So soll Russland Grossbritannien angreifen
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Russischer Chef-Propagandist:So soll Russland Grossbritannien angreifen

Nuklear-Experten äussern sich im Blick zu Putins Bombe, die eine 500-Meter-Flutwelle erzeugen soll
«Dieses System wird niemals Realität»

Die Russen behaupten, dass sie eine Bombe entwickeln, die eine 500 Meter hohe Flutwelle erzeugen und ganz Grossbritannien zerstören könne. Gibt es diese Bombe wirklich? Blick fragte zwei der renommiertesten Nuklear-Experten Europas.
Publiziert: 04.05.2022 um 00:49 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2022 um 12:28 Uhr
So stellt sich Putin den Angriff auf westliche Städte vor: Riesenflut über New York – zum Glück nur im Film «Deep Impact» von 1998, ausgelöst durch einen Meteoriteneinschlag.
Foto: NG Collection
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Guido Felder

Es war die Schreckensmeldung der Woche: Der Chef-Propagandist der russischen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja, Dmitri Kisseljow (68), sprach von einer Unterwasserdrohne, die eine Flutwelle von bis zu 500 Metern Höhe auslösen und ganz Grossbritannien zerstören könnte, ähnlich dem Meteoriteneinschlag im Film «Deep Impact» von 1998. Wegen der Strahlung würde sich Grossbritannien in eine radioaktive Wüste verwandeln.

Was ist an dieser Meldung dran? Gibt es diese Waffe überhaupt? «Nein», sagt der auf russische Nuklearwaffen spezialisierte Pavel Podvig (57) vom Uno-Institut für Abrüstungsforschung in Genf, zu Blick. «Kein Land verfügt über Waffen mit einer Sprengkraft von 100 Megatonnen. Und ich glaube auch, dass dieses System, wie es nun beschrieben wird, niemals Realität werden wird.»

Die Unterwasserdrohne Poseidon befinde sich zwar in der Entwicklung, sei aber weit von einer Einsatzbereitschaft entfernt. Auch das U-Boot Belgorod, das sie tragen soll, sei zurzeit nicht einsatzfähig, da es sich im Trockendock befinde. Podvig: «Auch wenn Poseidon fertiggestellt werden sollte, ist es keinesfalls sicher, dass er mit einem nuklearen Sprengkopf eingesetzt werden kann.»

«Diese Waffe macht keinen Sinn»

Eine 500 Meter hohe Flutwelle hält Podvig für eine klare Übertreibung. «Ich glaube nicht, dass man mit einer Atom-Explosion eine so hohe Welle erzeugen kann.» Anders sei es mit der Strahlung: Die könnte zwar kaum ganz Grossbritannien verseuchen, aber immerhin ein grosses Gebiet kontaminieren.

Auch der Nuklearwaffen-Experte Götz Neuneck (68), Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg, zweifelt. Er sagt zu Blick: «Man muss zwar solche Bedrohungen ernst nehmen. Aber diese Waffe macht überhaupt keinen Sinn, denn es bestehen ja bereits Tausende von Atomsprengköpfen, die massiven Schaden anrichten können.»

Sowjets zündeten Superbombe

Tatsache ist, dass die Russen zur Sowjetzeit über eine Superbombe verfügten. Die Zar-Bombe war die grösste jemals gezündete Wasserstoffbombe und verursachte die grösste jemals von Menschen verursachte Explosion. Ihre Sprengkraft war rund 4000-mal so stark wie die 1945 abgeworfene Hiroshima-Bombe Little Boy, die 20'000 bis 90'000 Menschen sofort tötete.

Die Zar-Bombe, die auf eine Sprengkraft von 100 Megatonnen ausgelegt war, explodierte 1961 in 4000 Metern Höhe über der Insel Nowaja Semlja. Die Druckwelle umrundete zweieinhalb Mal die Erde. In den rund 1000 Kilometer entfernten Ländern Norwegen und Finnland zerbarsten Fenster.

Um die radioaktive Belastung um 97 Prozent zu reduzieren, wurde beim Test auf die Hälfte der Sprengkraft verzichtet. Der Atompilz erreichte kurzzeitig eine Höhe von 64 Kilometern.

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