Britische Sportwagen-Marke in der Krise
Er will Aston Martin retten

Seit rund neun Monaten hält Tobias Moers (55) das Steuer beim britischen Sportwagenbauer Aston Martin in der Hand – und hat in diesem Zeitraum fast das gesamte Unternehmen auf Links gedreht. Erste Erfolge dieser Radikalkur sind bereits erkennbar.
Publiziert: 13.06.2021 um 15:15 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2021 um 15:28 Uhr
Wolfgang Gomoll

Tobias Moers (55) macht keine halben Sachen. Seit seinem Einstieg bei Aston Martin arbeitet der ehemalige Chef der Mercedes-Sportabteilung AMG rund 16 Stunden am Tag. «Ich habe vom englischen Leben noch nicht viel mitbekommen», sagt der neue CEO des britischen Autobauers lachend. Los gehts morgens um sieben Uhr, wenn Moers mit seinem Führungskreis die anstehenden Probleme löst. Sein Team hat Moers getunt und an entscheidenden Stellen ehemalige AMG-Kollegen installiert. Der neue COO kommt gar von Bentley.

Moers will schaffen, woran etliche Manager vor ihm gescheitert sind. Schliesslich war Aston Martin seit der Gründung 1913 bereits sieben Mal pleite. Immer wieder fand sich ein Retter. Mit dem Auf und Ab soll jetzt Schluss sein. «In zehn Jahren soll Aston Martin ein etablierter Automobilhersteller sein, der nachhaltig ist und sich selbst finanziert. Deswegen habe ich da mitgemacht», sagt Moers. Bis Mitte des Jahrzehnts soll Aston Martin 10'000 Fahrzeuge im Jahr verkaufen. Ambitioniert, wenn man bedenkt, dass der britische Autobauer im vergangenen Corona-Jahr lediglich 4150 Autos absetzen konnte. Rettung verspricht der SUV DBX, ohne den es in Gaydon düster aussähe. Im ersten Quartal ist der Crossover zum Retter des angeschlagenen Autobauers avanciert: Unter 1353 verkauften Autos waren 746 DBX.

Elektro statt Benziner

Auch wenns derzeit für ihn vor allem ums Geschäft geht: Moers bleibt technikverliebt. Bei AMG montierte er nach Feierabend aus Spass mal noch einen V8-Motor. Bei Aston ist er von der Karosseriesteifigkeit seines Sportwagen-Duos DB 11 und DBS begeistert. Nächstes Jahr gibts eine Modellpflege – die Autos seien «ein bisschen in die Jahre gekommen.» Die Aston-Martin-Zukunft soll aber elektrisch sein.

Nicht erst seit dem Corona-Jahr 2020 steckt Aston Martin in der Krise – daran ändern auch die Nachbauten des James-Bond-Autos DB5 nichts.
Foto: Max Earey Photographer
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Ab Mitte des Jahrzehnts startet eine neue Plattform inklusive Elektroantrieb. «Das ist der Zeitpunkt, an dem man als Luxusmarke so ein Auto haben muss», macht Moers klar. «Ich bin ein Fan der AMG-Elektrifizierungsstrategie. Aston Martin sehe ich genauso. Wir sind im Luxussegment unterwegs, da dreht sich das alles schneller in Richtung nachhaltige Produkte. Deswegen muss die nächste Generation der Sportwagen rein elektrisch werden», sagt er.

Sechs neue Modelle bis 2024

Dank einer Kooperationsvereinbarung hat Moers Zugriff auch auf Komponenten und Elektro-Plattformen seines alten Arbeitgebers. Aber für Moers ist auch klar: «Ich baue keinen AMG nach.» Einen AMG-Klon aus Gaydon würden Aston-Martin-Kunden sicher nicht akzeptieren.

Was kommt bis dahin neu? Auf die Rennstreckenversion des Valkyrie soll eine weitere Modellvariante des Supersportwagens folgen. Vom DBX wird es in der zweiten Jahreshälfte ein Coupé geben. Und 2024 soll ein Plug-in-Hybridmodul dem SUV Beine und der Konkurrenz Druck machen. Für Moers ist der DBX jetzt schon das fahraktivste Modell seiner Art. Als Plug-in-Hybrid-Variante kommen auch die Mittelmotorsportwagen Aston Martin Valhalla und der Vanquish, die mit einer elektrischen Vorderachse versehen werden. Die rein elektrische Reichweite soll 25 bis 30 Kilometer betragen. Dafür hat Moers den längst angekündigten Relaunch der Aston-Nobelmarke Lagonda auf Eis gelegt.

Fertigung und Vertrieb waren das Problem

Für den Neustart müssen Produktion und Vertrieb aber effizienter werden. Moers war bei Amtsantritt offenbar fassungslos: «Die Fertigung war nicht auf einem effizienten und professionellen Level. Ich kann die Dinge nicht verstehen, die da passiert sind.» Aus zwei Produktionslinien für DB11/DBS und Vantage machte Moers eine, aus 70 Stationen pro Linie und 400 Autos im Bau 23 Stationen und knapp 100 Autos in der Produktion. Ziel ist derzeit eine Steigerung der Effizienz um 35 bis 45 Prozent – eine immense Zahl, die zeigt, wie viel beim englischen Autobauer im Argen lag.

Trotzdem war die Reformbereitschaft gering, weshalb Moers das Management neu besetzte. «Zurück in die Zukunft» lautet jetzt die Devise: Die Produktion soll wieder mehr in Richtung individuelle Verantwortung für das Auto gehen und weg von der bisherigen grossindustriellen Fertigung. «Ich würde nie einen Aston Martin auf einem Fliessband bauen», sagt Moers. Aber es sei nun einmal da: «Ich will ein Auto, dass man direkt vom Band verkaufen kann.»

Durch die geringere Anzahl der gefertigten Wagen verringert sich der Lagerbestand, damit sind die Fahrzeuge bei den Händlern weniger überaltert. Waren es früher gut 3000 Autos im Lager, sind es jetzt unter 1000. Je geringer die Lagerbestände, desto weniger Rabatt müssen die Händler gewähren – das bringt auch höhere Erlöse. Das wichtigste sind für Moers aber noch immer die Auto-Emotionen: «Der Vantage Formel 1 Edition ist mega!»


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