Weil sie Angst haben, dass Wagner-Söldner sie in Hinterhalt locken
Ukrainer töten sich in Bachmut gegenseitig

Wer für die Wagner-Gruppe kämpft, kann eine ordentliche Summe Geld kassieren – wenn er überlebt. Ein deutscher Soldat, der für die Ukraine an der Front ist, berichtet über die Privatarmee, die skrupellos wütet.
Publiziert: 25.01.2023 um 12:48 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2023 um 14:32 Uhr

Tagtäglich bekämpfen sich Ukrainer, Russen – und Wagner-Söldner. Die Legionäre haben in vielen Fällen keinen russischen Pass, sondern leben eigentlich im Ausland. Auch auf der Seite der Ukrainer kämpfen Freiwillige. Ben Kauler* (21) ist einer von ihnen und hat mit dem «Tagesspiegel» über seine Erfahrungen gesprochen. Der deutsche Soldat stand Wagner-Söldnern schon mehrfach gegenüber – vor allem in der hart umkämpften Stadt Bachmut, in der hauptsächlich die Söldner von Jewgeni Prigoschin (61) eingesetzt werden. Und Kauler hat schon mehrere von ihnen gefangen genommen.

In seinen Einsätzen überraschte den jungen Soldaten, wie viele Ausländer für die Russen arbeiten und seinesgleichen töten. Kauler kämpfte mit Söldnern, die amerikanische, französische, syrische oder auch deutsche Pässe besassen. Kauler fragte einen der Deutschen, den er in Bachmut gefangen nahm, was er in der Ukraine mache. Seine Motivation: Geld.

Wagner-Söldner bekommen 7000 Dollar Monatslohn (das sind fast 6500 Franken). Wer einen freiwilligen Kämpfer wie Kauler tötet und mit dem Pass und der Leiche nachweisen kann, dass er Ausländer ist, bekommt noch einmal 10'000 Dollar Kopfgeld obendrauf. Damit verdienen die Söldner mehr als Kauler selbst. «Diese Menschen kämpfen in einer Privatarmee, die schon seit langem weltweit für Kriegsverbrechen berüchtigt ist», sagt Kauler. Und auch in der Ukraine halten sie sich mit Verbrechen nicht zurück. Es kämpfen viele Häftlinge in der Ukraine für die Wagner-Gruppe, denen Freiheit und Geld versprochen wurde.

Die Privat-Armee bestehend aus Wagner-Söldnern ist für Kriegsverbrechen auf der ganzen Welt verantwortlich. So etwa in Mali (Bild), aber auch in der Ukraine.
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Sie ziehen ukrainische Uniformen an und planen einen Hinterhalt

Die Ausrüstung und die Ausbildung der Söldner ist jedoch die reinste Katastrophe. «Die Russen campieren zwei Wochen auf einer Wiese, kriegen dann eine Kalaschnikow in die Hand gedrückt und werden an die Front geschickt» berichtet Kauler. Viele Söldner, die nur das grosse Geld machen wollen, überleben den Kampf nicht. Die Bilanz schockiert: Laut Berichten der NGO Rus Sidjaschtschaja kämpfen von anfangs 50'000 Häftlingen nur noch 10'000 an der Front. Der Rest wurde entweder in Kriegsgefangenschaft genommen, ist geflohen – oder wurde getötet.

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Kauler berichtet von der unübersichtlichen Lage in Bachmut. «Hinter jeder Ecke könnte der Feind lauern», sagt er. Und: «Es kommt auch vor, dass sich Wagner-Söldner ukrainische Uniformen anziehen, ins Stadtgebiet schleichen und dort hinterrücks Ukrainer erschiessen.» Auch sollen die Russen in den gegnerischen Uniformen Fake-Checkpoints errichten und ukrainische Soldaten in einen Hinterhalt locken.

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«Diese Taktik führt leider auch dazu, dass ukrainische Soldaten einander misstrauen», erklärt Kauler. In Bachmut sollen bereits mehrfach Ukrainer auf Ukrainer geschossen haben, aus Angst, in der Uniform stecke ein Wagner-Söldner. Diese perfide Taktik ist laut den Haager Vorschriften (1899) verboten – doch das hält die Söldner nicht davon ab. Die «Zeit» schreibt, dass die Ukrainer von Videos berichten, auf denen zu sehen ist, wie russische Männer die ukrainischen Uniformen anziehen – ihre Echtheit konnte aber nicht verifiziert werden. (jwg)

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