230 Franken im Monat, Verpflichtung bis Kriegsende
Britischer Söldner klagt über Knebelverträge der Ukrainer

Viele Ausländer sind dem Aufruf des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskis (44) gefolgt, sich dem Kampf gegen Russland anzuschliessen. Der Brite Jake Priday kehrte allerdings nach neun Stunden wieder um – er wollte nicht als Kanonenfutter enden.
Publiziert: 11.03.2022 um 19:38 Uhr
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Aktualisiert: 11.03.2022 um 19:46 Uhr

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat alle Ausländer dazu aufgerufen, sein Land bei der Verteidigung gegen Russland zu unterstützen. Laut Angaben der ukrainischen Regierung sind seither bereits 20'000 Freiwillige aus über 52 Ländern in der Ukraine eingetroffen.

Auch der 25-jährige Jake Priday aus Grossbritannien entschied sich dazu, in die Ukraine zu reisen, wie er «The Economist» erzählt. Priday hat sechs Jahre in der britischen Armee verbracht und Einsätze in Estland, Kenia und Kurdistan absolviert. Bis er sich das Knie ausrenkte, das Militär verliess und Lehrer an einer Schule in Cardiff wurde. Dort unterrichtete der Brite seine Schüler beispielsweise darin, wie Wunden behandelt werden sollten.

Als Priday vom Aufruf Selenskis erfuhr, zögerte er nicht lange. Er nahm drei Wochen Ferien und teilte seiner Verlobten mit, dass er in die Ukraine gehen würde. Diese war traurig darüber, verstand aber seine Mission, erzählt er dem Magazin. Der 25-Jährige meldete sich dann bei der ukrainischen Botschaft in London. Er teilte den dortigen Diplomaten mit, dass er den Menschen in der Ukraine eine medizinische Grundausbildung geben wolle.

Der Krieg in der Ukraine zieht auch Söldner an – im Bild reguläre russische Soldaten.
Foto: IMAGO/SNA
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«Mein Plan ist es, so viele Russen zu töten, wie ich kann»

Von der ukrainischen Botschaft erhielt er den Kontakt eines Freiwilligen in Polen namens Staz. Mit einem One-Way-Ticket flog Priday so am 2. März nach Krakau in Polen. Staz teilte ihm dort mit, dass er ins Cicada Hotel im polnischen Grenzdorf Korczowa gehen soll. Dort angekommen, wurde Priday – mit 30 weiteren Freiwilligen auf zwei Lieferwagen verteilt – in die Ukraine gefahren. Neben ihm sei ein Bulgare gesessen, der sich offen als Neonazi ausgab. Er habe laut Priday wiederholt gesagt: «Mein Plan ist es, so viele Russen zu töten, wie ich kann.»

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Nach sechs Checkpoints seien die Freiwilligen laut Priday um drei Uhr morgens an einem Stützpunkt der ukrainischen Armee angekommen. Dort seien sie in einen Raum ohne Heizung und mit 25 Betten ohne Laken geführt worden. Am nächsten Morgen habe man sie sie um acht Uhr geweckt. Priday erwartete, dass die Freiwilligen nun aufgrund der militärischen Erfahrung in geeignete Rollen aufgeteilt werden würden.

Doch das passierte nicht. Stattdessen sei den Söldnern mitgeteilt worden, dass alle an vorderster Front kämpfen werden. Zuerst würden sie aber eine drei- bis fünftägige Ausbildung erhalten. Dort würden sie das Kartenlesen und medizinische Kenntnisse erlernen, und danach das Schiessen auf einem Schiessstand üben.

Söldner erhalten für ihre Dienste 230 Franken pro Monat

Priday sagt, er sei schockiert von der Naivität der Kampfwilligen gewesen und habe ihnen die Stärke der russischen Armee erklären wollen. Dafür sei aber keine Zeit geblieben, denn der nächste Schock folgte bereits: Die Freiwilligen mussten einen Vertrag unterschreiben, in dem sie einen Lohn von etwa 230 Franken pro Monat zugesichert bekamen. Der Vertrag wurde auf die Dauer des Krieges festgesetzt. Jeder, der denn Vertrag unterschrieb, darf das Land somit bis zum Ende des Krieges nicht mehr verlassen. Wann der Krieg endet, entscheidet Präsident Selenski mittels Kriegsrecht.

Priday habe den anderen Freiwilligen den Inhalt des Vertrags erklären und sie davon abhalten wollen, zu unterschreiben. Einige hätten gezögert, andere unterschrieben. Priday hat sich geweigert, den Vertrag zu unterzeichnen. Daraufhin sei er direkt aufgefordert worden, die Kaserne zu verlassen. Laut eigenen Angaben gelang es ihm noch, 20 Söldner davon zu überzeugen, den Vertrag nicht zu unterschreiben. Per Anhalter sei er nur neun Stunden nach seiner Ankunft wieder zurück nach Polen gefahren – und von dort aus nach Grossbritannien. (obf)

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