem sind die dort lebenden Liebhaber der alkoholischen Rebensäfte wohl darüber erleichtert, nicht irgendwo, wo Alkohol das ganze Jahr über verboten ist, wie etwa in Saudi-Arabien oder im Iran, zu leben.

Totales Alkoholverbot

In Saudi-Arabien existiert so gut wie kein Wein und das Scharia-Gesetz verbietet jede Form von Alkohol im ganzen Land. Im Koran steht keine explizite Strafe für den Konsum von Alkohol geschrieben. Doch schuf der Prophet Mohammed einmal einen Präzedenzfall, indem er die Auspeitschung als Strafe einsetzte.

Unter den heutigen Juristen Saudi-Arabiens gibt es unterschiedliche Ansichten über die Anzahl der Peitschenhiebe, die eine Person erhalten sollte: Einige fordern achtzig, andere vierzig. Vielleicht sollte deswegen das Jenseits ein kleiner Trost und Hoffnungsschimmer darstellen.

Paradiesischer Wein

Aus Sicht von Prophet Mohammed gibt es zwei verschiedene Weinarten, nämlich die irdischen und die paradiesischen. Im Koran steht, dass da «Flüsse von Milch und Honig und Wein vorhanden sind. Und der Wein, der ist so: Da kann man so viel davon trinken, wie man will; man bekommt keine Kopfschmerzen.» Immerhin.

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