«Sie nennen uns Fleisch» – Soldaten schreiben Beschwerdebrief
Russische Elite-Einheit verliert 300 Soldaten in vier Tagen

Eine Einheit russischer Marineinfanteristen soll binnen vier Tagen 300 Mann bei Kämpfen im Gebiet Donezk verloren haben. Das geht aus einem Beschwerdebrief von Angehörigen der 155. Marineinfanterie-Brigade der russischen Pazifikflotte hervor.
Publiziert: 07.11.2022 um 15:20 Uhr
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Aktualisiert: 07.11.2022 um 21:46 Uhr

In einem Brief an Oleg Kozhemyako (59), dem Gouverneur der Region Primorje, beschweren sich die russischen Soldaten der 155. Marinebrigade über die Zustände in ihrer Einheit. Offenbar wurden die Elite-Soldaten von General Rustam Muradow (49) und seinem Landsmann Achmedow zum wiederholten Male in eine «unverständliche Offensive» gestürzt worden, die ihnen als «sorgfältig geplant» verkauft worden sei. In nur vier Tagen seien 300 Soldaten der Brigade getötet, verwundet und vermisst worden. 50 Prozent der Fahrzeuge seien zerstört worden.

Der Telegram-Kanal «Grey Zone», der Verbindungen zu der Söldnertruppe Wagner haben soll, veröffentlichte das Schreiben.

Die Soldaten erklären das Handeln ihrer Vorgesetzten mit dem kranken Eifer nach Ruhm. «Muradow hat Achmedow die Auszeichnung als ‹Held Russlands› versprochen», heisst es in dem Brief. Zudem erhalte Muradow von Waleri Wassiljewitsch Gerassimow (67), Generalstabschef der russischen Streitkräfte, Prämien für derartige Offensiven. Infolge der «sorgfältig» geplanten Offensive der «grossen Feldherren» bei dem Ort Pawliwka im Gebiet Donezk habe die Einheit rund 300 Mann sowie die Hälfte ihrer Technik verloren. «Und das ist nur unsere Brigade.»

Soldaten der 155. Marinebrigade beschweren sich in einem Brief an Oleg Kozhemyako, dem Gouverneur der Region Primorje, über die Zustände in ihrer Einheit.
Foto: IMAGO/SNA
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«Sie nennen uns Fleisch»

Die Soldaten sollten anscheinend weiter in der Region Donezk im Südosten der Ukraine vorrücken und Pawliwka einnehmen. Zwischen ihnen und ihrem Ziel habe sich ein Feld befunden, in dem sich ukrainische Soldaten aufgehalten hätten. Nun würden «unsere Leute auf den Wegen der Verwundetentransporte und der Munitionsversorgung vernichtet», schreiben die Soldaten. Die Menschen würden von den Befehlshabern als «Fleisch» bezeichnet.

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Die Soldaten werfen Achmedow vor, die Zahlen zu verheimlichen und durch offizielle Verlustzahlen zu ersetzen. «Aus Angst vor der Verantwortung», schreiben sie. Sie bitten den Gouverneur, sich an den Oberbefehlshaber zu wenden. Dieser solle eine unabhängige Kommission entsenden, die nicht aus dem Verteidigungsministerium komme – denn dort werde Muradow von Stabschef Gerassimow geschützt. Die Generäle, so fordern es die Soldaten, «sollen ohne Beschönigung über den Zweck solcher Aktionen, ihre Durchführung und die Ergebnisse befragt werden».

Gouverneur bestätigt Verlustzahlen – aber «bei weitem nicht so hoch»

Am Montag reagierte der Gouverneur in einer Videobotschaft auf seinem offiziellen Telegram-Kanal auf das Schreiben. Er bestätigte zwar schwere Kämpfe und Verluste der 155. Brigade, doch seien sie «bei weitem nicht so hoch» gewesen, wie in dem Brief der Soldaten vom Sonnatg beschrieben. Das sei ihm von den Kommandeuren an der Front versichert worden, sagt er. Unter dessen sei die Militärstaatsanwaltschaft eingeschaltet worden, um in der Sache zu ermitteln.

Der von den russischen Besatzern als Chef des annektierten Donezker Gebiets eingesetzte Denis Puschilin hatte am vergangenen Mittwoch von Kämpfen um Pawliwka berichtet. Am Sonntag erklärte das russische Verteidigungsministerium, dass bei russischen Angriffen und Artilleriebeschuss in der Gegend von Pawliwka 70 ukrainische Soldaten getötet und ukrainische Kampftechnik zerstört worden sei. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen. (hei/SDA)

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