Britischer Experte glaubt
Putin könnte noch zehn Jahre an der Macht bleiben und Russland «säubern»

Hat Wladimir Putin mit dem Krieg in der Ukraine sein eigenes Ende eingeläutet? Wohl kaum, glauben Experten. Der russische Präsident werde bis zum Schluss seinem Kurs treu bleiben und im eigenen Land «Säuberungen» vorantreiben.
Publiziert: 14.04.2022 um 15:02 Uhr
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Aktualisiert: 15.04.2022 um 08:19 Uhr
Experten glauben, dass Putins Zeit noch lange nicht vorbei ist.
Foto: IMAGO/SNA
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Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine beschäftigen sich zahlreiche Experten nicht nur mit den Schlachten um Mariupol, Charkiw, Kramatorsk und anderen Städten, sondern auch mit möglichen Zukunftsszenarien für Wladimir Putins (69) Herrschaft.

Roger Boyes (69) ist ein britischer Journalist und Autor, der jahrelang über Russland berichtete. Er glaubt, dass Putins Zeit noch lange nicht vorbei sei.

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Seiner Ansicht nach könnte der russische Präsident noch zehn Jahre lang an der Macht bleiben und seine Pläne zur «Säuberung» des Landes fortsetzen. «Ich sagte immer wieder, dass dies sein letzter Krieg und das Ende der Tage ist, aber man muss zu der Einsicht kommen, dass dies nicht das Ende von Putin ist.» Die aktuelle Ära bezeichnet Boyes als «Mid-Putin».

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«Zeit, um Schäden anzurichten»

Der frühere Korrespondent der britischen Zeitung «The Times» sagt gegenüber «Mirror»: «Einer der Punkte dieser Autokratien ist, dass diese starken Männer ein System konstruieren, das überhaupt keinen Nachfolgeprozess vorsieht, sodass man nur darauf warten muss, dass sie besonders schnell dement werden oder einfach sterben.»

Bis es so weit ist, werde Putin genügend Zeit haben, um «alle möglichen Schäden anzurichten. Wir beginnen bereits zu sehen, wie dieser Schaden aussehen wird». Boyes spricht von einem Angriff auf die «Substanz von Russland» – auf die Zivilgesellschaft. Es sei eine regelrechte «Säuberung».

Das zeige sich im Umgang Putins mit seinen Generälen. Mehrere von ihnen liess er bereits festnehmen. Im März wurde Roman Gawrilow (45), Vize-Chef der russischen Nationalgarde, Medienberichten zufolge verhaftet.

150 Geheimagenten gefeuert oder verhaftet

Er ist nicht der erste General, der in Ungnade gefallen ist. Auch der Leiter der Abteilung 5 des Inlandsgeheimdienstes FSB, General Sergej Beseda (68), und sein Stellvertreter Anatoli Boljuch sollen unter Hausarrest gestellt worden seien. Wie die Zeitung «Times» kürzlich berichtete, sollen bereits insgesamt 150 Geheimagenten entlassen oder verhaftet worden sein.

Putin hat jedoch nicht nur Kadermitarbeiter auf dem Kieker. Auch gewöhnliche Russen und Russinnen, die mit seinem Vorgehen nicht einverstanden sind, könnten in Gefahr sein. «Jedes Volk, und insbesondere das russische Volk, wird immer die wahren Patrioten von dem Abschaum und den Verrätern unterscheiden können, um diese einfach auszuspucken wie eine Mücke, die versehentlich in ihren Mund geflogen ist», sagte Putin in einer Rede Mitte März.

Er sei aber davon überzeugt, «dass eine solche natürliche und notwendige Selbstreinigung der Gesellschaft unser Land, unsere Solidarität, unseren Zusammenhalt und unsere Bereitschaft, auf alle Herausforderungen zu reagieren, nur stärken wird.»

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Putin wird kaum freiwillig gehen

Der deutsche Historiker Hubertus Knabe (63) glaubt, dass Putin wohl kaum – wie einst sein Vorgänger Boris Jelzin (1931-2017) – seinen Posten von sich aus räumen wird. «Dass Putin in absehbarer Zeit Jelzins Beispiel folgen wird, ist nicht zu erwarten. Schon wegen seines ausgeprägten Machtwillens wird er den Kreml kaum freiwillig verlassen», schrieb er in einem Gastkommentar in der «NZZ».

In einem Interview gegenüber dem russischen Blogger und Journalisten Juri Dud (35) sagte die russische Historikerin Tamara Eidelman (62) vor einigen Wochen: «Konflikte und Putsche sind in einem Land wie Russland unvermeidlich. Und je früher das passiert, umso leichter wird es. Aber in den letzten zehn Jahren hat die Regierung in Russland alles dafür unternommen, damit dieser Konflikt möglichst blutig wird.»

Wäre ein Machtwechsel im Jahre 2011 oder 2012 passiert, wäre alles friedlicher ausgegangen, ist sie überzeugt. Jedoch würde Putin seine Herrschaft kaum als verheerend für Russland ansehen. «Putin glaubt, dass seine Macht das Wohl Russlands ist.» (man)

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