Wollte 155'000 Franken im Jahr
Wenn die Angestellten den Cheflohn nicht durchwinken

Je höher der Lohn, desto intransparenter der Umgang damit. Eine Firma zeigt vor, wie die Belegschaft die Löhne selber bestimmt.
Publiziert: 04.03.2024 um 21:20 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2024 um 08:50 Uhr
Tina Fischer

Die Cheflöhne von Topbankern werden jedes Jahr im Vergütungsbericht publiziert. Ein Beispiel: 2022 gab es für Ralph Hamers, den damaligen CEO der UBS, satte 12,64 Millionen Franken. Was es nach dem turbulenten Jahr 2023 und für den neuen UBS-CEO Ermotti geben wird, das wird am 28. März bekannt.

Bis dahin gibt es nur Gerüchte. Und Gerüchte sind das, was normalerweise der Fall ist bei den Löhnen in Schweizer Unternehmen – gerade bei nicht-börsenkotierten Firmen. Während börsenkotierte Firmen die Löhne der höchsten Teppichetage offenlegen und auch intern oftmals Lohnbänder bekannt sind, herrscht in den anderen Schweizer Firmen zumeist noch eisiges Schweigen in Bezug auf den Lohn.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Die Lohnvorstellung von Patrick Mollet, Mitinhaber von Great Place to Work, wurde zurückgewiesen – das ist fair.
Foto: Andrea Camen
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Kulturelle Unterschiede führen zu Intransparenz

Das sei kulturell bedingt, weiss die Forscherin der Hochschule Luzern und Universität Luzern Anna Sender: «Im Norden, in Skandinavien, ist der Lohn kein Tabuthema. Mitarbeitende fragen ihre Kollegen offen nach dem Lohn, es ist keine Schockfrage.» Hierzulande erfolgt noch immer ein Ausruf der Überraschung, wenn jemand direkt nach dem Lohn fragt.

Dabei helfe Lohntransparenz gegen Diskriminierung und ermögliche Fairness. Vor allem aber schaffe sie eine Lohnkompression, erklärt sie: «Transparenz führt zu Überkompensation. Tiefere Löhne werden angehoben, höhere angepasst. Dabei steigt entgegen der Vermutung die Lohnsumme nicht unbedingt, weil man weniger Varianz zwischen den Mitarbeitenden hat.»

Dass das effektiv passiert, zeigt der Fall einer Firma, die seit vier Jahren mit Lohntransparenz experimentiert. Dem Mitinhaber des Unternehmensberaters Great Place to Work, Patrick Mollet, wurde der Wunsch nach einer Lohnerhöhung von den Kolleginnen und Kollegen verwehrt: «Ich habe eine höhere Lohnerhöhung gepitcht als meine Peers, was nicht als fair eingestuft wurde.»

Das Team entscheidet über faire Löhne

Der eigene Mitinhaber bekommt den Lohn nicht, den er sich wünscht? Wie geht das? Und wie reagiert er? Mollet winkt schmunzelnd ab und erklärt, wie es so weit kommen konnte: «Wir wollen eine transparente Firma sein. Nur: Drei Viertel unseres Kostenblocks machen Löhne aus, weshalb wir nicht transparent kommunizieren konnten. Also haben wir die Löhne intern veröffentlicht.» Das war der erste Schritt.

Im zweiten fragten sie sich, wer über Lohn und Lohnerhöhungen entscheidet. Denn in jeder Firma haben diese Themen Auswirkungen auf das ganze Team. Dabei waren auch Boni ein Thema, denen Mollet nichts abgewinnen kann: «Firmen schreiben sich Zusammenarbeit auf die Fahne – aber am Schluss werden individuelle Leistungen belohnt. Das macht keinen Sinn.» Heute werden 25 Prozent des Gewinns an alle verteilt, 25 Prozent als Dividende ausgeschüttet und 50 Prozent in die Firma investiert. Denn: «Wer den Lohn erhöht, reduziert vereinfacht gesagt den Gewinn und somit den Teambonus.»

Die Konsequenz daraus: Alle sollen bei den Löhnen mitreden. «Es muss allen die gleiche Plattform zur Verfügung stehen und nicht nur denen, die aggressiv eine Lohnerhöhung einfordern.» Deshalb führten sie «Lohnpitches» ein: Jeder tippt seinen Lohnwunsch ein, alle sehen den Betrag und diskutieren ihn gemeinsam im Team. Ein intern ausgelostes und jährlich wechselndes Gremium prüft anschliessend, ob die Löhne verschiedenen Fairnesskriterien genügen, und informiert im Anschluss.

Und dieses Gremium war es, das Mollets geforderte Lohnerhöhung von 7 Prozent auf 155’000 Franken zurückwies. Es war ein kurzer Dämpfer, doch sieht Mollet ein, dass das der faire Weg ist: «Der tiefste Lohn wurde auf das Niveau von anderen Mitarbeitenden angehoben. Und ich habe meinen Pitch reduziert, damit ich wieder auf dem gleichen Level wie meine Peers bin.»

Lohntransparenz muss im Unternehmen wachsen

Lohntransparenz leben wie bei Great Place to Work, das ist das Extrem. Doch komplette Verschwiegenheit ist heute auch nicht mehr möglich, wie die Forscherin Anna Sender weiss: «Menschen vergleichen sich. Zufriedenheit mit dem Lohn ist nicht nur abhängig davon, wie viel ich verdiene, sondern auch, wie viel ich im Vergleich zu meinen Arbeitskollegen verdiene.» Es ist Aufgabe der Führungskraft, zu erklären, warum jemand weniger oder mehr verdient. Und aufzuzeigen, wie jemand mehr verdienen kann.

Eine Offenlegung aller Löhne von heute auf morgen würde jedoch in einem Chaos enden. Anna Sender empfiehlt Firmen, in einem ersten Schritt das Lohnsystem den Mitarbeitenden zu erklären und die Lohnbänder offenzulegen. So könne jeder nachvollziehen, was man verdient, und es kommen keine Neidgedanken auf, weil man es auch für die Kollegen links und rechts ausrechnen kann. Ausserdem sei Transparenz bei den Löhnen das eine – viel wichtiger sei jedoch, transparent über Ereignisse in der Firma, Projekte und Aufgaben zu reden. Denn Geheimniskrämerei schürt Missgunst und Demotivation.

Komplette Transparenz, wie das bei Great Place to Work der Fall ist, ist eine Kulturfrage, die über Jahre geschaffen wurde. Bei allen anderen gilt: klein anfangen. Und in Bezug auf Sergio Ermotti heisst das: Sein Lohn wird zwar im März bekannt. Derjenige aller anderen Banker und Bankerinnen bleibt aber weiterhin ein gut gehütetes Bankgeheimnis – das aber bekanntlich nicht unantastbar ist.

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