Erstes Bild veröffentlicht
So sieht das schwarze Loch in unserer Galaxie aus

Am Donnerstagnachmittag veröffentlichte die Europäische Südsternwarte (ESO) das erste Bild des schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie. Das Bild ist laut den Wissenschaftlern eine Sensation.
Publiziert: 12.05.2022 um 11:41 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2022 um 17:59 Uhr
Wissenschaftler veröffentlichten am Donnerstag das erste Foto des schwarzen Lochs in unserer Galaxie.
Foto: Screenshot ESO
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Wie fotografiert man ein Objekt, das von Natur aus unsichtbar ist? Vor diesem Problem stehen Astronomen seit den ersten theoretischen Spekulationen über Schwarze Löcher - Objekte, deren Schwerkraft so gewaltig ist, dass nicht einmal Licht aus ihnen entkommen kann.

Die Antwort: Man nimmt nicht das unsichtbare Objekt selbst auf, sondern seine unmittelbare Umgebung – und macht es so als dunkle Mitte in einem leuchtenden Ring sichtbar. Dieser Coup ist einem internationalen Forscherteam nun zum zweiten Mal gelungen. Dieses Mal in unserer Heimatgalaxie.

«Wir haben das nächste Level erreicht», sagte Anton Zensus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn, einer der Haupt-Initiatoren des EHT-Projekts. «Ich bin stolz auf unser gesamtes weltweites Team.» Für die Aufnahme seien die grössten Radioteleskope der Welt zu einer einzigen Kamera von der Grösse der Erde vereint worden.

Acht Radioteleskope

Ein Vergleich mit Computermodellen zeige unter anderem, dass das Schwarze Loch rotiert, berichten die Wissenschaftler in einer Sonderausgabe des Fachmagazins «Astrophysical Journal Letters». Für die Aufnahme wurden acht Radioteleskope auf vier Kontinenten zusammengeschaltet. Gemeinsam bilden sie das «Event Horizon Telescope» (EHT, Ereignishorizont-Teleskop). Als Ereignishorizont bezeichnen Wissenschaftler die Grenze um ein Schwarzes Loch, hinter die sich nicht blicken lässt – weil aus dem Bereich dahinter nichts, nicht einmal Licht, entkommen kann.

Die Daten der Teleskope werden mit speziellen Supercomputern kombiniert, so dass sich ein gigantisches virtuelles Teleskop vom Durchmesser der Erde ergibt. Es besitzt eine Detailschärfe, mit der sich vom Mond aus eine Apfelsine auf der Erde identifizieren liesse, wie beteiligte Forscher einmal erläuterten. Oder aber von Berlin aus eine Zeitung in New York lesen.

An den Messungen beteiligt war das aus 66 Einzelantennen bestehende internationale ALMA-Observatorium in Chile. Mit dabei war zudem das in deutsch-französisch-spanischer Zusammenarbeit betriebene Institut für Radioastronomie im Millimeterbereich (IRAM), das mit dem 30-Meter-Teleskop in Spanien sowie dem NOEMA-Interferometer in Frankreich arbeitet.

Erstes Foto eines schwarzen Lochs

Nach jahrelanger Vorarbeit hatten die EHT-Forscher - insgesamt rund 80 Institute mit 300 Wissenschaftlern sind beteiligt - im Jahr 2017 erste Beobachtungen mit dem Teleskop-Netzwerk durchführen können. Nach der komplizierten Auswertung der Daten präsentierte das Team 2019 das erste Foto eines Schwarzen Lochs - oder genauer: seiner unmittelbaren Umgebung. Das Bild zeigt einen leuchtenden Ring um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der rund 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M87. Die Masse des Schwarzen Lochs ist gewaltig: Es entspricht der Masse von 6,5 Milliarden Sonnen.

Aber die Forscher hatten die vielen Radioantennen des EHT im April 2017 nicht nur auf diese ferne Galaxie, sondern auch auf das mit 27'000 Lichtjahren viel näher liegende Zentrum der Milchstrasse gerichtet, in dem sich ebenfalls ein massereiches Schwarzes Loch befindet. Doch obwohl dieses Objekt namens Sagittarius A* der Erde viel näher ist, erwies sich die Auswertung der Beobachtungsdaten als weitaus schwieriger. «Die Strahlung des Schwarzen Lochs von M87 ist über Stunden hinweg konstant», erläuterte Anton Zensus vom MPIfR in Bonn. «Das Objekt im galaktischen Zentrum dagegen verändert sich schon im Verlauf weniger Minuten. Wir mussten deshalb völlig neue Methoden für die Auswertung entwickeln.»

Das Gas in der Nähe der Schwarzen Löcher bewege sich in beiden Fällen fast so schnell wie das Licht, erläuterte der EHT-Wissenschaftler Chi-kwan Chan vom Steward Observatory in den USA. Zum Umkreisen des wesentlich grösseren Schwarzen Lochs in M87 brauche es dennoch Tage bis Wochen - beim viel kleineren Schwarzen Loch der Milchstrasse hingegen nur wenige Minuten. Helligkeit und Muster in der Umgebung änderten sich entsprechend schnell.

Starke Gravitation

Wie bei M87 zeigt sich auch hier ein leuchtender Ring um einen dunklen Kern. Diesen dunklen Bereich bezeichnen die Forscher als «Schatten» des Schwarzen Lochs – er ist etwa doppelt so gross wie der eigentliche Ereignishorizont, weil das Licht durch die starke Gravitation um das Schwarze Loch herum gelenkt wird und somit sowohl Vorder- als auch Rückseite des Objekts zu sehen sind.

Bei dem leuchtenden Ring handelt es sich um aufgeheiztes Gas, das um das Schwarze Loch herumwirbelt, die sogenannte Akkretionsscheibe. Die Gravitation zwingt auch die von diesem Gas ausgehende Strahlung auf gekrümmte Bahnen und sorgt so für einen verzerrten Blick auf die Umgebung des Schwarzen Lochs. Mithilfe von Computermodellen verglichen die Wissenschaftler ihre Beobachtungen mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins über Schwarze Löcher: Das erhaltene Foto steht demnach in sehr guter Übereinstimmung mit der erwarteten Verzerrung für ein Schwarzes Loch mit der viermillionenfachen Masse der Sonne.

Dieser Wert stimmt wiederum gut überein mit früheren Messungen auf der Basis der Bewegung von Sternen in der Umgebung des Schwarzen Lochs. Und der genaue Vergleich mit unterschiedlichen Modellen erlaubt noch weitere Schlussfolgerungen. «Am besten passen die Modelle, die eine Rotation des Schwarzen Lochs annehmen», sagt Karl Schuster vom Institut für Millimeterwellen-Radioastronomie in Frankreich. «Ausserdem scheint die Rotationsachse des Schwarzen Lochs mehr oder weniger in Richtung Erde geneigt zu sein», so der Forscher weiter. Das sei ungewöhnlich, weil es nicht mit der Drehachse der Milchstrasse übereinstimme.

Für die EHT-Forscher ist das Foto des galaktischen Zentrums ein grosser Erfolg, gleichwohl aber auch nur ein erster Schritt: «Es zeigt uns, dass unsere Methode funktioniert», so Zensus. Für die Zukunft hofft der Forscher auf die Erweiterung des EHT-Netzes – möglichst auch durch Antennen im Weltall. Damit liessen sich dann Bilder mit noch einmal erheblich grösserer Auflösung erzielen - und, so die Hoffnung, ganz neue Erkenntnisse über die physikalischen Vorgänge in der unmittelbaren Umgebung supermassereicher Schwarzer Löcher gewinnen. (jmh/bra/SDA)

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