«Psychologische Kriegsführung»
Ukraine schickt Fotos toter Russen an Familien

Die Ukraine benutzt eine amerikanische Gesichtserkennungssoftware, um die Gesichter von toten oder gefangenen russischen Soldaten zu scannen. Der Grund: Sie wollen die Bilder der Toten und Gefangenen an die Familien schicken.
Publiziert: 16.04.2022 um 19:20 Uhr
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Aktualisiert: 16.04.2022 um 19:43 Uhr

Die Ukraine setzt im Kampf gegen Putins Truppen auch auf psychologische Kriegsführung. Und zwar mithilfe der US-amerikanischen Gesichtserkennungssoftware Clearview AI. Zuerst werden die Gesichter der Gefallenen oder gefangen genommen Soldaten gescannt und damit identifiziert, um im Anschluss die Familien in Russland zu informieren. Dafür werden auch Bilder der Toten oder Gefangenen an die Angehörigen geschickt.

Seit Kriegsbeginn wurden mehr als 8600 russische Soldaten gescannt, wie die «Washington Post» berichtet. Laut Angaben der ukrainischen IT-Armee, die aus freiwilligen Hackern und Aktivisten besteht, konnte man so bereits Familien von 582 Russen über deren Tod informieren.

Mit den Aufnahmen will die Ukraine die Russen zermürben und klarmachen, was der Krieg bedeutet. Die Unterstützung des russischen Präsidenten Wladimir Putins (69) in der Bevölkerung soll damit schwinden. Gleichzeitig soll damit auch die Moral in der Armee und damit der Zusammenhalt gebrochen werden. Die IT-Spezialisten der ukrainischen Armee sind sich sicher, dass die Scanning-Software helfen kann, den Krieg zu beenden.

Ein ukrainischer Soldat fotografiert einen toten russischen Soldaten.
Foto: Vadim Ghirda/AP
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Das ist «klassische psychologische Kriegsführung»

Militäranalysten befürchten hingegen, dass das Vorgehen auch Wut auslösen könnte und somit genau das Gegenteil bewirken könne. «Die Solidarität des Westens mit der Ukraine macht es verlockend, einen solch radikalen Akt zu unterstützen, der aus der Trauer der Familien Kapital schlagen soll», sagt Überwachungsforscherin Stephanie Hare (45) zur «Washington Post».

Allerdings sei die Kontaktaufnahme mit den Eltern «klassische psychologische Kriegsführung» und könnte einen gefährlichen Standard für zukünftige Kriege setzen.

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«Wären es russische Soldaten, die dies mit ukrainischen Müttern tun, würden wir vielleicht sagen: ‹Oh mein Gott, das ist barbarisch›». Dabei sei es fraglich, ob der Plan der Ukrainer aufgeht. Vielmehr könnte diese perfide Methode den Russen auch in die Karten spielen. Die Kreml-Propaganda könnte dann zum Beispiel sagen: «‹Seht euch diese gesetzlosen, grausamen Ukrainer an, die das mit unseren Jungs machen?›».

Software seit Jahren in der Kritik

Laut Hoan Ton-That (34), Geschäftsführer von Clearview AI, benutzen derzeit 340 ukrainische Beamte die Software, mit der kostenlos Gesichtserkennungen durchgeführt werden können. Ausserdem halten Clearview-Mitarbeiter nun wöchentlich Schulungen ab, um Polizei- und Militärbeamten das Tool zu erklären.

Durch den Leichenscan können Daten wie Familienfotos, Scoial-Media-Posts und Familienfotos aufgespürt werden. Die Gesichtserkennungssoftware steht seit Jahren in der Kritik, weil sie ohne Zustimmung der Benutzer deren Daten sammelt. Das Unternehmen muss sich staatlichen Untersuchungen unterziehen und befindet sich in laufenden Gerichtsprozessen. Viele Länder fordern zudem, dass die Daten ihrer Bürger gelöscht werden. (obf)


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