«Eine Fusion von CS und UBS liesse die Korken bei den Kantonalbanken knallen!»
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ZKB-Chef greift Konkurrenz an:Postfinance ist überflüssig!

ZKB-Chef Martin Scholl greift Postfinance und Grossbanken an
«Eine Fusion von CS und UBS liesse die Korken bei den Kantonalbanken knallen!»

Martin Scholl ist einer der dienstältesten Bankchefs der Schweiz. Im Gespräch mit BLICK beruhigt er Kleinsparer, verteidigt die Abgabenpolitik der Kantonalbanken und erzählt von seinen Quarantäne-Erfahrungen.
Publiziert: 18.10.2020 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2021 um 12:02 Uhr
Interview: Christian Kolbe

Von seinem Büro aus überblickt Martin Scholl (59) eine der Schlagadern der Schweizer Wirtschaft: die Zürcher Bahnhofstrasse. Als der Chef der Zürcher Kantonalbank (ZKB) im März auf die leere Einkaufsmeile blickte, hatte er ein mulmiges Gefühl und rechnete mit dem Schlimmsten für die Wirtschaft.

BLICK: Herr Scholl, ist die Corona-Pandemie für die Wirtschaft so schlimm wie befürchtet?
Martin Scholl: Ganz so zappenduster, wie ich im Frühling befürchtet hatte, ist es noch nicht gekommen. Wer hätte das gedacht: Wir kommen aus dem Lockdown, und die Leute stehen Schlange vor den Luxusläden an der Bahnhofstrasse. Das zeigt doch, wie optimistisch die Menschen in die Zukunft schauen. Aber jetzt steigen die Infektionszahlen wieder, und man muss schauen, wie sich die Situation weiterentwickelt.

Die Umsätze der Luxusläden sind wohl kaum unser grösstes Problem ...
Das ist schon richtig, aber es ist eben auch ein Zeichen. Gäbe es diese positiven Zeichen nicht, dann wäre es wirklich schlimm. Natürlich gibt es Branchen, die viel stärker betroffen sind. Aber die Schweiz hat die Krise bis jetzt ganz anständig gemeistert.

Weshalb?
Bund und Kantone können die zusätzlichen finanziellen Belastungen verkraften. Das Land steht deswegen nicht am Abgrund, mit der vergleichsweise tiefen Verschuldung gehören wir unverändert zu den Musterknaben.

Scholl: «Ich war in Quarantäne, da sich mein Sohn mit Corona angesteckt hatte.»
Foto: Daniel Kellenberger
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Welche Rolle spielt die Unterstützung durch den Staat?
Die Corona-Kredite haben zwei Dimensionen. Die psychologische, denn das Geld stand sehr schnell zur Verfügung. Wir haben über die Hilfen nicht nur geredet, sondern auch gleich gehandelt. Das Einhalten des Hilfeversprechens war psychologisch sehr wichtig. Zweitens die wirtschaftliche: So haben sich viele Unternehmen mit Liquidität eingedeckt und sich für den Fall abgesichert, dass es wirklich schlimm kommen sollte.

Was nun aber nicht der Fall ist.
Richtig! Die ersten Firmen haben den Kredit schon wieder zurückgezahlt, die zweiten haben damit begonnen, und die dritten haben den Kredit gar nicht beansprucht. Die Corona-Kredite haben sich wirklich bewährt.

Sie haben bei der Ausgestaltung an vorderster Front mitgewirkt. Wie hektisch waren diese zehn Tage zwischen Lockdown und Präsentation des Hilfsprogramms?
Ich finde es cool, wenn etwas läuft. Man kann diese Aktion ja im Nachhinein als Filz verunglimpfen, aber in Wahrheit hat sich das Schweizer Erfolgsrezept einmal mehr bewährt: Die Wirtschaftsvertreter sind sehr gut vernetzt, haben einen ausgezeichneten Draht zu Bund und Verwaltung. Der Umgang ist unkompliziert, man kann sich aufeinander verlassen.

Haben Sie die Bank aus dem Homeoffice durch die Krise gesteuert?
Nicht während des Lockdowns, aber nachher musste ich in Quarantäne, da sich mein Sohn mit Corona angesteckt hatte.

Wie haben Sie die Quarantäne erlebt?
Wenn man ein halbwegs grosses Eigenheim mit Garten hat, dann ist die Quarantäne nicht das Gleiche, wie wenn eine fünfköpfige Familie in einer Vier-Zimmer-Wohnung sitzt. Aber noch einmal muss ich das in diesem Jahr nicht erleben, ich habe die Quarantäne jetzt gesehen.

Wie strikt haben Sie sich an die Vorschriften gehalten?
Die Regeln sind für alle gleich strikt. Ich wurde in dieser Zeit von den Behörden mehrfach telefonisch kontaktiert. Wenn Sie als Chef der Kantonalbank in einem Dorf wohnen, dann mag zwar die Versuchung, um 20 Uhr noch joggen zu gehen, gross sein. Zu gross ist allerdings die Gefahr, erkannt zu werden. Dieser Versuchung muss man widerstehen – als Konzernchef sowieso.

Die ZKB wollte in diesem Jahr feiern, doch wegen Corona ist das 150-Jahr-Jubiläum ins Wasser gefallen. Schmerzt das?
Das schmerzt wirklich! Wir werden nächstes Jahr 151 Jahre ZKB hoffentlich im Erlebnisgarten auf der Landiwiese feiern können. Was die Züribahn betrifft: Hier hatten wir wohl Glück im Unglück. In Zeiten fehlender Touristen sind die Verzögerungen ein Vorteil, weil die Seilbahn zu wenig genutzt worden wäre. Die Chancen für den Bau der Züribahn sind jedoch intakt, das letzte Wort hat nun das Gericht.

Welche Folgen hat Corona für die Zinsen in der Schweiz?
Corona verschärft die Situation bei den Negativzinsen. Denn trotz Staatsschulden steht die Schweiz immer noch viel besser da als die meisten anderen Länder in Europa. Das macht den Franken noch attraktiver, der Aufwertungsdruck steigt. Corona verlängert das Regime der Negativzinsen.

Das bedeutet ...
Wir müssen noch länger mit den Nebenwirkungen leben. Keine Verzinsung für Vorsorge- und Spargelder. Und billiges Geld für Schuldner. Mit Folgen für das Bankgeschäft: Die Zinsdifferenz zwischen ausgeliehenen und eingezahlten Geldern ist so tief wie noch nie. Daher müssen die Banken ihre Einnahmequellen diversifizieren.

Was heisst das für Kleinsparer? Gibt es Negativzinsen bald auch auf kleinen Vermögen?
Diese Gefahr besteht nicht. Kleinsparer müssen vor Negativzinsen keine Angst haben. Vorausgesetzt, die Nationalbank ändert die Geldpolitik nicht radikal. Wer allerdings nur Geld in grossem Stil bei der Bank parkieren will, ohne weitere Geschäfte zu tätigen, der zahlt bei der ZKB ab dem ersten Franken Negativzinsen.

Ab welchem Betrag ist man bei der ZKB kein Kleinsparer mehr?
Wir bei der ZKB schauen jede Kundenbeziehung und das Potenzial individuell an. Es gibt bei uns kein Segment Kleinsparer.

Werden die Preise auf dem Immobilienmarkt weiter steigen?
Ja. Das ist eine der Nebenwirkungen der Geldpolitik. Das ist der Preis, den wir dafür bezahlen, dass Export und Tourismus wettbewerbsfähig bleiben. Dazu gehört, dass es im Grossraum Zürich inzwischen zu wenig Wohneigentum und fast zu viele Mietwohnungen gibt.

Das müssen Sie erklären.
Das hat damit zu tun, dass institutionelle Anleger wie Pensionskassen auf der Suche nach Rendite in Mietobjekte investieren. Es ist zudem für einen Bauunternehmer einfacher, nur mit einem Partner – und nicht mit vielen einzelnen Parteien – verhandeln zu müssen. Das führt zu einer Unterversorgung von Wohneigentum bei gleich bleibender Nachfrage. Deshalb steigen die Preise weiter.

Als Chef der ZKB verdienen Sie rund zwei Millionen Franken. Müssen Sie auch Negativzinsen zahlen?
Nebst den Steuern, die ich bezahle, investiere ich mein Geld in Aktien und unterstütze Start-ups. Würde ich das Geld nicht anlegen, müsste auch ich Negativzinsen zahlen.

Die Bankenwelt steht vor grossen Veränderungen. Halten Sie eine Fusion der beiden Grossbanken für realistisch?
Ich glaube nicht an die Fusion von CS und UBS. Der Preis für eine Fusion, die aus globaler Sicht vielleicht Sinn macht, wäre das Schweizer Geschäft der beiden Grossbanken. Das wäre ein hoher Preis. Die Kantonalbanken würden sich übrigens die Hände reiben und all die Kunden der Grossbanken bei sich begrüssen. Eine Fusion von CS und UBS liesse die Korken bei den Kantonalbanken knallen!

Aber wenn die Postfinance neu Hypotheken und Kredite vergeben dürfte, dann würden die Korken wohl kaum knallen.
Richtig, aber im Moment sehen wir keinen Bedarf dafür. Käme es trotzdem so weit, dann müssten sich die ZKB und auch die anderen Kantonalbanken nicht fürchten. Es braucht Mut, im aktuellen Umfeld in dieses Geschäft einzusteigen.

Gibt es für Postfinance in dieser Form eine Perspektive?
Die Postfinance hat mit nicht marktgerechten Zinsen Spargelder im grossen Stil eingesammelt, die sich nun in Zeiten von Negativzinsen als grosse Hypothek erweisen. Wir müssen uns zudem die Frage stellen, ob wir wirklich zwei Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen brauchen. Neben der Postfinance haben wir auf Bankenseite die SIX Group für den Zahlungsverkehr – und die funktioniert.

Die Credit Suisse fordert mit einer neuen App die Smartphone-Banken heraus und wird zur digitalen Billigbank. Ist das auch für die ZKB ein Weg?
Wir haben ein sehr gutes Digitalangebot, waren immer bei den Ersten am Finanzplatz. Aber klar ist auch: Die ZKB war noch nie eine Billigbank, wir werden keine Gratisdienstleistungen anbieten. Denn das rechnet sich über die Jahre nicht. Banken wie die ZKB wird es noch lange geben, dabei geht es auch um Vertrauen. Wer sich seine Pensionskasse auszahlen lässt, der wird das ganze Geld kaum bei einer Smartphone-Bank deponieren. Das wird sich in den nächsten fünf oder zehn Jahren nicht ändern.

Apropos CS: Deren Chef Thomas Gottstein (56) hat die Kantonalbanken aufgefordert, endlich Steuern wie alle anderen zu zahlen.
Das haben sie getan, und zwar insgesamt 306 Millionen Franken fürs Geschäftsjahr 2019.

Die CS zahlt aber viel mehr Steuern.
Die ZKB und viele andere Kantonalbanken leisten ihren Beitrag anders. Sie entschädigen die Staatsgarantie, verzinsen das vom Kanton zur Verfügung gestellte Kapital und schütten einen grossen Teil ihres Gewinns an Kanton und Gemeinden aus.

Konkret?
Die Kantonalbanken erwirtschafteten 2019 mit rund 19'000 Mitarbeitenden einen Gewinn vor Steuern von 3,4 Milliarden Franken. Davon gaben sie insgesamt fast zwei Milliarden Franken in Form von Gewinnausschüttung und Steuern ans Gemeinwesen zurück. Diese Abgabequote liegt mit 57 Prozent über dem entsprechenden Wert der CS-Gruppe.

Vom Stift zum Chef

Seit 1977 arbeitet Martin Scholl (59) fast ohne Unterbruch bei der Zürcher Kantonalbank. Er hat sich dort vom Stift in die Chefetage hochgearbeitet, wo er seit 2002 als Mitglied der Geschäftsleitung sitzt. Seit 2008 ist Scholl CEO der ZKB, der viertgrössten Bank der Schweiz. Ein Leben fürs Banking, obwohl ihm der Berufsberater einst eine Karriere als Lebensmittelingenieur vorschlug. Scholl ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit seiner Frau in Wangen ZH. Wichtig ist dem Geldmanager eine ausgewogene Work-Life-Balance. Das Handy legt der Zürcher auch mal weg.

Seit 1977 arbeitet Martin Scholl (59) fast ohne Unterbruch bei der Zürcher Kantonalbank. Er hat sich dort vom Stift in die Chefetage hochgearbeitet, wo er seit 2002 als Mitglied der Geschäftsleitung sitzt. Seit 2008 ist Scholl CEO der ZKB, der viertgrössten Bank der Schweiz. Ein Leben fürs Banking, obwohl ihm der Berufsberater einst eine Karriere als Lebensmittelingenieur vorschlug. Scholl ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit seiner Frau in Wangen ZH. Wichtig ist dem Geldmanager eine ausgewogene Work-Life-Balance. Das Handy legt der Zürcher auch mal weg.

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Hat die klassische Bankfiliale bei der ZKB eine Zukunft?
Auf alle Fälle! In den ersten acht Monaten fanden 5,5 Millionen Bargeld-Transaktionen in den Filialen statt. Im gleichen Zeitraum hatten wir ähnlich viele Transaktionen in der Bezahl-App Twint. Die Nachfrage nach Bargeld wird weiter sinken. Das macht den Schalter vielleicht bald überflüssig. Dafür steigt das Bedürfnis nach Beratung.

Aber die muss ja nicht in der Filiale erfolgen.
Nicht zwingend, aber die Kunden wollen auch nicht jede Frage in einer Videokonferenz klären. Gerade bei komplexeren Finanzthemen wie Altersvorsorge oder dem Abschluss einer Hypothek wollen Menschen mit Menschen reden. Diese Wette gehen wir ein, und dafür stellen wir die Infrastruktur zur Verfügung. Letztendlich bestimmen aber die Kunden mit ihrem Verhalten, wie viele Filialen es in Zukunft noch braucht.

Die ZKB hat für rund eine Milliarde Franken Corona-Kredite vergeben. Kommt alles Geld zurück?
Wir hatten bisher keinen einzigen Kreditausfall. Die Betrugsfälle sind gemessen an der Zahl der Kredite vernachlässigbar klein. Bei allem Streben nach wasserdichten Lösungen: Die zügige Kreditvergabe hatte immer oberste Priorität.

Kein Geschäft mit Zinsen – holen sich die Banken das Geld dafür über höhere Gebühren?
Die Gebühren sind bei vielen Kantonalbanken nicht gestiegen. Allerdings gibt es auf den Spargeldern keine Zinsen und damit keine Rendite mehr. Dementsprechend stark fallen die Gebühren ins Gewicht. Den noch höheren Preis zahlen wir alle durch sinkende Renten oder steigende Mieten. Nur wer sich ein Eigenheim leisten kann, profitiert, da er günstiger wohnt. Die Umverteilungseffekte sind teilweise dramatisch.

Das Dutzend ist voll: Sie stehen nun mehr als 12 Jahre an der Spitze der ZKB. Wann ist Zeit aufzuhören?
Das kann bei der ZKB irgendwo zwischen 58 und 64 passieren. Mit 58 zu gehen, habe ich schon verpasst. Aber so lange ich jeden Tag Freude an meiner Arbeit habe, bleibe ich gern.

Soll eine Frau Ihre Nachfolge antreten?
Ich wünsche mir die Beste oder den Besten. Eine Person, die die Kultur der ZKB gut kennt und versteht. Zudem braucht sie grosse Erfahrung im Bankgeschäft.

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