Brief an den Nachfolger
Bricht Trump noch mit einer Tradition?

Donald Trump verweigert an diesem Mittwoch als erster US-Präsident seit mehr als 150 Jahren die Teilnahme an der Zeremonie zur Vereidigung seines Nachfolgers vor dem Kapitol. Der Republikaner könnte ausserdem mit einer weiteren, deutlich jüngeren Tradition brechen.
Publiziert: 20.01.2021 um 06:32 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2021 um 06:46 Uhr

Offen ist, ob der neue demokratische Präsident Joe Biden im Oval Office des Weissen Hauses am Mittwoch nach seiner Amtseinführung ein persönliches Schreiben seines Vorgängers vorfinden wird. Der Sender CNN berichtete am Dienstag unter Berufung auf Berater, bislang habe Trump keinen Brief geschrieben.

Seit dem Republikaner Ronald Reagan 1989 hat bislang jeder scheidende US-Präsident seinem Nachfolger einen meist warmherzigen Brief hinterlassen – ganz unabhängig davon, ob er mit ihm politisch über Kreuz lag. In Reagans Fall war es eher eine Notiz für seinen Nachfolger und Parteifreund George H.W. Bush, und zwar auf einem Zettel mit der Aufschrift «Lass' Dich nicht von den Truthähnen unterkriegen» – darunter die Comic-Zeichnung eines am Boden liegenden Elefanten, auf dem sich mehrere der Vögel tummeln. Der Elefant ist das Wappentier der Republikaner.

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«Ich drücke Ihnen die Daumen»

«Lieber George, Sie werden Momente haben, in denen Sie dieses besondere Briefpapier benutzen wollen», schrieb Reagan. «Ich schätze die Erinnerungen, die wir gemeinsam haben, und wünsche Ihnen alles Gute. Ich werde Sie in meine Gebete einschliessen.» Bush – der zuvor mit seiner Wiederwahl gescheitert war – schrieb 1993 an den Demokraten Bill Clinton: «Sie werden unser Präsident sein, wenn Sie diese Notiz lesen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ich wünsche Ihrer Familie alles Gute. Ihr Erfolg ist jetzt der Erfolg unseres Landes. Ich drücke Ihnen ganz fest die Daumen.»

Trump könnte am Mittwoch gleich mit zwei Traditionen brechen – der Teilnahme an der Vereidigung und dem Schreiben eines Briefes an den Nachfolger.
Foto: keystone-sda.ch
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Clinton übergab das Amt acht Jahre später an George W. Bush, den Sohn seines Vorgängers. In Clintons Brief an den Republikaner hiess es: «Von diesem Tag an sind Sie unser aller Präsident. Ich grüsse Sie und wünsche Ihnen Erfolg und viel Glück. Die Bürden, die Sie jetzt schultern, sind gross, werden aber oft übertrieben. Die schiere Freude, das zu tun, was Sie für richtig halten, ist unaussprechlich.»

Bush junior führte die Tradition fort und gratulierte Barack Obama 2009 dazu, «unser Präsident» geworden zu sein. Weiter schrieb Bush dem Demokraten: «Es wird schwierige Momente geben. Die Kritiker werden wüten. Ihre ‹Freunde› werden Sie enttäuschen. Aber Sie werden einen allmächtigen Gott haben, der Sie tröstet, eine Familie, die Sie liebt, und ein Land, das Sie anfeuert, mich eingeschlossen.»

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Obama wünschte Trump «das Allerbeste»

Auch Barack Obama – gegen den Trump über Jahre hinweg krude Verschwörungstheorien verbreitet hatte – hinterliess seinem Nachfolger vor vier Jahren ein Schreiben. «Millionen haben ihre Hoffnungen in Sie gesetzt», hiess es darin. «Michelle und ich wünschen Ihnen und Melania das Allerbeste, während Sie sich auf dieses grosse Abenteuer einlassen, und Sie sollten wissen, dass wir bereit sind, auf jede erdenkliche Weise zu helfen. Viel Glück und Gottes Segen, BO.»

Die Zeitung «The Atlantic» schrieb über die Briefe: «Jeder davon erinnert uns daran, wie eine friedliche – und freundliche – Machtübergabe aussieht.» Daran war Trump aber nie interessiert. Im Wahlkampf weigerte er sich, eine friedliche Machtübergabe im Fall seiner Niederlage zuzusichern. Bis heute hat er Biden nicht zu dessen Wahlsieg gratuliert. Immerhin ist Trump – der für sein schwieriges Verhältnis zur Wahrheit berüchtigt ist – in einem Punkt ehrlich. Im Juli sagte er dem Sender Fox News: «Ich bin kein guter Verlierer.» (SDA)

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