Reicht es noch für diesen Winter?
Die Deutschen sorgen sich um ihr Gas

Diesen Winter wird Deutschland wohl knapp über die Runden kommen. Doch das wird teuer. Die Gaslage im nächsten Jahr ist allerdings alles andere als sicher.
Publiziert: 07.09.2022 um 19:57 Uhr

Läppische 40 Gigawattstunden (GWh) pro Tag tröpfelten zuletzt noch von Russland durch die Ukraine-Pipeline nach Deutschland. In der Schweiz würde das gerade einmal für 10'000 Mehrfamilienhaushalte im Jahr ausreichen. Gazprom hat damit massiv reduziert: Zuvor wurden noch rund 350 GWh über Nord Stream 1 geliefert. Das berichtet die ARD-«Tagesschau».

Russland dreht also den Gashahn zu. In Deutschland stellt sich die dringende Frage: Wie lange reicht es noch? Kommen die Deutschen ohne Gaslieferungen aus Russland über den nächsten Winter, oder müssen sie eine Gasmangellage ausrufen?

Gute Chancen für diesen Winter – doch das wird teuer

Die Gasmangellage hätte Folgen für Privathaushalte, wie Patrick Graichen (50), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, gegenüber der «Tagesschau» erklärt. «Natürlich werden Haushalte mit Wärme versorgt, aber es gibt eben keinen Anspruch auf 25 Grad, sondern nur auf 20 oder 19.»

Der russische Lieferstopp sorgt die Deutschen. Diesen Winter könnte es noch reichen, doch für den übernächsten Winter herrschen grosse Unsicherheiten.
Foto: AFP
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Für diesen Winter stehen die Chancen gut – auch wenn das alles andere als billig werden wird. Aus den Nachbarländern Belgien und Niederlande und aus Norwegen strömen insgesamt täglich etwa 2800 GWh nach Deutschland.

Momentan sind Deutschlands Gasspeicher zu 86,1 Prozent gefüllt – das ist deutlich mehr als der Durchschnitt der vergangenen sechs Jahre. Doch das zu einem hohen Preis: Deutschland zahle beim Einkauf von zusätzlichem Gas gigantisch hohe Preise, erklärt Klaus Müller (51), Präsident der Bundesnetzagentur, im Bericht. Zusätzlich gebe es erhebliche Einsparungen in der Wirtschaft, aber auch in vielen anderen Bereichen.

LNG-Terminals sorgen für Hoffnungsschimmer

Mit 90 Prozent des Füllstands würde man zwei Monate ohne jegliche Importe über die Runden kommen, meinen Experten. Dieser Stand entspricht 220 Terawattstunden (TWh) und basiert auf den Gasverbrauchwerten des vergangenen Winters.

Und was geschieht nach den zwei Monaten? Die sich im Bau befindenden Terminals für verflüssigtes Gas (LNG) sorgen für einen Hoffnungsschimmer. Sie sollen zusätzliche Importe sicherstellen. Bis zu drei dieser Terminals sollen bereits diesen Winter einsatzbereit zur Stelle stehen, erwartet Bundesnetzagentur-Chef Müller.

Für nächstes Jahr hofft er auf insgesamt sechs bis sieben. Mit diesen schwimmenden Terminals kann sich Deutschland vielleicht über Wasser halten. Doch die Hoffnung hat einen Haken. «LNG-Gas ist teuer», sagt der Experte im Bericht.

Grosse Unsicherheiten für Winter 2023/24

Kurzfristig gedacht könnte dieser Winter in Deutschland also – wenn auch sehr teuer – gesichert sein. Doch langfristig sind die Deutschen nicht flüssig, was das Gas betrifft. Für den übernächsten Winter 2023/24 herrschen grosse Unsicherheiten.

Deutschland wird auf andere Handelspartner angewiesen sein, hält Russland den Gashahn dauerhaft fest zugedreht. Dann fallen andere Handelspartner noch stärker in das Gewicht.

Doch die alternativen Lieferanten Norwegen und die Niederlande sind jetzt schon am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt. Unter Hochdruck arbeiten Deutschland und die EU nun an neuen Gas-Allianzen. Besonders interessant könnten hier mit den hauseigenen LNG-Terminals Katar, Algerien und die USA werden. (hei)

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