Medwedew fährt im Mercedes vor
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Trotz Auto-Regel von Putin:Medwedew fährt im Mercedes vor

Trotz eisernem Regelkatalog von Wladimir Putin
Russische Funktionäre setzen immer noch lieber auf westliche Produkte

In Russland gilt seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs alles Westliche als verpönt. Ganz darauf verzichten möchte die russische Machtelite dann aber offenbar doch nicht – trotz einer Anordnung von Wladimir Putin.
Publiziert: 19.08.2023 um 19:35 Uhr

Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs ist Russlands Präsident Wladimir Putin (70) bestrebt, westliche Produkte schlecht zu reden. 

In seinem sich verschärfenden Kreuzzug gegen den «degenerierten» Westen, hat der russische Machthaber seinen Ministern und Beamten einen ganzen Katalog von Regeln aufgestellt.

Medwedew foutierte sich um Auto-Regel

So sind etwa der Gebrauch von Fremdwörtern verboten und Autos ausländischer Hersteller nicht mehr zu benutzen. Auch verpönt: die Verwendung westlicher Technologie, einschliesslich Apple-Geräte.

Das Westliche ist dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Graus. Für seine Minister und Beamten gelten daher strenge Regeln – eigentlich.
Foto: AFP
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Bei der russischen Machtelite stösst Putin damit aber offenbar auf taube Ohren. Denn Produkte aus dem Westen erfreuen sich bei dieser immer noch an grosser Beliebtheit.

So wurde erst diese Woche Dmitri Medwedew (57), ehemaliger russischer Präsident und heutiger stellvertretender Leiter des russischen Sicherheitsrates, dabei erwischt, wie er sich um Putins Produkte-Regel foutierte.

Als Medwedew anlässlich einer Veranstaltung in einem Konvoi von Fahrzeugen vorfuhr, soll der Ex-Präsident laut «Nexta» ausgerechnet in einer schicken Limousine der deutschen Automarke Mercedes gesessen haben.

570'000 Dollar für ausländische Autos ausgegeben

Gemäss Berichten von «Verstka» soll es sich dabei nicht um einen Einzelfall handeln. Die unabhängige Medienorganisation deckte in diesem Monat auf, dass russische Regierungsstellen mehr als 53 Millionen Rubel, also rund 570'000 Dollar, für ausländische Autos ausgegeben haben. Und dies nur eine Woche, nachdem Putin den Beamten befohlen hatte, diese nicht mehr zu benutzen.

Auch Produkte der Marke Apple seien bei russischen Beamten immer noch hoch im Kurs – trotz einem im Juli ausgesprochenen Verbot, weil man befürchtete, dass westliche Regierungen solche Geräte kompromittieren könnten.

Laut eines Berichts der russischen Oppositionszeitung «Agentstvo» würden Beamte des russischen Verteidigungsministeriums, des Landwirtschaftsministeriums und des staatlichen Technologiekonzerns Rostec aber weiterhin Apple-Produkte verwenden. 

Spitzenpolitiker hängen an ihren Apple-Produkten

Bereits im vergangenen November gab es erstmals Anzeichen, dass selbst russische Spitzenpolitiker nicht auf Produkte aus dem Westen verzichten wollen. In einem Video, das am Rande des G20-Gipfels in Bali aufgenommen wurde, war Aussenminister Sergei Lawrow (72) gleich mit mehreren Apple-Geräten zu sehen.

So lag auf dem Tisch vor Lawrow ein neues iPhone der Pro-Reihe und am Handgelenk trug der Aussenminister eine Apple Watch. 

Lawrow wünscht sich mehr Wahrheit von westlichen Journalisten
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Video vor seinem Hotel in Bali:Lawrow wünscht sich mehr Wahrheit von westlichen Journalisten

Dass Putins Regel offenbar immer wieder missachtet wird, hat einen ganz bestimmten Grund. Russlands Abhängigkeit von westlicher Technologie ist eine wirtschaftliche Achillesferse und ein Symbol für die technologische Unterlegenheit Russlands. 

Wegen der westlichen Sanktionen sind unzählige Produkte aus den Einkaufsregalen verschwunden. Putins Anordnung, keine ausländischen Autos und Apple-Waren mehr zu verwenden, ist daher fast unmöglich umzusetzen, da der russische Markt nicht viele Alternativen hergibt.

Russischer Automarkt am Boden

Ein Blick auf den russischen Automarkt genügt, um die Misere einordnen zu können. Das Jahr 2022 war für die Branche das schlechteste seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Nach Angaben des föderalen Statistikdienstes Rosstat ging die Produktion um 67 Prozent zurück.

Auch im Telekommunikationsmarkt hat Russland zusehends das Nachsehen. Gemäss dem Russland-Analysten der Denkfabrik Crisis Group, Oleg Ignatov, hätten russische Beamte keine andere Wahl als auf ausländische Technologie zu setzen. 

Umstellung auf chinesische Technologien

«Sie müssen Smartphones mit Android oder mit den chinesischen Betriebssystemen verwenden. Russland hat zwar versucht, sein eigenes Betriebssystem namens Aurora zu entwickeln, aber es funktioniert immer noch nicht», sagt Ignatov gegenüber «Newsweek». 

Gemäss Ignatov gibt es nur eine Alternative. Früher oder später könnten russische Funktionäre und Spitzenpolitiker ihre geliebten Apple-Produkte ganz gegen chinesische Technologien umtauschen. (ced)

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