Kein Wasser, kein Essen, kein Strom
So kämpfen Palästinenser im Gazastreifen ums Überleben

Nachdem Israel dem Gazastreifen die Strom-, Wasser- und Lebensmittelversorgung abgestellt hat, herrschen dort miserable Zustände. Palästinenser erzählen, wie schlimm die Lage im Gazastreifen ist.
Publiziert: 16.10.2023 um 16:34 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2023 um 15:45 Uhr

«Es gibt kein Essen und wir haben seit Tagen nicht mehr geduscht», sagt Ahmed Hamid. Der 43-Jährige ist mit seiner Frau und den sieben Kindern vor den israelischen Angriffen aus Gaza-Stadt geflohen. Doch auch in Rafah im Süden des Gazastreifens muss die Familie ums Überleben kämpfen. «Die einzigen Lebensmittel, die wir finden konnten, sind Thunfisch in Dosen und Käse», klagt der Familienvater.

Etwa eine Million Palästinenser wurden nach Schätzung der Uno vertrieben, seit Israel als Vergeltung für den grausamen Überfall der Hamas am 7. Oktober mit schweren Luftangriffen auf den Gazastreifen begann. Die radikalislamische Palästinenserorganisation tötete auf israelischer Seite mehr als 1400 Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten. Auch von den 2750 getöteten Palästinensern sind die meisten keine Hamas-Kämpfer.

Mehr als 9000 Palästinenser wurden zudem verletzt. Wie die Hilfsorganisation Medical Aid for Palestinians berichtet, sind die Spitäler überfordert. Man habe mit einem «katastrophalen» Mangel an medizinischen Hilfsgütern zu kämpfen, sagte ein Sprecher zu Al Jazeera. Weiter erklärt er: «Es gibt einen Mangel an Blut. Medizin ist Mangelware.» Zudem fehle es an medizinischem Personal – auch, weil einige Mediziner bei Luftangriffen ums Leben kamen. «Die Übrigen sind erschöpft und nicht in der Lage, die Tausenden von Verletzten zu versorgen, die sie jeden Tag sehen», betont der Sprecher.

Seit den Luftangriffen Israels befindet sich der Gazastreifen im Ausnahmezustand.
Foto: keystone-sda.ch
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«Keiner von uns badet mehr»

Hinzu kommt: Israel kappte die Wasser-, Strom- und Lebensmittelversorgung des Küstenstreifens. «Das Schlimmste und Gefährlichste ist, dass es kein Wasser gibt», sagt Sabah Masbah, die mit 21 Verwandten im Haus eines Freundes in Rafah Zuflucht gefunden hat. «Keiner von uns badet mehr, weil das Wasser so knapp ist», sagt die 50-Jährige.

«Wasser ist ein Problem», sagt auch der 23 Jahre alte Assem, der in seinem Haus in Chan Junis, knapp zehn Kilometer nördlich von Rafah, Flüchtlinge aus Gaza-Stadt aufgenommen hat. «Jeden Tag denken wir darüber nach, wie wir Wasser sparen können. Duschen wir, haben wir kein Wasser zum Trinken.»

Tausende Menschen aus dem Norden des Gazastreifens sind nach Rafah und Chan Junis geflüchtet. Viele, die nicht bei Freunden oder Verwandten unterkommen, schlafen in den Gärten von Spitälern und in den Schulen der UN-Hilfsorganisation UNRWA.

Über eine Million Menschen sollen sich in Sicherheit bringen

Mona Abdel Hamid aus Gaza wollte eigentlich bei Angehörigen in Rafah bleiben, doch jetzt haben Fremde sie aufgenommen. «Ich fühle mich erniedrigt und beschämt. Wir haben nicht viel Kleidung, das meiste ist schmutzig und es gibt kein Wasser zum Waschen», sagt die 55-Jährige. «Kein Strom, kein Wasser, kein Internet. Ich habe das Gefühl, dass ich meine Menschlichkeit verliere.»

Offenbar in Vorbereitung einer Bodenoffensive gegen die Hamas rief die israelische Armee die etwa 1,1, Millionen Zivilisten im Norden des Gazastreifens auf, sich unverzüglich im Süden in Sicherheit zubringen. Dennoch wurden am Sonntag auch Ziele in Rafah und Chan Junis bombardiert. Ebenso wurde am Montag berichtet, dass Bomben nahe Rafah einschlugen.

«Wo bleibt die Menschlichkeit?»

«Schauen Sie sich diese gewaltige Zerstörung an», schreit Alaa al-Hams und zeigt auf die Trümmer eines Hauses in Rafah. «Sie behaupten, dass es hier Terroristen gibt. Aber das waren alle Zivilisten, die keiner Gruppierung angehören. Jetzt sind sie alle tot», empört sich al-Hams. «Wo bleibt die Menschlichkeit, von der sie reden?»

Samira Kassab steht inmitten der Ruine ihres Hauses in Rafah. «Unser Zuhause wurde bombardiert, uns ist nichts geblieben. Meine Tochter hat Krebs, aber ich kann sie nicht ins Krankenhaus bringen. Und ich selbst leide an Bluthochdruck und Diabetes», sagt sie.

Doch dann zeigt die Grossmutter, umgeben von ihren Enkeln, das Victory-Zeichen und ruft kämpferisch: «Ich werde nicht weggehen, egal was passiert, selbst wenn ich sterben muss. Wir verzichten nicht auf ein Fitzelchen unseres Landes!»

Ohne Strom kein Wasser

Israel soll am Sonntag zwar die Wasserversorgung wieder angestellt haben. Medienberichten zufolge soll in vielen Teilen Gazas aber immer noch kein Wasser fliessen. Wie Al Jazeera berichtet, könnte das am fehlenden Treibstoff liegen. Denn die Wasserpumpen im Gazastreifen benötigen Strom, um zu funktionieren. Ebenso werden für den Transport vom Wasser Lastwagen benötigt. Auch diese brauchen Treibstoff.

Israel hat jedoch vor gut einer Woche den Export für Treibstoff eingestellt. Das einzige Kraftwerk der Gaza-Region liegt seither lahm. Wie die UNRWA bestätigt, geht den Generatoren der Spitäler in maximal 24 Stunden der Treibstoff aus.

Das Onlineportal Aurora Intel berichtet schliesslich, dass am Montag rund 150'000 Liter Kraftstoff die Rafah Grenze überquert haben sollen. Es soll für Abwasser- und Wasserpumpstationen verwendet werden. (AFP/mrs)

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