«Amerikas Tat ist zweifellos ein Akt von staatlichem Terrorismus»
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Irans Aussenminister Zarif:«Amerikas Tat ist ein Akt von staatlichem Terrorismus»

Nahost-Experte Erich Gysling rechnet mit Stellvertreterkrieg im Irak
«Eine Eskalation ist unausweichlich»

Nach dem tödlichen US-Schlag gegen den iranischen General Qassem Soleimani im Irak stehen die Zeichen auf Krieg. Nahost-Experte Erich Gysling beantwortet die wichtigsten Fragen zum Konflikt.
Publiziert: 03.01.2020 um 11:52 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2020 um 21:47 Uhr
Das Ziel des US-Raketenangriffs beim Flughafen von Bagdad: der Konvoi des hohen iranischen Militärführers General Ghassem Soleimani.
Foto: Keystone
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Interview Guido Felder

Herr Gysling, artet der Konflikt nun aus?
Eine Eskalation ist unausweichlich. Der Iran wird auf den Anschlag auf General Qassem Soleimani garantiert reagieren. Wie, ist unklar. Im Zentrum stehen gezielte Anschläge auf lokale US-Einrichtungen, US-Schiffe im Persischen Golf, die Blockierung der Versorgungslinie für US-Einrichtungen oder ein Cyberkrieg. Das Schlimmste wäre, wenn die Aggressionen in einen Stellvertreterkrieg im Irak ausarten würden.

Wie gefährlich sind die Waffen der Iraner? Wie weit sind sie mit der Atombombe?
Die Iraner sind den Amerikanern massiv unterlegen, von der Atombombe sind sie noch meilenweit entfernt. Das Land verfügt über Raketen, die einige Tausend Kilometer weit reichen, aber damit können sie niemals die USA direkt angreifen. Es gibt genug US-Einrichtungen vor der Tür der Iraner, der Konflikt wird sich auf die Region beschränken.

Haben die Iraner Verbündete, die ihnen helfen würden?
Nein, in einem solchen Falle wären sie auf sich selber angewiesen. Die Türkei beschränkt ihre Beziehung nur auf die Wirtschaft und würde sich nicht in einen Krieg einmischen.

Warum befinden sich die Al-Kuds-Brigaden der Iraner überhaupt im Irak?
Die Brigaden spielen eine sehr wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Islamischen Staats. Obwohl die USA seit Ende des Irak-Kriegs 2003 zwei Billionen Dollar in den Wiederaufbau und die Sicherheit im Irak investiert haben, sind die irakischen Streitkräfte zu schwach. Der Irak ist von der iranischen Wirtschaft abhängig und auf die Unterstützung der mit 15’000 Mann zwar kleinen, aber äusserst effizienten Al-Kuds-Brigaden angewiesen.

Wird der Anschlag US-Präsident Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl im November nützen oder schaden?
Trump hat versprochen, Truppen aus dem Ausland abzuziehen. Nach dem Anschlag, den er offenbar praktisch im Alleingang entschieden hat, und einem drohenden offenen Konflikt muss er aber seine heute 5200 Mann starke Truppe im Irak aufstocken. Ich denke daher, dass ihm eine Eskalation mehr schaden als nützen wird.

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Werden wir in der Schweiz etwas spüren, wenn der Konflikt ausarten sollte?
Wir und die Welt werden dann etwas spüren, wenn die Iranischen Revolutionsgarden, welche die Strasse von Hormus überwachen, den Persischen Golf verriegeln. Über die beiden Fahrrinnen der nur 40 Kilometer breiten Meeresenge läuft ein Drittel des weltweiten Öl- und Gashandels. Die Preise könnten ansteigen.

Der Polit-Journalist Erich Gysling (83) ist ein profunder Kenner des Nahen Ostens. Er studierte Arabisch und verfasste mehrere Bücher über die Region.

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