Neue Eskalation im Syrien-Konflikt
Erdogan droht Syrien mit Vergeltungsschlag

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die syrischen Regierungstruppen aufgefordert, sich von türkischen Beobachtungsposten in Idlib zurückzuziehen.
Publiziert: 05.02.2020 um 16:37 Uhr
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Aktualisiert: 28.02.2020 um 08:25 Uhr

Sollten die Regierungstruppen der Forderung nicht nachkommen, werde die Türkei «die Dinge selbst in die Hand nehmen», sagte Erdogan bei einer Kabinettssitzung am Mittwoch in Ankara.

In den vergangenen Tagen hatte sich die Situation zwischen den Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad und der türkischen Armee in der nordwestsyrischen Provinz zugespitzt.

Erneute Angriffe auf Idlib

«Derzeit befinden sich zwei unserer zwölf Beobachtungsposten hinter der Linie des Regimes», sagte Erdogan. Den syrischen Regierungstruppen stellte er eine Frist zum Abzug bis Ende Februar. Notfalls werde die türkische Armee einen Militäreinsatz starten, sagte Erdogan.

Syrische Truppen ziehen in Richtung Idlib. Assad ist entschlossen, die Region wieder unter seine Kontrolle zu bringen.
Foto: imago images/Xinhua
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Idlib ist die letzte Hochburg islamistischer Rebellen in Syrien. Assad ist entschlossen, die Region wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Sein wichtigster Verbündeter ist Russland. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt die Rebellen.

Am Montag hatte Assads Armee türkische Stellungen in Idlib beschossen, dabei wurden acht türkische Soldaten und Zivilisten getötet. Ankara reagierte mit Vergeltungsangriffen, bei denen mindestens 13 syrische Soldaten getötet wurden. Es handelte sich um die heftigsten Gefechte, seit die Türkei im Jahr 2016 Truppen in das Nachbarland entsandte.

Foto: Infografik

Wende im Syrien-Krieg

In einem Telefongespräch mit Russlands Staatschef Wladimir Putin warnte Erdogan am Dienstag, der Angriff auf die türkischen Truppen sei ein schwerer Rückschlag für die «gemeinsamen Bemühungen, einen Frieden in Syrien durchzusetzen».

Am Mittwoch legte der türkische Staatschef nach: Künftig werde Ankara nicht mehr dabei zusehen, wenn die türkisch-russischen Vereinbarungen verletzt würden, sagte Erdogan. Die Kämpfe dieser Woche markierten eine «Wende» im Syrienkrieg. Alle künftigen Angriffe würden «in gleicher Art vergolten».

Die Türkei und Russland hatten im September 2018 ein Abkommen geschlossen, um in Idlib eine grossangelegte syrische Offensive gegen die von der Türkei unterstützten islamistischen Milizen zu verhindern. Für die Region mit rund drei Millionen Einwohnern wurden seither diverse Waffenruhen vereinbart, zuletzt zu Jahresbeginn.

Alle Feuerpausen wurden jedoch kurz nach ihrem Inkrafttreten gebrochen. Auch die zwölf Beobachtungsposten der türkischen Armee in Idlib sind Teil des Abkommens mit Moskau. (SDA)

Krieg in Syrien: Wer kämpft gegen wen?

Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:

  • Syrische Regierung
    Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den grössten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.
    Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen.

  • Die Rebellen
    Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig.

  • Die Türkei
    Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden.

  • Die Kurden
    Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes.

  • Die USA
    Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Trump liess die US-Truppen im Oktober 2019 abziehen und brach die Unterstützung der kurdischen Kämpfer ab.

  • Der IS
    Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben.

Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:

  • Syrische Regierung
    Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den grössten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.
    Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen.

  • Die Rebellen
    Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig.

  • Die Türkei
    Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden.

  • Die Kurden
    Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes.

  • Die USA
    Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Trump liess die US-Truppen im Oktober 2019 abziehen und brach die Unterstützung der kurdischen Kämpfer ab.

  • Der IS
    Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben.
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