Schweizer in Italien
So leben wir in der Sperrzone

Schweizer erzählen über ihr Leben in Italien – inmitten des Ausnahmezustands. Rentnerin Dorotea Vetter (84) hat Angst, dass sie nicht in die Schweiz gehen kann, um mit Exit zu sterben. Patrick Kuhn (47) hat seit zwei Wochen keine Anfrage für sein Agriturismo.
Publiziert: 12.03.2020 um 20:06 Uhr
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Aktualisiert: 04.02.2021 um 23:34 Uhr
Nicolas Lurati

Der Stiefel steht still. Seit Dienstag ist ganz Italien Sperrzone. Am Mittwochabend verkündete Ministerpräsident Giuseppe Conte: alle Geschäfte bleiben zu. Auch Bars und Restaurants müssen geschlossen bleiben. Nur Geschäfte für Grundbedürfnisse, wie Apotheken und Lebensmittelläden, dürfen öffnen.

Mittendrin: vier in Italien lebende Schweizer. Sie schildern, was für Einschränkungen der Ausnahmezustand mit sich bringt.

Dorotea Vetter (84) aus Genua

Die schweizerisch-italienische Doppelbürgerin ist pensionierte Professorin für moderne Sprachen und Tochter eines Luzerners: «Das Leitmotiv des Dekrets lautet: ‹Ich bleibe zuhause.› Und ich bleibe tatsächlich zuhause. Ich bin isoliert. Ich lese, mache Ordnung, erledige Administratives. Hin und wieder gehe ich mit meinem Labrador raus. Meine Töchter erledigen die Einkäufe für mich und stellen sie mir vor die Tür.»

Dorotea Vetter (84) wohnt in Genua und findet das Dekret richtig. Die Tochter eines Luzerners sagt aber: «Ich bin isoliert.»
Foto: Zvg
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«Die Situation ist für ältere Leute tragisch. Es fehlen Schutzmasken und Ventilatoren für die Intensivtherapie. Nicht auszumalen, was passiert, wenn wir Alten etwa Atmungsprobleme bekommen. Haben wir dann noch Anrecht auf Intensivtherapie?»

«Ich bin Exit-Mitglied in der Schweiz. Sollte ich mich mit dem Coronavirus anstecken und sich mein Gesundheitszustand verschlechtern, könnte ich zurzeit wohl nicht einmal in die Schweiz gehen, um mit Exit zu sterben.»

Jörg Schmid (67) aus Mercato Saraceno

Der Basler ist Künstler und Grafiker im Ruhestand. Er wohnt mit seiner Frau in der Nähe von Mercato Saraceno. Das Dorf liegt eine Autostunde westlich der Touristenhochburg Rimini. «Wir leben auf dem Land. Rund um unser Grundstück haben wir genügend Raum für freie Bewegung. Somit leben wir nicht inmitten von Menschenmassen.»

«Im örtlichen Supermarkt sind keine Anzeichen von Hamsterkäufen zu sehen. Im Dorf läuft niemand mit einer Schutzmaske herum. Am Mittwoch stieg aber beim Einkaufszentrum in der Nähe des Dorfes ein älterer Herr mit einer Schutzmaske aus seinem Auto aus. Eine vorbeieilende Dame begrüsste ihn und sagte: ‹Ciao Stefano, die Fasnacht ist vorbei!›»

«Mitte Monat, also in den nächsten Tagen, wollten wir nach Basel, um unsere Tochter zu besuchen. Das werden wir gezwungenermassen verschieben.»

Patrick Kuhn (47) aus Monte San Vito

Der Glarner lebt mit seiner Familie in der Region Marche. Monte San Vito liegt circa 20 Autominuten von Ancona entfernt. Im Dorf betreibt Kuhn ein Agriturismo, eine ländliche Ferienunterkunft. «Der Tourismus leidet sehr stark. Seit zwei Wochen haben wir keine Anfrage mehr für unser Agriturismo. Von Mitte Januar bis Ende Februar hatten wir einen sehr guten Buchungseingang. Im März wäre genau die Zeit, in der Schweizer für den Sommer bei uns buchen. Die ausbleibenden Buchungen bedeuten eine riesige finanzielle Einbusse.»

«Um für das Agriturismo einzukaufen, müssen wir in den Grosshandel fahren und somit das Gemeindegebiet verlassen. Halten uns die Carabinieri an, müssen wir ein Formular vorweisen. Dieses bescheinigt, dass wir ein Agriturismo betreiben und somit einen Grund haben, um das Gemeindegebiet verlassen zu dürfen.»

Luca Corabi De Marchi (59) aus Mailand

Der Tessiner ist Rechtsanwalt und Präsident der Schweizer Schule in Mailand.

«Die Schweizer Schule in Mailand ist zu. Wie alle anderen Schulen auch. Vom Kindergärtner bis zum Maturanden sind alle zu Hause. Die Lehrer machen Homeoffice. Die Lektionen werden per Videoschaltung in die Wohnungen der Schüler übertragen. Bei den Kindergärtnern und Primarschülern versucht die Lehrperson durch Zureden über Video eine Art schulähnliches Gefühl zu vermitteln. Die Eltern der meisten Schüler sind zu Hause. Den kleinen Kindern können die Eltern somit helfen, die Videoübertragung technisch zu regeln.»

«Sowohl als Schulpräsident wie auch als Anwalt mache ich zurzeit Homeoffice. Während ich mit dem BLICK telefoniere, setze ich gerade einen Vertrag für einen Kunden aus den USA auf.»

«Am Samstag feiere ich meinen 60. Geburtstag. Leider ohne meine Söhne: Der eine arbeitet in London, der andere studiert in Lausanne.»

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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