«Sobald jemand bestraft werden sollte, passiert nichts»
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Tierschützer zu Elefanten-Deal:«Sobald jemand bestraft werden sollte, passiert nichts»

Im Jumbo-Jet verfrachtet
Der grosse Elefantenraub

Elefanten fliegen an den Persischen Golf – das ist nicht der Beginn eines Witzes, sondern modernes Business. Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen greift hier nicht.
Publiziert: 23.10.2022 um 11:12 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2022 um 10:24 Uhr
Robin Bäni

Der Präsident von Namibia, Hage Geingob, war fassungslos: «Wovon reden Sie? Elefantenexport? Sie meinen, wir sollen die Elefanten in ein Flugzeug setzen? In ein Flugzeug? Sind Sie verrückt?» Das Gespräch fand im März statt. Aber es nützte nichts mehr: Am nächsten Tag flog eine Boeing 747 mit 22 Elefanten in Schiffscontainern an Bord in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Verladen worden waren sie in Windhuk, der Hauptstadt Namibias – schwer sediert, damit sie nicht in Panik gerieten.

Ob der namibische Präsident davon wusste, als er einem Journalisten des TV-Senders Al Jazeera während eines Besuchs in Katar ein Interview gab, ist nicht ganz klar. Der Reporter war von Karl Ammann gebeten worden, nach dem Elefantenhandel zu fragen. Der Schweizer Artenschützer selbst musste sich im Hintergrund halten, um seine Recherchen nicht zu gefährden. Karl Ammann ist nicht irgendwer – in den 1990-er Jahren brachte der Fotograf den internationalen Handel mit Affenfleisch ans Licht, 2007 nahm ihn das «Time Magazine» in die Liste der «Helden der Umwelt» auf.

Wildfänger bereiten einen betäubten Elefanten für den Transport vor.
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Im Nordwesten Namibias zuhause

Ende September enthüllte er den Elefantenhandel auf der Nachrichten-Website «The New Arab». Er tat dies unter einem Pseudonym. Für SonntagsBlick steht er jetzt mit echtem Namen Red und Antwort.

Eigentlich sollten die Elefanten frei durch die Savanne streifen. Ihr natürlicher Lebensraum liegt im Nordwesten Namibias, in der Region Kamanjab. Doch Anfang September 2021 kamen die Wildfänger in Helikoptern und Jeeps. Sie schossen mit Betäubungspfeilen auf die sanften Riesen, luden 22 von ihnen mit Kränen auf Lastwagen und verschleppten sie. Auf Fotos ist zu sehen, wie die Wildfänger stolz mit ihrer Beute posieren. Bis zum Export blieben die Elefanten sechs Monate in Quarantäne-Gefangenschaft.

«Es geht um Geld und Statussymbole»

Inzwischen leben die Dickhäuter im Sharjah Safari Park und im Al-Ain Zoo in Abu Dhabi. Laut offiziellen Angaben dienen beide Einrichtungen dem Schutz der Tierwelt. Das sei ein Vorwand, meint Karl Ammann: «In Wirklichkeit geht es um Geld und Statussymbole.» Auf der Rangliste der illegalen Geschäfte, die am meisten Gewinn bringen, liegt der Handel mit Wildtieren weltweit auf dem vierten Platz. Weit über 15 Milliarden Franken werden damit jährlich erwirtschaftet. Ammann: «Vor 20 Jahren war das noch ein Geschäft für die unteren Ebenen. Inzwischen sind kriminelle Banden, Scheichs und Staatsoberhäupter involviert, die mit Genehmigungen betrügen.»

Weshalb wollten der Sharjah Park und der Al-Ain Zoo ausgerechnet afrikanische Elefanten aus Namibia? Auf dem Markt gäbe es genügend asiatische Zuchtelefanten. «Sie wollen unbedingt die afrikanische Naturlandschaft simulieren», sagt Ammann. «Koste es, was es wolle.» Bei Zuchtelefanten ist die Auswahl kleiner – und die Wartezeit länger. Hinzu kommt: In der südwestafrikanischen Region Kamanjab leben Elefanten, die heisses und trockenes Wetter gewohnt sind. «Es klingt besser, wenn man diese Elefanten in die Wüste der Vereinigten Arabischen Emirate schleppt, wo 50 Grad Celsius üblich sind», so Ammann.

Fehlende staatliche Hilfe ist ein Problem

Die namibischen Behörden ihrerseits behaupten, in Kamanjab gebe es zu viele Elefanten. Durch die hohe Populationsdichte leide die lokale Bevölkerung. Die Tiere drängten ins Siedlungsgebiet vor, zerstörten Ernten und bedienten sich am Wasser aus Zisternen.

Journalisten des «New Arab» haben diese Angaben vor Ort untersucht. Sie bestätigen gelegentliche Konflikte zwischen Elefant und Mensch – die allerdings auf fehlende staatliche Hilfe gegen den Wassermangel zurückzuführen seien. Die meisten lokalen Bauern, so die Reporter, betrachteten Elefanten nicht als Problem.

Auch Namibia hat Abkommen unterschrieben

Auch wissenschaftliche Studien widersprechen den namibischen Angaben. Sie schlussfolgern: Die Anzahl wüstenadaptierter Elefanten sei durch Dürren, Wilderei und Missmanagement stark geschrumpft. Der Export in die Emirate bedrohe die Population der Dickhäuter in Südwestafrika jetzt noch zusätzlich.

Verstösse gegen den Artenschutz zu verhindern, wäre Aufgabe der Cites mit Sitz in Genf. Die Abkürzung steht für «Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora», auch als Washingtoner Artenschutzabkommen bekannt. Namibia und die VAE haben es unterschrieben – und versprochen, Tiere nur in Länder zu exportieren, in denen sie natürlich vorkommen. Bei namibischen Elefanten wären es Regionen des südlichen Afrika.

Lücke in den Bestimmungen?

Die am Handel zwischen Namibia und den VAE Beteiligten nutzen jedoch eine Lücke in den Cites-Bestimmungen: Die Elefanten werden als besonders schützenswert bezeichnet – was zwar jeden kommerziellen Handel verbietet, Zoos und Safariparks jedoch gelten als nicht kommerziell. So konnten sie Elefanten ein- oder ausführen.

Als die Tierschutzgruppe EMS Foundation ein Rechtsgutachten einholte, kam die südafrikanische Anwaltskanzlei Cullinan & Associates zum Schluss: Die namibischen Elefanten hätten nicht exportiert werden dürfen. Der Handel sei für die Tiere genauso wenig von Nutzen gewesen wie für die Einheimischen. Der Schutzstatus der Elefanten sei ein Schwindel: Ihr Export habe einzig dazu gedient, in emiratischen Zoos ein afrikanisches Safari-Erlebnis zu simulieren. Total zahlten die Zoos umgerechnet rund 3,3 Millionen Franken. Die namibische Regierung erhielt davon weniger als 100'000 Franken. Der Rest ging an Zwischenhändler.

Verantwortliche schweigen

«The New Arab» konfrontierte die Verantwortlichen des Sharjah Safari Park und des Al-Ain Zoo mit den Vorwürfen. Die Anfragen wurden nicht beantwortet. Ebenfalls unbeantwortet blieb eine Anfrage von SonntagsBlick an den Cites-Sprecher David Whitbourn.

Der Schweizer Tierschützer Karl Ammann ist konsterniert: «Die Cites ist nutzlos. Diese Verbrechen passieren, aber das kümmert niemanden wirklich.» Die Cites könnte Sanktionen ergreifen und Namibia sowie die VAE aus dem Handel ausschliessen. «Ich habe genug von faulen Ausreden wie: Man habe nichts davon gewusst.»

Auch die Schweiz tut in Ammanns Augen zu wenig. Da die Cites ihren Sitz in Genf hat, stehe sie besonders in der Pflicht. Im November behandelt die Cites den Elefantenhandel zum x-ten Mal. Ammann fordert Sanktionen: «Ansonsten verliert auch die Schweiz ihr Gesicht.»


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