Min Jung Kim zeigt uns, was man aus Tofu alles machen kann
Alles andere als fad!

Tofu ist ein weiches, geschmackloses Ding, das nur als Fleischersatz dient. Das ist alles falsch. Wir stellen dieses Vorurteil auf den Kopf.
Publiziert: 25.03.2023 um 11:32 Uhr
Tania Brasseur und Lena Lauper Baldellou

Ein weiches, geschmackloses Etwas, das nur für Vegetarier geeignet ist. So ähnlich war mein Eindruck von Tofu. Aber das war früher. Bevor ich Min Jung Kim kennenlernte. Die Koreanerin verriet mir ihre Herstellungsgeheimnisse und öffnete mir die Augen, welche Bedeutung dieses Lebensmittel in der asiatischen Esskultur hat.

Wir alle haben schon einmal Tofu probiert, sei es bei einem Essen mit vegetarischen Freunden, bei einem thailändischen Pad oder einem vietnamesischen Banh Mi. Aber was ist Tofu eigentlich?

Ein «Käse» aus Sojabohnen

Wenn man ihn mit einem Lebensmittel vergleichen müsste, das uns allen vertraut ist, wäre es wahrscheinlich Frischkäse. Wäre da nicht die Tatsache, dass die verwendete «Milch» aus einer Hülsenfrucht, der Sojabohne, gewonnen wird. Unter dem Namen «Sojakäse» tauchte Tofu in den 1970er-Jahren erstmals zaghaft in unseren Regalen auf. Damals war er nur in Reformhäusern und wenigen asiatischen Lebensmittelgeschäften zu finden. In Ländern wie der Schweiz oder Frankreich, in denen Käse einen Kultstatus geniesst, war die Bezeichnung Tofu wohl eher unpassend, was zu negativen Vorurteilen gegenüber diesem jahrtausendealten Produkt führte.

Min Jung Kim während der Herstellung des Tofus. Seit Jahren verbessert sie ihre Methoden immer weiter.
Foto: Sigfredo Haro
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1985 veröffentlichte die Migros ein Rezeptheft mit Tofu-Rezepten.

Tofu entstand vor über 1000 Jahren in China, wo er zunächst eher als Arme-Leute-Essen galt, weil er billiger als Fleisch war. Von China aus gelangte er dann nach Japan, wo er von der feinen Gesellschaft sehr geschätzt wurde. Übrigens entspricht das Wort Tofu der japanischen Aussprache des chinesischen Namens doufu. Heute sind die Japaner nach den Chinesen die zweitgrössten Tofu-Konsumenten.

Es wird vermutet, dass die Herstellungstechnik von den Moguln oder anderen Völkern stammt, die die Milchgerinnung beherrschten. Die Herstellung von Tofu ähnelt in der Tat sehr derjenigen von Käse. Zunächst werden die Sojabohnen eingeweicht, dann zerkleinert und mit Wasser vermischt, um die Sojamilch herzustellen. Die Milch wird dann erhitzt und mithilfe des natürlichen Gerinnungsmittels Nigari, das eigentlich Magnesiumchlorid ist, zum Gerinnen gebracht. Der so entstandene weiche Tofu wird in eine Form gefüllt und gepresst. Nachdem die Molke entfernt wurde, wird der «feste» Tofu in Blöcke geschnitten und verpackt. So weit die grundlegende Methode. Doch wenn Kim es erklärt, bekommt die Zubereitung von Tofu plötzlich eine ganz andere Dimension.

Asiatische Philosophie

«Tofu ist ein delikates Produkt, dessen Zubereitung viel Aufmerksamkeit erfordert», erklärt mir Kim, die in Coinsins im Kanton Waadt ansässig ist. Sie reicht mir ein kleines Glas, in dem sich Sojabohnen befinden, höchstens ein paar Dutzend. «Das sind die Bohnen, die wir beim Aussortieren von 50 Kilo Sojabohnen entfernt haben. Selbst diese winzige Menge hätte den endgültigen Geschmack des Produkts beeinflussen können», sagt sie.

Das Sortieren ist für sie ein sehr wichtiger Schritt: «Es ermöglicht uns, über den Tastsinn mit dem Material in Verbindung zu treten. Das mag esoterisch klingen, aber es ist typisch für die asiatische Philosophie.» Auch der Gemütszustand einer Person hat einen Einfluss. «Wenn man gut gelaunt ist, schmeckt der Tofu noch besser. Das haben auch meine Mitarbeiterinnen festgestellt», sagt sie mit einem verschmitzten Blick.

Auch das Einweichen der Sojabohnen ist kein Zufall. Die Dauer hängt vom Wetter ab: «Wenn es regnet, dauert das Einweichen länger.» Diese Erkenntnis ist das Ergebnis sorgfältiger Experimente. Über Jahre hinweg, als ihre Produktion noch geheim war, protokollierte Kim nicht nur die einzelnen Herstellungsschritte, sondern auch das Wetter und die Temperatur des Tages, um die Auswirkungen auf die Qualität zu messen. Als Perfektionistin verbesserte sie ihre Methoden immer weiter, bis das Ergebnis ihren Ansprüchen genügte.

Auch in der Schweiz wird Tofu produziert

Nicht nur in der Westschweiz ist die Tofuherstellung beliebt. Auch die Tofurei Engel gehört zu den Pionieren der Produktion in der Schweiz, und das schon seit den 1980er-Jahren. Aus Zürich, Zug und Luzern kamen die jungen unabhängigen Produzenten zusammen, als in der Schweiz Sojaprodukte noch fast unbekannt waren. Zusammen begannen sie 1981, in der Waschküche eines Abbruchhauses in Zürich Tofu zu produzieren. Ein knappes Jahr später gründeten sie in Ottenbach ZH die Genossenschaft Tofurei Engel, die bisher älteste Tofuproduktionsstätte der Deutschschweiz. Die Waschküche ist kein Thema mehr. Selbständig sind sie aber immer noch geblieben. Heute ist die Produktionsstätte in einem modernen und ökologischen Biolädeli in Widen, im Aargau, zu finden.

Genauso wie die Tofurei Engel gibt es den Familienbetrieb Soyana seit 1981. Der Gründer, Walter Dänzer aus Schlieren ZH, gilt als Tofu-Pionier und produziert seit bald 40 Jahren Lebensmittel ohne tierische Produkte. Sein Unternehmen gilt als erstes weltweit, das ein Joghurt aus den Bohnen herstellte. Dänzer war es schon von Anfang an wichtig, die vegane Bewegung voranzutreiben, um Umwelt und Tiere zu schonen. Auch wenn er für viele ein Träumer, gar Spinner war, gehört sein Unternehmen mit pflanzlichem Sortiment zu den erfolgreichsten der Schweiz.

Immer mehr Tofu wird in der Schweiz produziert. Laut der Forschungsanstalt Agroscope achtet in der Schweiz heutzutage rund die Hälfte der Bevölkerung darauf, weniger Fleisch und andere tierische Produkte zu essen. Wie wir jetzt wissen, ist Tofu nicht nur was für Vegetarier oder Veganer. Min Jung Kim verrät uns auch, wie man Tofu einfach zubereitet: «Schneiden Sie ihn in 1 Zentimeter dicke Scheiben, wälzen Sie diese in Maizena oder Reismehl und braten Sie sie in einer Pfanne an. Salz und Pfeffer dazu. Das ist einfach, aber köstlich.»

Tofu wird aus Sojabohnen hergestellt.
Foto: DR
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