Finnen gehen am Sonntag an die Urne
Wird Sanna Marin abgewählt?

Gleich drei Parteien haben gute Chancen, stärkste Kraft im finnischen Parlament zu werden. Damit ist ungewiss, ob die beliebte Ministerpräsidentin Sanna Marin den Posten halten kann.
Publiziert: 30.03.2023 um 10:06 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2023 um 10:57 Uhr

Nicht sonderlich viele Menschen im restlichen Europa haben sich in der Vergangenheit für finnische Regierungschefs interessiert – dann kam Sanna Marin (37). Als junge, charismatische Ministerpräsidentin ist die Sozialdemokratin international zu einer der gefragtesten Politikerinnen der EU geworden. Dennoch ist völlig offen, ob sie nach der an diesem Sonntag anstehenden Parlamentswahl im Nato-Anwärterland Finnland weiterregieren kann.

Gleich drei Parteien haben gute Chancen, stärkste Kraft im Parlament zu werden. Die konservative Nationale Sammlungspartei, Marins Sozialdemokraten und die rechtspopulistische Partei Die Finnen ligen in den Umfragen fast gleichauf, mit minimalem Vorsprung für die Konservativen um Ex-Finanzminister und Oppositionsführer Petteri Orpo. «Jeder von ihnen kann Erster werden», sagt der Politikwissenschaftler Juhana Aunesluoma von der Universität Helsinki. «Sie liegen so nahe beieinander, dass es unmöglich ist, das Ergebnis vorauszusagen.»

Corona-Krise, Ukraine-Krieg

Schon bei der letzten Parlamentswahl 2019 hatte die drei Parteien weniger als ein Prozentpunkt getrennt. Die Sozialdemokraten hatten die Wahl damals unter Marins parteiinternem Vorgänger Antti Rinne knapp für sich entschieden. Rinne trat jedoch nach nur knapp einem halben Jahr im Amt im Streit mit dem wichtigsten Koalitionspartner, der Zentrumspartei, zurück. Die aus fünf Parteien bestehende Mitte-links-Koalition blieb intakt. Angeführt wurde sie von nun an aber von der vorherigen Verkehrs- und Kommunikationsministerin Sanna Marin. Die damals jüngste Regierungschefin der Erde stand an der Spitze einer überwiegend von Frauen dominierten Regierung.

Bei Antritt die jüngste Regierungschefin der Erde: Sanna Marin.
Foto: keystone-sda.ch
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Marin, heute 37 Jahre alt und seit über drei Jahren Regierungschefin, hat Finnland seitdem durch eine aufreibende Zeit geführt. Erst kam die Corona-Krise, dann der Ukraine-Krieg des Nachbarlandes Russland, an das Finnland auf satten 1340 Kilometern Länge grenzt. In Folge des Krieges entschloss sich Finnland, die Mitgliedschaft in der Nato zu beantragen. Nach dem Ja aus Ungarn am Montag und dem angekündigten Ja aus der Türkei befindet sich der Nato-Beitritt – nach jahrzehntelanger militärischer Bündnisfreiheit – auf der Zielgeraden.

«Ihre Führung wird sehr geschätzt»

Marin hatte im Parlament zuletzt nochmals betont, Finnland habe in ihrer Amtszeit historische Entschlüsse getroffen und grosse Krisen gemeistert. «Wir haben während der Amtszeit dieser Regierung aussergewöhnliche Zeiten erlebt», sagte sie. Trotzdem seien 90 Prozent der im Regierungsprogramm festgehaltenen Ziele erreicht worden.

Politikprofessor Aunesluoma attestiert ihr gute Arbeit. «Das ist im Grunde drei Jahre lang Krisenmanagement gewesen, und ich denke, die meisten Menschen in Finnland finden, dass die Regierung einen wirklich guten Job gemacht hat – besonders Sanna Marin persönlich», sagt er gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. «Ihre Führung wird sehr geschätzt.»

Koalition zwischen Konservativen und Sozialdemokraten?

Der Nato-Beitritt spielte im Wahlkampf keine Rolle. Der Konsens darüber sei in der Bevölkerung sowie unter Medien, Experten und den Parteien extrem gross, sagt Aunesluoma – so gross, dass man damit kaum Punkte gegenüber den politischen Kontrahenten sammeln konnte.

Wichtiger sind vielmehr innenpolitische Themen gewesen, die Staatsfinanzen zum Beispiel, Grund- und Sozialleistungen, die älter werdende Bevölkerung, Gesundheit und Bildung. «Es ist im Grunde eine Wahl über den finnischen Wohlfahrtsstaat», sagt Aunesluoma. Es gebe das Gefühl, dass dieses System strukturelle Probleme habe.

Marin habe die Tür für eine Zusammenarbeit mit der Finnen-Partei zugestossen, sagt der Ökonom und Wahlexperte Juha Tervala. Die Konservativen befänden sich dadurch in der angenehmen Lage, dass bei der Regierungsbildung an ihnen quasi kein Weg vorbeiführen dürfte. Letztlich könnte es auf eine grosse Koalition zwischen Orpos Konservativen und Marins Sozialdemokraten hinauslaufen, die sich für eine Mehrheit mit mehreren kleineren Parteien zusammenschliesst, glaubt Tervala. (SDA)

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