Auch Österreichs Grüne sind in illegale Absprachen verstrickt
Fürs Ja zum Kopftuchverbot gabs Chefposten

Hört denn das nie auf? Wieder versinkt Österreich in einem Korruptionsskandal. Auch die Grünen haben Geheimdeals mit der ÖVP abgeschlossen, um an wichtige Posten zu gelangen. Dafür unterstützten sie ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen.
Publiziert: 07.02.2022 um 18:55 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2022 um 20:10 Uhr
Guido Felder

Der Korruptionsskandal in Österreich trifft nun auch die Grünen. Ein Geheimdokument beweist, dass nicht nur die ÖVP, sondern auch deren Juniorpartner in illegale Absprachen zum eigenen Profit verstrickt ist.

Nebst dem offiziellen Koalitionsvertrag, den die beiden Regierungsparteien 2019 abgeschlossen haben, gibt es in einem sogenannten Sideletter mehrere geheime Abmachungen, die vermutlich gegen das Gesetz verstossen. Eine dieser Abmachungen: Die Grünen bekommen Chefpositionen in staatlichen Unternehmen wie bei Gerichten, der Nationalbank oder dem öffentlich-rechtlichen Sender ORF, wenn sie einem Kopftuchverbot für Lehrerinnen sowie einem Abbau von Pensionen zustimmen.

Für die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle (53) von der Fachhochschule Kärnten ist klar: Damit ist auch das Saubermann-Image der Grünen schwer angekratzt. Auf ORF sagte sie, dass neben dem Klimaschutz die Transparenz in der Koalition als eines der «Leuchtturmprojekte» gelte. Dass Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler (60) das Kopftuchverbot akzeptierte und vor dem Bundeskongress der Grünen geheim hielt, sei ein schwerer Vertrauensbruch.

Geheime Abmachungen auf einem Sideletter: Sebastian Kurz (l.) und Werner Kogler bei der Einsetzung der neuen Regierung 2020.
Foto: keystone-sda.ch
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Kogler verteidigt sich und sagt, dass solche Übereinkünfte wichtig und nötig seien. Kogler: «Wir waren zwar neu in der Regierung, aber nicht naiv.» Eine Vereinbarung sei nötig gewesen, damit die ÖVP nicht alle Positionen besetze.

Absprache schon zwischen ÖVP und FPÖ

Der jüngste Skandal ist als Folge eines anderen an die Öffentlichkeit geraten. Vor kurzem war bekannt geworden, dass schon die Koalition von ÖVP und FPÖ, die von 2017 bis 2019 regierte, einen solchen Sideletter formuliert hatte. Mitautor bei beiden Geheimdokumenten: der inzwischen zurückgetretene Kanzler Sebastian Kurz (35).

Geheimpapier auch in Luzern

Solche Geheimabkommen gibt es nicht nur in Österreich, sondern auch in der Schweiz. So sorgte bei den Luzerner Stadtratswahlen von 2016 ein Deal zwischen der Abwahl-gefährdeten GLP-Stadträtin Manuela Jost (58) und der SP für Schlagzeilen. Jost hatte versprochen, dass sie in bestimmten Punkten den SP-Kurs fahren würde, dafür unterstützte die SP die bisherige Stadträtin und verzichtete im zweiten Wahlgang auf eine eigene Kandidatur. Jost gab zwar auf Druck zu, dass sie eine solche Vereinbarung abgeschlossen hatte. Die detaillierte schriftliche Abmachung, die von den beiden Fraktions-, Parteichefs sowie Jost selber unterschrieben worden war, wurde aber unter Verschluss gehalten. (gf)

Solche Geheimabkommen gibt es nicht nur in Österreich, sondern auch in der Schweiz. So sorgte bei den Luzerner Stadtratswahlen von 2016 ein Deal zwischen der Abwahl-gefährdeten GLP-Stadträtin Manuela Jost (58) und der SP für Schlagzeilen. Jost hatte versprochen, dass sie in bestimmten Punkten den SP-Kurs fahren würde, dafür unterstützte die SP die bisherige Stadträtin und verzichtete im zweiten Wahlgang auf eine eigene Kandidatur. Jost gab zwar auf Druck zu, dass sie eine solche Vereinbarung abgeschlossen hatte. Die detaillierte schriftliche Abmachung, die von den beiden Fraktions-, Parteichefs sowie Jost selber unterschrieben worden war, wurde aber unter Verschluss gehalten. (gf)

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Kurz steht zurzeit im Fokus von Korruptionsermittlern. Gegen den ÖVP-Politiker verhärtet sich der Verdacht, dass seine Partei für Umfragen bezahlt habe, die zu seinen Gunsten ausfielen und ihm bei den Wahlen 2017 halfen, ins Kanzleramt zu gelangen. Im Gegenzug soll die Regierungspartei mit Steuergeldern aus dem Finanzministerium Inserate in Millionenhöhe bei einer Zeitung gekauft haben.

Immer wieder Korruptionsskandale

Immer wieder schütteln Korruptionsskandale Österreich durch. 1977 versenkten der SPÖ nahestehende Kreise das Schiff Lucona, um Versicherungsbetrug zu begehen. Dabei kamen sechs Besatzungsmitglieder ums Leben, die Folge waren 16 Rücktritte und Verurteilungen.

2002 sollen Vertreter der Regierung von Wolfgang Schüssel (ÖVP, 76) und der FPÖ für die Bestellung des Kampfjets Eurofighter 100 Millionen Euro an Schmiergeldern kassiert haben.

Der 1980 aufgedeckte Skandal um Schmiergeldzahlungen beim Bau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses kostete SPÖ-Vizekanzler Hannes Androsch (83) das Amt. 2017 war es die Ibiza-Affäre, bei der eine angebliche russische Oligarchin FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (52) belastende Aussagen entlockte. Nach der Publikation des heimlich aufgenommenen Videos zerbrach die Regierung.

Kanzler hat die Nase voll

Österreich ist korrupter geworden – das zeigt der internationale Korruptionsindex 2021 von Transparency International (TI). Österreich liegt auf Rang 13, hinter den andern deutschsprachigen Ländern Schweiz (7) und Deutschland (10). Auf Rang eins liegen gemeinsam Dänemark, Neuseeland und Finnland – sie sind am wenigsten von Korruption betroffen.

Kanzler Karl Nehammer (49) hat von den Skandalen genug. Er will künftig bei Koalitionsbildungen auf geheime Nebenabsprachen verzichten. «Mit mir wird es in künftigen Regierungen keine geheimen Vereinbarungen ausserhalb des Regierungsprogramms geben», sagte der Regierungschef und designierte ÖVP-Vorsitzende.

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