Hier stemmt sich ein Polizist gegen den Trump-Mob
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Mehr Härte bei Friedens-Demos:Wo blieb die Polizei bei der Kapitol-Stürmung?

Weniger Sicherheit bei der wichtigsten Sitzung als bei Demos gegen Rassismus
Wo blieb die Polizei bei der Kapitol-Stürmung?

Was für ein Unterschied: Bei Protesten gegen Rassismus oder Trumps Kirchengang fuhr die Nationalgarde im Grossaufgebot auf, bei der Stürmung des Kapitols war sie anfänglich nicht einmal anwesend. Wie konnte das passieren?
Publiziert: 07.01.2021 um 15:25 Uhr
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Aktualisiert: 28.02.2021 um 17:02 Uhr
Guido Felder

Ein Mob von mehreren Hundert Trump-Fans stürmt das Kapitol in Washington, wo gerade der Kongress zu einem der heissesten Geschäfte der vergangenen Jahre tagt. Wo sich unter anderen mit Vize-Präsident Mike Pence einer der bestgeschützten Menschen dieser Welt aufhält. Würde man meinen. War aber nicht so. Eines der vielen Videos zeigt, wie ein einziger Sicherheitsbeamte im Gebäude mit einem Schlagstock versucht, die Meute zurückzuhalten. Ihm bleibt nur der Rückzug in die oberen Etagen.

Erst später, als die Situation eskaliert, wird die schwer bewaffnete Nationalgarde gerufen. Erst da wird das Sicherheitsdispositiv mächtig hochgefahren.

Wo waren denn die Sicherheitskräfte, nachdem Donald Trump schon Wochen zuvor zum «wilden» Protest vor dem Kapitol aufgerufen und sich eine gewalttätige Demonstration angekündigt hatte?

Ohne grossen Widerstand gelang es Hunderten von Trump-Anhängern, das Kapitol zu stürmen.
Foto: Getty Images
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Schutz für Denkmal und Trump

Empörung herrscht vor allem bei den Anhängern der Bewegung Black Lives Matter. Bei ihren landesweiten Protesten für Frieden sowie gegen Rassismus und Polizeigewalt im vergangenen Jahr rückte die Polizei an mehreren Orten mit Grossaufgeboten aus. Bilder zeigen etwa, wie Dutzende Mitglieder der Nationalgarde in Kampfmontur das Lincoln-Denkmal in Washington vor einer Erstürmung schützten.

Auch als Trump am 1. Juni 2020 die St. John’s Episcopal Church in Washington besuchte, feuerte ihm ein Grossaufgebot von Polizei und Nationalgarde mit Gummigeschossen und Tränengas den Weg durch Demonstranten frei.

«Eine Heuchelei»

In einer Mitteilung schreibt die BLM-Gruppierung: «Diese Reaktion auf Protest ist ein weiteres Beispiel für die Heuchelei unserer Strafverfolgungsbehörden.» Wenn Schwarze für ihr Leben protestierten, träfen sie allzu oft auf Truppen der Nationalgarde oder Polizei, ausgerüstet mit Sturmgewehren, Schutzschilden, Tränengas und Kampfhelmen.

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Die Zürcher SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr (57) twittert: «Es stellen sich viele unangenehme Fragen. Zum Beispiel, wie die Sicherheitskräfte vorgegangen wären, wenn eine BLM-Bewegung aufs Kapitol losmarschiert wäre.»

Schweizer Wahlmann schockiert

Was sagt das Weisse Haus? Gegenüber CNN teilte ein Bundesbeamter mit, dass die Nationalgarde nicht damit gerechnet habe, dass man sie brauchen würde. Die Trump-Regierung habe entschieden, dass der Schutz des Kapitols eine Angelegenheit der zivilen Strafverfolgungsbehörden sei.

Die zuständige US-Capitol-Police verfügt über eine 2000 Mann und Frau starken Truppe, einige von ihnen befinden sich wegen Corona in Quarantäne.

In den USA spricht man von einem katastrophalen Sicherheitsversagen. Die Polizei hatte lediglich niedrige Abschrankungen errichtet, die Beamten trugen grösstenteils Strassenuniform statt Kampfausrüstung.

Polizisten halfen Eindringlingen

Auch blieben die Polizisten teilweise komplett passiv: Anstatt die Randalierer zu stoppen, posierte ein Beamter mit einem Eindringling für ein Selfie, ein anderer half einer Frau die Stufen hoch. Auf einem Video soll zudem zu sehen sein, wie Polizisten dem Mob sogar einen Sicherheitszaun öffneten.

Verhaftet wurden bis am Mittwochabend 52 Personen, 47 davon weil sie die Ausgangssperre gebrochen hatten.

Kim Dine, Chef der Capitol-Police von 2012 bis 2016, sagt in der «Washington Post»: «Es ist, als ob man einen echten Horrorfilm erleben würde. Wir trainieren, planen und budgetieren jeden Tag, damit so etwas nicht passiert.»

Schweizer Wahlmann ist schockiert

Der aus Schaffhausen stammende Vinz Koller (57), der für die Demokraten Mitglied des 538-köpfigen Wahlgremiums war und somit Joe Biden zu Sieg verholfen hat, ist schockiert. Gegenüber BLICK sagt der in Kalifornien lebende Doppelbürger: «Selbst das Kapitol in Sacramento war besser geschützt, als wir Wahlleute am 14. Dezember in Kalifornien unsere Stimme abgaben.»

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