«Vertrag machen, bevor man das Familienvermögen investiert!»
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Albtraum statt Traumhaus:«Vertrag machen, bevor man das Vermögen investiert»

Experte antwortet Leserfragen
Bauarbeiten wurden ohne Zustimmung gemacht – wer bezahlt?

Beat Flach (58), Nationalrat und Baujurist beim Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein Schweiz (SIA) beantwortet im Interview Leserfragen rund ums Thema Baumängel.
Publiziert: 23.05.2023 um 17:39 Uhr
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Andreas HobiTeamlead Community

Manfred Risse: Wir haben ein kleines Mehrfamilienhaus gekauft. Nun haben wir festgestellt, dass die Wand im Keller nicht gut isoliert ist und Wasser eintritt. Darüber hinaus gabs eine Klage von der Baubehörde, da etwas zu gross gebaut wurde. Das Dach ist zehn Zentimeter zu hoch. Das Haus wurde 2017 gebaut, wir haben es 2020 gekauft. Was können wir tun?
Beat Flach: Grundsätzlich muss man Mängel sofort melden. Das könnte hier zu spät geschehen sein. Mein Rat: Mit einem Baujuristen die Verträge anschauen und mit einem Baufachmann die Mängel anschauen. Ein besonderes Problem ist der zweite Punkt mit dem zu gross gebauten Haus. In diesem Fall könnte man den Kaufvertrag eventuell anfechten, weil das Haus nicht den Baubestimmungen entspricht. Auch das wäre ein Fall für den Juristen.

Corinne Weber: Unser neues Haus war von Beginn an undicht. Die Fassade bröckelte ab und zog Wasser an. Und bei den Fenstern regnete es rein. Neun Jahre lang baten wir den Architekten und den Unternehmer, das Problem zu beheben. Immer mal wieder wurde etwas gebastelt, aber nie wurde das Problem gelöst. Jetzt ist das Unternehmen Konkurs. Wir haben die Mängel jetzt fachmännisch beseitigen lassen für 30‘000 Franken und sitzen auf den Kosten. Können wir das irgendwie noch zurückerhalten?
Solche und ähnliche Fälle kommen nicht selten vor. Hier haben die Eigentümer einen Fehler gemacht: Man darf bei Mängeln die Unternehmen nicht bitten und warten, sondern man muss unmissverständlich Verbesserung innert Frist fordern. Sobald ein Mangel sichtbar ist, muss dieser gemeldet werden. Wenn das Unternehmen dann nicht richtig arbeitet und nicht weiterhilft, müsste man klagen oder eine Betreibung anstrengen. Weil die Fristen sonst einfach weiter laufen und die Ansprüche des Bauherrn untergehen. Auch wenn die Mängel erkannt und akzeptiert worden sind, läuft die fünfjährige Frist einfach weiter. Mit dem Konkurs des Unternehmens ist in diesem Fall aber der Vertragspartner weg, und man kann nur noch sehr wenig machen.

Peter: Wenn beim Kücheneinbau ein Mangel auftritt und dieser behoben wird, muss ich die ausstehenden zehn Prozent der Rechnung direkt zahlen oder besteht eine Wartefrist, um festzustellen, ob der Mangel definitiv behoben ist?
Grundsätzlich muss nach Abschluss der Bauarbeit und Abnahme die Rechnung bezahlt werden. Der Unternehmer ist aber trotzdem noch in der Pflicht, allfällige weitere Mängel zu beheben. Ist die SIA Norm 118 vereinbart worden, gilt ein Rückbehalt in Form einer Bankgarantie in der Höhe von zehn Prozent des Werklohnes für Mängel, die während der ersten zwei Jahre gerügt wurden. Diese Garantie kann auch geltend gemacht werden, wenn der Unternehmer nicht zur Behebung des Mangels in der Lage ist.

Beat Flach ist Nationalrat und Baujurist.
Foto: Zvg
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Familie Gross: Wir haben eine kleine Ferienwohnung gekauft, die wir am Renovieren sind. Um die elektrischen Arbeiten zu besprechen, haben wir einen Elektriker dazu gezogen. Die versprochene Offerte ist nie bei uns angekommen, auch nach mehrmaligen Anfragen nicht. Nun ist etwas im Rahmen einer Pauschale zu uns gelangt. Diese stimmt für uns aber nicht, jedoch wurden ohne unsere Zustimmung bereits Arbeiten ausgeführt. Welche Schritte empfehlen Sie uns?
Ich würde der Familie raten, eine detaillierte Abrechnung anzufordern, was genau, wann gemacht worden ist. Danach mit dem Unternehmen besprechen, ob das so bestellt worden ist oder nicht. Es braucht für einen Werkvertrag zwar keine Schriftlichkeit, aber einen klaren gegenseitig ausgedrückten Willen, mit übereinstimmendem Inhalt, was gemacht werden soll. Sonst würde man von einer sogenannten Geschäftsführung ohne Auftrag sprechen und diese kann, muss aber nicht vom Bauherrn genehmigt werden. Wenn einfach etwas gemacht wird und der Bauherr nicht zufrieden ist, kann eine Verbesserung gefordert werden oder sogar ein Rückbau verlangt werden. Dann empfehle ich, eine klare Frist für eine gültige Offerte zu setzen oder einen anderen Handwerker zu suchen.

Fulvia Jegen-Granello: Bei unserer Attikawohnung wurde ein falsches Parkett verlegt. Wir hatten allein für dieses Parkett 40'000 Franken Mehrkosten. Das von uns gewünschte Parkett sieht völlig anders aus. Wir waren während des Verlegens im Ausland und haben diesen Zustand erst bei der Übernahme gesehen und im Übernahmeprotokoll auch festgehalten. Wir wollen jetzt, dass der Boden herausgerissen und der von uns gewählte Parkett verlegt wird. Wie können wir vorgehen?
Hier stellt sich die Frage, welche Art von Vertrag abgeschlossen wurde. Wenn nach Obligationenrecht ein Vertrag vereinbart wurde, kann bei einer derart falschen Werkleistung in der Regel keine Verbesserung gefordert werden, und eine Wandelung (das heisst eine Rückabwicklung des Vertrags nach Art. 368 Abs. 1) steht im Raum. Wenn die SIA Norm 118 im Werkvertrag vereinbart wurde, kann als Erstes eine Verbesserung verlangt werden. Falls das Unternehmen das nicht machen möchte oder kann, kann ich auf dessen Kosten einen Dritten beauftragen. Stehen die Verbesserungskosten in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Erstellungskosten, bleibt dann nur der Minderpreis. Danach stellt sich auch die Frage, ob man Schadensersatzforderungen geltend machen will. Ganz wichtig: Man muss nicht einfach falsche Arbeit akzeptieren.

Stefan Thönen: Neben uns wird ein Haus gebaut. Nun wurde auf unserem Parkplatz, vermutlich durch einen Lastwagen, die Abwasserrinne stark beschädigt. Der Generalunternehmer stellt sich jetzt auf den Standpunkt, dass wir nicht beweisen können, welcher Lastwagen das verursachte, deshalb will er sich nicht an den Kosten beteiligen. Haben wir auf dem Rechtsweg eine Chance, wenigstens eine Kostenbeteiligung zu erwirken?
Als Grundeigentümer kann jede Zustandsstörung, die von einem Nachbarn verursacht wird, bei diesem geltend gemacht werden. Das muss mit dem Nachbarn besprochen werden und nicht direkt mit dem Generalunternehmer, ausser natürlich man hat den Verursacher inflagranti erwischt als der Schaden verursacht wurde. Aus diesem Grund macht es Sinn, bei anstehenden Bauarbeiten eine Bestandsaufnahme zu machen. Am Schluss muss der Geschädigte nämlich glaubhaft machen können, dass aufgrund von fremden Bauarbeiten Schäden am eigenen Grundstück entstanden sind, deshalb liegt die Verantwortung, dass eine solche Bestandsaufnahme gemacht wird, bei jedem selber.


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