Pilotprojekt mit Mobility: Powerbanks auf Rädern
Elektro-Hondas sollen Stromnetz stabilisieren

Elektroautos, die je nach Bedarf Strom speichern oder wieder abgeben – das ist der Traum vieler Stromnetzbetreiber. Der japanische Autobauer Honda und der Carsharing-Anbieter Mobility spannen jetzt für ein Pilotprojekt zusammen.
Publiziert: 08.09.2022 um 16:30 Uhr
Andreas Faust

Ab sofort stehen an 40 Standorten des Carsharing-Anbieters Mobility 50 Honda e zur Nutzung zur Verfügung. Für den Schweizer Carsharing-Pionier ein weiterer Schritt hin zur CO₂-Neutralität der Fahrzeugflotte, die CEO Roland Lötscher (53) bis 2030 erreichen will. Aber der Clou der kleinen Honda-Stromer ist eine besondere Fähigkeit: Sie beherrschen bidirektionales Laden. Heisst: Ein Honda e ist nicht bloss ein Belastungsfaktor fürs Stromnetz, wenn er geladen wird. Er kann aus seiner Batterie auch Strom ins Netz zurückspeisen.

Seit die ersten Elektroautos auf dem Markt sind, geistert die Idee durch die Strategien der Stromanbieter, diese für die Netzstabilität zu nutzen: Stromproduktion und -verbrauch müssen sich in Echtzeit im Gleichgewicht halten. Dazu sind Stromspeicher nötig – als Puffer vor allem für im Überfluss produzierten regenerativen Strom. Diese Funktion könnten unter anderem Elektroautos mit bidirektionaler Ladefunktion übernehmen. Sie sind quasi Powerbanks auf Rädern: Wenn Naturstrom produziert, aber nicht verbraucht wird, wird er in den Batterien zwischengespeichert. Wird mehr Strom benötigt als aktuell produziert, können die E-Autos ihn aus ihren Batterien liefern.

Erfahrungen im Pilotprojekt

Aber: Nicht alle Hersteller von E-Autos sind von dieser Idee begeistert. Denn ihre Fahrbatterien altern mit jedem Lade- und Entladevorgang. Wenn also ein Netzbetreiber mal Strom entnimmt und später wieder speichert, trägt er zur Autoalterung bei. Ausserdem dürften viele Autofahrer befürchten, dass im Smart Grid genau dann ihr Auto zu wenig Strom in der Batterie haben könnte, wenn sie eine längere Strecke fahren wollen.

Ab sofort stehen an 40 Standorten des Carsharing-Anbieters Mobility 50 Honda e zur Nutzung zur Verfügung.
Foto: Zvg
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Höchste Zeit also für den ersten grossflächigen Test mit bidirektional ladenden Serien-Elektroautos: Im Pilotprojekt «V2X Suisse» von Honda, Mobility und fünf weiteren Unternehmen – unter anderem auch unterstützt vom Bundesamt für Energie – werden die 50 Honda e ein Jahr lang nicht nur gefahren, sondern auch als Pufferspeicher genutzt, um Lücken in der Stromversorgung zu schliessen. V2X steht dabei für die vier Möglichkeiten, Strom aus der E-Auto-Batterie zu nutzen: Bei V2G wird das Netz (Grid) stabilisiert, bei V2H das eigene Haus per E-Auto versorgt, bei V2V ein anderes E-Auto (Vehicle) geladen, und bei V2U (Utility) lassen sich Elektrogeräte mit den E-Auto-Akkus versorgen.

Mit je 34,4 Kilowattstunden (kWh) Nettokapazität bieten die 50 Honda e insgesamt 1720 kWh Speicherkapazität. Zum Vergleich: Ein Schweizer Zweipersonenhaushalt benötig pro Jahr mehr als die doppelte Strommenge. Aber selbst im Kleinen lassen sich Erfahrungen unter realen Bedingungen sammeln: «Wir erhalten die so dringend nötigen Erfahrungen, um die technischen und regulatorischen Herausforderungen rund um das bidirektionale Laden meistern zu können», erklärt Projektleiter Marco Piffaretti (57).

Lösung statt Problem

Elektroautos sollen so künftig statt zum Problem zur Lösung für die Netzstabilität werden: Stromanbieter könnten mit den am Netz hängenden E-Autos Schwankungen besser ausgleichen, Engpässe minimieren, teure Netzausbauten verringern und Strommangellagen verhindern. Bewähren sich die 50 Honda e beim bidirektionalen Laden, könnte nach der einjährigen Testphase gleich der Dauerbetrieb starten, so Piffaretti.

Derzeit sind erst sieben in Europa angebotene Elektromodelle fürs bidirektionale Laden eingerichtet: Neben dem Honda e können Nissans Leaf und e-NV200 sowiee Mitsubishis Plug-in-Hybride Outlander und Eclipse Cross prinzipiell ins Hausnetz zurückspeisen. Kias EV6 und der Hyundai Ioniq 5 bieten derzeit die Möglichkeit, per Adapter bis zu 3,7 kW Leistung aus der Batterie abzuzapfen, um Elektrogeräte zu betreiben oder andere E-Autos zu laden. Mittelfristig dürften aber weitere Autobauer per Softwareupdates bidirektionales Laden ermöglichen.

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