FPÖ stärkste Partei – Finnenpartei erstmals in der Regierung – AfD will EU abschaffen
Darum sind Rechte in Europa auf dem Vormarsch

In mehreren Ländern Europas liegen Rechtsparteien in Umfragen vorne, in Finnland gehören sie neu auch zur Regierung. Blick erklärt den Erfolg und sagt, welche Auswirkungen der Trend auf die EU und die Schweiz haben wird.
Publiziert: 20.06.2023 um 19:36 Uhr
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Aktualisiert: 21.06.2023 um 08:17 Uhr
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Guido FelderAusland-Redaktor

Wenn Europa jetzt wählt, hätten Rechte gemäss Umfragen bessere Chancen: In Deutschland hat die AfD gemäss Umfragen die SPD eingeholt und liegt auf Platz zwei hinter der Union. In Österreich wäre die FPÖ heute bei Wahlen sogar die stärkste Kraft und könnte mit Obmann Herbert Kickl (54) den Kanzler stellen.

Es sind keine Einzelfälle:

  • In Italien regiert seit Oktober 2022 Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (46) von den rechten Fratelli d’Italia.

  • In Finnland haben eben die konservativen Wahlsieger die zweitplatzierte Finnenpartei in die Regierung aufgenommen. Die Rechtspartei bekommt wichtige Posten wie das Finanz- sowie das Innenministerium, das auch für die Asylpolitik zuständig ist.

  • In Schweden wurden die Schwedendemokraten bei den Wahlen im vergangenen Jahr ebenfalls zweitstärkste Partei. Sie sind zwar nicht an der bürgerlichen Minderheitsregierung beteiligt, geniessen aber ein Mitspracherecht.

  • In Frankreich würde – wären heute Präsidentschaftswahlen – Marine Le Pen (54) vom Rassemblement National den amtierenden Emmanuel Macron (45) vom Thron stossen.

Enttäuschte Wähler

Warum dieser Vormarsch der Rechten? Die Entwicklung führt Jonathan Slapin (43), Professor für Europapolitik an der Uni Zürich, «auf das übliche Wachstum der Unterstützung für Oppositionsparteien» zurück. «Es ist üblich, dass Wähler von den regierenden Parteien oft desillusioniert sind. So haben in Deutschland die Grünen und die SPD gleichzeitig an Unterstützung verloren, während sowohl CDU als auch die AfD an Zustimmung gewonnen haben.»

Proteste im Chemnitz: Die AfD ist vor allem in Ostdeutschland stark.
Foto: AFP
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Ähnlich sei die Lage in andern Ländern. «In Österreich bleibt die ÖVP zwar nach dem Korruptionsskandal von Sebastian Kurz an der Macht, aber viele Wähler haben zur radikaleren FPÖ gewechselt.» In Frankreich und Italien sei es eher der völlige Zusammenbruch der traditionellen Mainstream-Rechten, die den radikalen Rechten zum Aufstieg verhelfen.

Noch vor wenigen Jahren sei es die Mitte-Links gewesen, die in ganz Europa Erfolge feierte. So etwa in Spanien, Dänemark und Deutschland. Slapin: «Einige der Dinge, die wir derzeit sehen, sind also nur Zerfall und eine Funktion der Parteien, die derzeit an Regierungen beteiligt sind.»

AfD will EU abschaffen

Ein Thema, das die Rechten in allen Länder eint, ist die Kritik gegenüber der EU. So fordert die AfD in ihrem Leitantrag zur Europawahlversammlung Ende Juli und Anfang August die «geordnete Auflösung der EU», da ihre «Geduld mit der EU erschöpft» sei. Stattdessen will sie «eine neue europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft gründen – einen Bund europäischer Nationen».

Solche Forderungen würden die EU nicht erschüttern. Christian Frommelt (40), Direktor des Liechtenstein-Instituts, sagt: «Solch radikalen Positionen können sich Parteien in der Regel nur leisten, solange sie nicht in der Regierungsverantwortung sind.»

Seien die Parteien jedoch Teil der Regierung, würden sie gerade in der Europafrage oft eine gemässigtere Position einnehmen, wie das Beispiel von Giorgia Meloni in Italien zeige. Frommelt betont: «Der Einfluss extrem rechter Parteien auf die Entwicklung der EU sollte nicht überschätzt werden.»

Einfluss auf die Schweiz?

Bleibt noch die Frage, welchen Einfluss das Erstarken der Rechten in Europa auf die Schweiz hat. Erleichtert der wachsende Druck der Rechten auf die EU die Verhandlungen Berns mit Brüssel? Frommelt bezweifelt dies. «Wenn überhaupt, werden die Erfolge rechter Parteien in einzelnen EU-Staaten die Verhandlungsposition der Schweiz eher schwächen als stärken. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die EU noch vorsichtiger sein wird, einem Nicht-Mitgliedstaat besondere Privilegien einzuräumen.»

Der Aufstieg der Rechten dürfte europaweit gemäss Politbeobachtern ein vorübergehender Trend sein. Es gelte aber, zwei damit verbundene Entwicklungen im Auge zu behalten. Slapin: «Erstens kämpft die Mainstream-Rechte in vielen Ländern, wie etwa in Italien und Frankreich ums Überleben.» Es ist denkbar, dass extremere Rechtsbewegungen dadurch an Bedeutung gewinnen können. «Und zweitens ist es in vielen Ländern – auch in Deutschland – nicht mehr tabu, eine rechtsextreme Partei zu unterstützen.»

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