Hamas-Geisel Mia Schem spricht über ihren Entführer
«Seine Frau und Kinder waren nebenan, während er mich gefangen hielt»

Die ehemalige Hamas-Geisel Mia Schem spricht in einem emotionalen Interview über ihre Zeit in Gefangenschaft. Nur aus einem Grund sei sie nicht vergewaltigt worden: Weil die Ehefrau und die Kinder ihres Entführers im Nebenzimmer waren.
Publiziert: 03.01.2024 um 14:15 Uhr

«Es war eine Entscheidung in Sekundenbruchteilen, ob ich an Ort und Stelle bleiben und verbrennen oder mit ihm gehen sollte», erinnert sich Mia Schem (21) an den 7. Oktober, als die Hamas-Terroristen ein Musikfestival in ein Massaker verwandelten und die junge Frau als Geisel nahmen. Dem israelischen Fernsehsender Channel 13 erzählt sie von ihrer Zeit in Gefangenschaft.

55 Tage lang war Schem in einem dunklen Raum eingesperrt, durfte nicht sprechen, nicht gesehen und nicht gehört werden. «Da ist ein Terrorist, der dich 24 Stunden am Tag anstarrt, dich mit seinen Augen vergewaltigt», erzählt die Israelin. «Meine grösste Angst war, vergewaltigt zu werden.» Also beschloss sie, mit ihrem Entführer wie mit einem Freund zu sprechen. Plötzlich habe er ihr von Problemen mit seiner Ehefrau erzählt.

Seine Frau habe sich mit den Kindern ausserhalb des Raumes befunden. «Das war der einzige Grund, warum er mich nicht vergewaltigt hat», sagt Schem. Sobald die Frau den Raum betrat, habe sich die 21-Jährige nach einer Umarmung von ihr gesehnt. Doch genau wie ihr Mann habe seine Frau sie immer wieder böse angeschaut.

Am 30. November wurde Mia Schem nach 55 Tagen aus der Hamas-Geiselhaft entlassen.
Foto: Getty Images
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Schem wusste, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als sich mit der Situation abzufinden. «Es ist, wie es ist, finde dich damit ab», sagte sie sich. «Du wirst bald nach Hause zurückkehren.» Tatsächlich wurde die Israelin am 30. November freigelassen. Doch trotz der grossen Erleichterung fühlt sie sich schuldig – gegenüber den Geiseln, die noch in Gefangenschaft sind.

Hamas hält immer noch über 100 Geiseln

«Es tut mir leid, es tut mir leid, dass ich gehe», entschuldigt sich Schem bei den Zurückgebliebenen. «Man kommt raus und fühlt sich schuldig, weil es Leute gibt, die dort bleiben und einem sagen: ‹Mia, bitte, bitte, wir wollen nicht vergessen werden›», sagt sie mit Tränen in den Augen. Deshalb hat sie die Rückkehr nach Hause bis heute nicht ganz verarbeitet. Sie könne sich nicht damit abfinden, dass andere Menschen noch dort sind. «Und ich weiss, wie es ist, dort zu sein», sagt Schem.

Mehr als 240 Menschen wurden am 7. Oktober von der Hamas entführt. Insgesamt 105 Geiseln wurden kürzlich im Rahmen eines Deals freigelassen – im Gegenzug entliess Israel 240 palästinensische Häftlinge. Nach israelischen Angaben werden noch 138 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. (gs)

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