Bei der Gleichstellung stehen Schweizerinnen hinten an
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Weniger Lohn und Anerkennung:Bei der Gleichstellung stehen Schweizerinnen hinten an

Weniger Lohn, weniger Anerkennung, weniger Aufstiegschancen
Alle sind gleich – ausser den Frauen

Der Gleichstellungsreport 2018 des Weltwirtschaftsforums stellt der Schweiz ein schlechtes Zeugnis aus. Die Gründe dafür: Traditionelle Rollenbilder und veraltete Arbeitsmodelle hindern die Frauen am Aufstieg auf der Karriereleiter.
Publiziert: 19.12.2018 um 02:29 Uhr
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Aktualisiert: 19.12.2018 um 14:41 Uhr
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Christian KolbeRedaktor Wirtschaft

Der Gleichstellungsreport 2018 des Weltwirtschaftsforums (WEF) ist ein Schlag ins Gesicht aller Frauen – und Männer – die sich gegen die Ungleichheit der Geschlechter wehren (BLICK berichtete). Wie ist es möglich, dass die Schweiz im 21. Jahrhundert plötzlich wieder ins Hintertreffen gegenüber vergleichbaren Ländern gerät, gar Rückschritte in Sachen gleicher Lohn für gleiche Arbeit und bei der Vertretung von Frauen im Management macht? 

Für die Gewerkschaften ist klar: Das geht gar nicht! Das sei «inakzeptabel», sagt Unia-Sprecherin Leena Schmitter. Ihr Verdacht: «Arbeitgeber und Bürgerliche im Parlament wollen gar keine Lohngleichheit.» Deshalb ruft die Unia zum Frauenstreik im Sommer 2019 auf. Diesem Aufruf schliesst sich Regula Bühlmann, beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB für Fragen der Gleichstellung zuständig, an. Und fordert noch mehr Druck auf die Unternehmen, um endlich mit der Lohngleichheit vorwärtszumachen. 

Traditionelle Rollenmuster 

Nicht so schnell lässt sich dagegen ein anderes Problem beheben: «In der Schweiz halten sich traditionelle Rollenbilder hartnäckiger», bemängelt Bühlmann. Das heisst, wer sich um die Familie kümmert, bekommt wenig Wertschätzung und selten Geld dafür. Ein Job, der meist von Frauen erledigt wird. 

Leena Schmitter, Mediensprecherin der Gewerkschaft Unia: «Arbeitgeber und Bürgerliche im Parlament wollen gar keine Lohngleichheit.»
Foto: zvg
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Im Wort Mutterschaftsurlaub stecke bereits Diskriminierung, findet BLICK-Kolumnistin und Fernsehjournalistin Patrizia Laeri: «Chefs müssen sich gegen Frauen entscheiden, weil immer die Gefahr besteht, dass eine Frau sich in den Mutterschaftsurlaub verabschiedet. Fair wäre eine Elternzeit, dann besteht bei beiden Geschlechtern das gleiche Risiko.» 

Weibliche Vorbilder fehlen

Gerade in den skandinavischen Ländern, die bei der Gleichberechtigung im WEF-Report am besten abschneiden, spielt es schon lange keine Rolle mehr, ob sich der Vater oder die Mutter um die Kinder kümmert. Oder auch der Staat: Entsprechend gut und günstig sind dort Betreuungsangebote für Kinder. Ganz in Gegensatz zur Schweiz, wie die meisten Befragten bemängeln. 

Mit zementierten Rollenbildern zu kämpfen hat auch die Industrie. Seit Jahren bemüht sich Swissmem, der Dachverband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, mehr Frauen für technische Berufe zu begeistern – auch hier ist die Schweiz im internationalen Vergleich im Hintertreffen. Doch die Bemühungen laufen oft ins Leere, wie Interims-Direktor Jean-Philippe Kohl weiss: «Die traditionellen Rollenbilder sind in den Köpfen von Eltern und Verwandten noch immer stark verankert.» Deshalb fehlten auch die entsprechenden Vorbilder: Erfolgreiche Frauen in technischen Berufen. Handlungsbedarf sieht Kohl auch in der Branche selbst: «Die Industrie wird noch zu stark als Männer- und Vollzeitbranche wahrgenommen.» 

Nur wer übermässig viel arbeitet, wird Chef 

Doch nicht nur in der Industrie, auch in anderen Branchen gilt: «Wenn eine Frau Karriere machen will, dann muss sie ein männliches Arbeitsmodell übernehmen», stellt Valérie Borioli Sandoz von der Gewerkschaft Travail Suisse fest. Das heisst: Vollzeitarbeit mit Erreichbarkeit beinahe rund um die Uhr. Eine Familie hat da kaum Platz. 

Diese Erfahrung hat auch Headhunter Björn Johansson gemacht, der seit bald vier Jahrzehnten Topjobs in der Schweizer Wirtschaft besetzt: «Wer es ganz bis nach oben schaffen will, der braucht einen langen Atem. Viele Frauen steigen vorher aus.» Deshalb gibt es so wenige weibliche CEOs: «Düster sieht es an der Konzernspitze aus. Weltweit – nicht nur in der Schweiz – fehlen Frauen für den Job als Konzernchefin. Da gibt es keinen Fortschritt.» 

Für einmal könnten die Grossen von den Kleinen lernen: «In KMU übernehmen Frauen viel schneller als in grösseren Unternehmen Positionen mit Verantwortung auf allen Ebenen», sagt Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler. Das könnte den Weg in die Zukunft auch bei den Konzernen weisen: Schlankere und flexiblere Arbeits- und Führungsmodelle, die auch Frauen den Weg an die Spitze ermöglichen.

«Für die Karriere ist die Partnerwahl wichtig»

«Ich wusste von Anfang an: Ich will nicht nur Mami und Ehefrau sein, sondern auch weiter arbeiten. Mit der Firma ging es auch gar nicht anders. Auch wenn es oft alles andere als einfach ist. Aber es lohnt sich.

Am meisten Mühe habe ich mit traditionellen Denkmustern und dem Unverständnis der Aussenwelt. Noch immer meinen viele Leute: Man kann keine Firma führen, wenn man nicht ständig anwesend ist. Und um es gut zu machen, müsse man von mindestens 8 bis 18 Uhr durchgängig im Büro sein. Dabei ist der Schlüssel meiner Meinung nach: Vertrauen in die Fähigkeit meiner Mitarbeiter! Und ein gutes Zeit-Management mit Hilfe der modernen Hilfsmittel wie Video Meetings etc. Ich bin zwar viel unterwegs, arbeite auch von daheim. Aber mein Team weiss: Ich bin jederzeit erreichbar – egal, ob wir im gleichen Raum sind oder nicht.

Die Partnerwahl ist wichtig

Oft höre ich auch das Vorurteil: Du siehst deine Kinder ja sehr wenig. Dabei stimmt das gar nicht. Woher wollen die Leute das von aussen wissen? Ich widme ihnen meine vollste Aufmerksamkeit in meiner verfügbaren Zeit. Und wo ich an Grenzen stosse, gibt es ja auch noch meinen Mann. Überhaupt die Partnerwahl: Ich glaube, sie ist wahnsinnig wichtig, wenn man als Frau Kinder und Karriere haben will. Ich wüsste nicht, wie ich das alles ohne meinen Partner schaffen würde. Für uns war von Anfang an klar, dass jeder seinen Teil leisten wird. Und das klappt – den überwiegenden Teil der Zeit – gut. Glücklicherweise kann ich auch auf den Rückhalt der Grosseltern sowie unserer Teilzeit-Nanny zählen.

Natürlich, manchmal komme ich an ein Limit mit der gesamten Verantwortung und Belastung. Und ab und zu plagen mich Schuldgefühle. Aber gute Freundinnen und mein Mann holen mich dann wieder runter und beruhigen mich, dass alles okay ist.

Frauen müssen zusammenstehen

Als Arbeitgeberin versuche ich natürlich, Frauen zu fördern. Vor allem aber unterstützen wir Eltern. Besonders wenn es darum geht, Kinder und Karriere zu vereinbaren. Ich plane etwa zusammen mit meinen Mitarbeitern, wie es nach der Geburt weitergeht. Für mich ist klar, dass eine Frau, die gerade Mutter geworden ist, nicht die ganze Zeit da sein wird. Sie kann aber auf meinen uneingeschränkten Rückhalt zählen. Für mich ist es egal, wann und wo sie arbeitet. Hauptsache, die Arbeit wird gut erledigt. Im Gegenzug werde ich und die Firma mit loyalen und motivierten Mitarbeitern belohnt. Wir haben in unserem Unternehmen, und da bin ich natürlich besonders stolz, ein ausgeglichenes Geschlechter-Verhältnis.

Ich bin aber überzeugt: Wir Frauen müssen zusammenstehen und zeigen, dass es geht, Kinder und Karriere zu haben.»

* Sandra Kugelmeier (39) ist Gründerin und Managing Partner beim Med-Tech-Start-up Kugelmeiers AG in Zollikerberg ZH. Die Firma hat mittlerweile 12 Mitarbeiter. Sie vertreibt 3-D-Zellkulturtechnologien und treibt Stammzelltherapien voran. 

 

 

«Ich wusste von Anfang an: Ich will nicht nur Mami und Ehefrau sein, sondern auch weiter arbeiten. Mit der Firma ging es auch gar nicht anders. Auch wenn es oft alles andere als einfach ist. Aber es lohnt sich.

Am meisten Mühe habe ich mit traditionellen Denkmustern und dem Unverständnis der Aussenwelt. Noch immer meinen viele Leute: Man kann keine Firma führen, wenn man nicht ständig anwesend ist. Und um es gut zu machen, müsse man von mindestens 8 bis 18 Uhr durchgängig im Büro sein. Dabei ist der Schlüssel meiner Meinung nach: Vertrauen in die Fähigkeit meiner Mitarbeiter! Und ein gutes Zeit-Management mit Hilfe der modernen Hilfsmittel wie Video Meetings etc. Ich bin zwar viel unterwegs, arbeite auch von daheim. Aber mein Team weiss: Ich bin jederzeit erreichbar – egal, ob wir im gleichen Raum sind oder nicht.

Die Partnerwahl ist wichtig

Oft höre ich auch das Vorurteil: Du siehst deine Kinder ja sehr wenig. Dabei stimmt das gar nicht. Woher wollen die Leute das von aussen wissen? Ich widme ihnen meine vollste Aufmerksamkeit in meiner verfügbaren Zeit. Und wo ich an Grenzen stosse, gibt es ja auch noch meinen Mann. Überhaupt die Partnerwahl: Ich glaube, sie ist wahnsinnig wichtig, wenn man als Frau Kinder und Karriere haben will. Ich wüsste nicht, wie ich das alles ohne meinen Partner schaffen würde. Für uns war von Anfang an klar, dass jeder seinen Teil leisten wird. Und das klappt – den überwiegenden Teil der Zeit – gut. Glücklicherweise kann ich auch auf den Rückhalt der Grosseltern sowie unserer Teilzeit-Nanny zählen.

Natürlich, manchmal komme ich an ein Limit mit der gesamten Verantwortung und Belastung. Und ab und zu plagen mich Schuldgefühle. Aber gute Freundinnen und mein Mann holen mich dann wieder runter und beruhigen mich, dass alles okay ist.

Frauen müssen zusammenstehen

Als Arbeitgeberin versuche ich natürlich, Frauen zu fördern. Vor allem aber unterstützen wir Eltern. Besonders wenn es darum geht, Kinder und Karriere zu vereinbaren. Ich plane etwa zusammen mit meinen Mitarbeitern, wie es nach der Geburt weitergeht. Für mich ist klar, dass eine Frau, die gerade Mutter geworden ist, nicht die ganze Zeit da sein wird. Sie kann aber auf meinen uneingeschränkten Rückhalt zählen. Für mich ist es egal, wann und wo sie arbeitet. Hauptsache, die Arbeit wird gut erledigt. Im Gegenzug werde ich und die Firma mit loyalen und motivierten Mitarbeitern belohnt. Wir haben in unserem Unternehmen, und da bin ich natürlich besonders stolz, ein ausgeglichenes Geschlechter-Verhältnis.

Ich bin aber überzeugt: Wir Frauen müssen zusammenstehen und zeigen, dass es geht, Kinder und Karriere zu haben.»

* Sandra Kugelmeier (39) ist Gründerin und Managing Partner beim Med-Tech-Start-up Kugelmeiers AG in Zollikerberg ZH. Die Firma hat mittlerweile 12 Mitarbeiter. Sie vertreibt 3-D-Zellkulturtechnologien und treibt Stammzelltherapien voran. 

 

 

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