Seltene Erden gefunden
Warum der Schweden-Schatz so wichtig ist

Im hohen Norden von Schweden sind bedeutende Vorkommen an seltenen Erden entdeckt worden, die unter anderem beim Bau von E-Autos und Windkrafträdern benötigt werden. Was bedeutet das?
Publiziert: 13.01.2023 um 12:19 Uhr
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Johannes HilligRedaktor News

Sie heissen Neodym, Praseodym, Cerium oder Dysprosium und sind für die Wirtschaft von Morgen unabdingbar: Die Metalle der Seltenen Erden sind eine Reihe von Elementen, die etwa für die Produktion von Windkraftgeneratoren oder Elektroautos gebraucht werden. Der mit Abstand grösste Teil der weltweiten Produktionsmenge stammt aus China. Am Donnerstag meldete der staatliche schwedische Bergbaukonzern LKAB den Fund des bislang grössten bekannten Vorkommens in Europa in der Nähe von Kiruna.

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Was sind Seltene Erden?

Insgesamt 17 Elemente zählen zu den Seltenen Erden. Die Eigenschaften der einzelnen Metalle unterscheiden sich, unter dem Sammelbegriff zusammengefasst werden die 17 Elemente, weil sie häufig zusammen vorkommen. Jedes einzelne dieser Metalle hat Eigenschaften, die es für die Industrie wertvoll machen. Teils sind sie unersetzlich.

Europium etwa wird für Fernsehbildschirme gebraucht, Cerium zum Polieren von Glas, Lanthan für Katalysatoren in Benzinmotoren. Aus Neodym und Dysprosium werden Magnete für Off-Shore-Windräder hergestellt. Seltene Erden finden sich auch in Drohnen, Festplatten, Elektromotoren, Teleskoplinsen, Raketen oder Jagdflugzeugen.

Sensationsfund in Schweden: Wie der schwedische Bergbaukonzern LKAB am Donnerstag mitteilte, wurden in der Nähe von Kiruna über eine Million Tonnen an Seltenerdoxiden gefunden. Es handle sich um die grösste bekannte Lagerstätte dieser Art in Europa.
Foto: IMAGO/TT
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Sind sie wirklich so selten?

Jein. Grundsätzlich kommen die meisten Seltenen Erden in der Erdkruste vergleichsweise häufig vor, auch in Deutschland gibt es im Norden Sachsens ein grosses Vorkommen. Vor der Bekanntgabe der Entdeckung des Vorkommens von geschätzt einer Million Tonnen in Schweden wurden die weltweiten Reserven auf 120 Millionen Tonnen geschätzt, mehr als ein Drittel davon in China.

Forscher gehen auch von weiteren, noch nicht bekannten Vorkommen aus. Die entscheidende Frage ist aber, ob sich der Abbau wirtschaftlich lohnt – denn der Aufwand und die Folgekosten für die Umwelt sind hoch.

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Was macht die Produktion so schwierig?

Seltene Erden sind in der Regel in Verbindungen in Erzschichten enthalten. Problematisch ist die Gewinnung der Seltenen Erden in möglichst reiner Form aus dem abgebauten Erz. Dafür sind chemische Prozesse häufig unter Anwendung von Säuren nötig. Die Verfahren sind komplex und haben zahlreiche Nebeneffekte: Es entstehen radioaktive Isotope und giftige Abwässer; die Gegenden um die Produktionsgebiete gleichen häufig Mondlandschaften. Die Förderung von Seltenen Erden in Deutschland gilt Experten zufolge aus Umweltgründen als nicht möglich.

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Wann kann mit dem Abbau in Schweden begonnen werden?

Der Weg zum möglichen Abbau der Metalle ist nach des schwedischen Bergbaukonzerns LKAB lang. Erster Schritt sei die Beantragung einer Abbauzulassung. Plan sei es, einen entsprechenden Antrag noch in diesem Jahr einzureichen. Mit Blick auf andere Genehmigungsverfahren in der Industrie dürfte es mindestens zehn bis 15 Jahre dauern, bevor man tatsächlich mit dem Abbau beginnen und Rohstoffe auf den Markt bringen könne.

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Warum ist China Marktführer in diesem Bereich?

China ist mit Abstand Weltmarktführer bei Seltenen Erden. Das Land verfügt selbst über grosse Vorkommen, seine Führungsrolle sei aber vor allem «Ergebnis einer langfristigen Industriepolitik», sagt Jane Nakano, Forscherin am Internationalen Zentrum für Strategische Studien (CSIS) in Washington. Peking hat über die Jahre durch massive staatliche Investitionen ein grosses Netzwerk zur Veredelung von Rohmaterialien aufrechterhalten, weshalb heute viele Produzenten von Seltenen Erden diese nach China exportieren.

Ein weiterer wichtiger Punkt sei zudem eine «verspätete Regulierung der Rohstoffindustrie», sagt Nakano. Peking habe sich seine Dominanz bei den Seltenen Erden zudem durch hohe Umweltkosten der eigenen Produktion erkauft.

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Warum ist dieser Fund so wichtig für Europa?

Peking setzte die Metalle erstmals in 2010 offen als Druckmittel ein: Wegen eines Territorialstreits setzte die Regierung die Ausfuhren nach Japan aus. 2019 drohte den USA Ähnliches im Kontext der Handelsstreitigkeiten mit China. Für die US-Industrie sind Seltene Erden ein wunder Punkt. Die USA dominierten selbst jahrelang den Weltmarkt, mittlerweile sind sie aber auch hochgradig von Importen abhängig.

Japan hat mittlerweile seine Lieferketten diversifiziert und setzt unter anderem auf Seltene Erden aus Malaysia sowie Recycling. So will es auch die EU vor dem Hintergrund zahlreicher handelspolitischer und geopolitischer Differenzen mit Peking machen. Das abbaubare Vorkommen in Schweden kommt da sehr gelegen. Überhaupt will die EU-Kommission von Ursula von der Leyen (64) in diesem Frühjahr Massnahmen vorschlagen, mit denen die strategische Autonomie Europas in Bezug auf kritische Rohstoffe gestärkt werden soll.

Argument ist auch, dass es ohne diese Autonomie keinen ökologischen und digitalen Wandel geben könne. Bei wichtigen Batterien sei man zu 100 Prozent von Importen abhängig, sagte Schwedens Energie- und Wirtschaftsministerin Ebba Busch (35). Man sehe den geplanten Vorschlägen der Kommission mit grossen Erwartungen entgegen.


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