Kein Internet, keine Schule, dafür Verschwörungstheorien
So lebte Alex B. in der spirituellen Kommune

Sechs Jahre fehlte von dem Briten Alex B. jede Spur. Der damals Elfjährige wurde von seiner Mutter entführt, um in einer «spirituellen Gemeinschaft» zu leben. Jetzt ist er wieder aufgetaucht. Und es gibt neue Details über das Leben in der Kommune.
Publiziert: 15.12.2023 um 15:26 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2023 um 15:40 Uhr
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Jenny WagnerRedaktorin News

Er sollte bloss zwei Wochen Ferien in Spanien machen. Doch von seiner Reise im Oktober 2017 kehrte Alex B.* nicht zurück. Der damals elf Jahre alte Junge lebte bis dato bei seiner Grossmutter Susan C.* (68). Sechs Jahre lang wusste sie nicht, ob ihr Enkel noch am Leben ist.

Am Mittwochabend wurde der heute 17-Jährige in Haute-Garonne im Süden Frankreichs wohlauf entdeckt. Jetzt ist klar, dass er die letzten Jahre in einer «spirituellen Kommune» ohne Internet, verbracht hatte.

Vor sechs Jahren wurde Alex B. während der Ferien in Spanien entführt.
Foto: Facebook
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Nach der Entführung ihres Enkels erhielt C. ein Video, auf dem Alex B. mit seiner Mutter Melanie B.* und seinem Grossvater David B.* zu sehen ist, wie die britische Zeitung «Daily Mail» berichtet. Darin erklärten sie, weshalb sie Grossbritannien verlassen hatten. Sie wollten einen alternativen Lebensstil führen.

Kommune lebte in Luxus-Villa

Die Mutter und der Grossvater sind offenbar Anhänger von Verschwörungstheorien. So etwa, dass geheime Organisationen in Grossbritannien Kinder stehlen würden. Das lässt sich aus David B's Facebookbeiträgen schliessen.

Aus den Gesprächen mit Alex B. geht hervor, dass er mit seiner Mutter, seinem Grossvater und zehn weiteren Personen in einem luxuriösen Haus in Spanien gewohnt haben soll. Seine Mutter sei ein bisschen verrückt, habe ihn aber nie eingesperrt, so der Teenager. Sie habe immer gesagt, dass er «gehen könne, wann er wolle».

Laut «The Sun» lebt die Kommune völlig abgeschnitten von Zivilisation und Bildung. Anhand von Facebook-Posts aus dem Umfeld von Alex B. lässt sich erkennen, dass die Mitglieder Rituale, Meditation und Yoga praktizieren. Das Ziel der Gruppe sei laut Facebook-Posts eine «nachhaltige und reichhaltige Gemeinschaft» zu sein. Auch wird die Göttin Gaia (Göttin der Erde in der griechischen Mythologie) immer wieder erwähnt. Laut den Ermittlern gebe es allerdings keine Hinweise darauf, dass es sich um eine Sekte handelt.

Wanderte barfuss im Regen

2021 kam Alex B. mit der umherziehenden Kommune nach Südfrankreich. Wie die Zeitung «La Depeche» berichtet, hatte Alex B. die letzten Wochen in Wohnwagen und Zelten verbracht, die die Gemeinschaft in der Wildnis aufgestellt hatten. Vergangene Woche hatte der Brite beschlossen, dass er die Gemeinschaft und seine Mutter verlässt und zu seinem Grosi nach Grossbritannien zurückkehrt.

Nachdem Alex B. vier Tage barfuss durch die französischen Pyrenäen gewandert war, fand ihn ein Mann bei strömendem Regen – und nahm ihn mit.

«Ich will nach Hause kommen»

Gegen seine Mutter hege er keinen Groll, aber er vermisse seine Grossmutter. Auf Facebook schrieb Alex B. die Nachricht: «Ich liebe dich, ich will nach Hause kommen.»

Susan C. wird ihren Enkel am Freitag nach sechs langen Jahren wiedersehen und in die Arme schliessen können. «Ich bin so glücklich. Ich habe mit ihm gesprochen und es geht ihm gut», sagte sie zur Zeitung «The Sun».

Melanie und David B. werden derweil von Ermittlern wegen der Entführung von Alex B. gesucht.

*Namen bekannt

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