Wegen Rassismus-Vorwürfen
CS-Thiams brisante Whatsapp-Intervention

Der damalige CS-Chef Tidjane Thiam soll die Entlassung eines Bankers veranlasst haben – auf privaten Kanälen. Eine brisante Rolle spielte Risiko-Chefin Lara Warner. Was wusste die Finma?
Publiziert: 23.07.2023 um 19:17 Uhr

Wo soll man mit der Aufarbeitung der Credit Suisse beginnen? Und wo aufhören? Ein Ausgangspunkt ist die berüchtigte Spygate-Affäre, die dem Image der Credit Suisse massiv geschadet hat. Auslöser des Skandals war eine aus dem Ruder gelaufene Observation des ehemaligen Wealth-Management-Chefs der Credit Suisse, Iqbal Khan (47).

Vermutlich aus seinem Umfeld gelangten Details über wilde Verfolgungsjagden in der Zürcher Innenstadt an die Öffentlichkeit. Der Skandal nahm seinen Lauf und führte zu zahlreichen Entlassungen, einem Selbstmord, mehreren Strafverfahren und einer aufsichtsrechtlichen Untersuchung durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht.

Die Hintergründe des Skandals wurden in zwei Untersuchungsberichten aufgearbeitet. Der erste stammt von Thomas Werlen, einem Zürcher Rechtsanwalt, der von der Finma mit der Aufarbeitung der Spygate-Affäre beauftragt worden war. Aufgrund seiner Empfehlungen leitete die Behörde danach eine offizielle Untersuchung ein, ein sogenanntes Enforcement-Verfahren.

Tidjane Thiam soll die damalige Risiko-Chefin Lara J. Warner angewiesen haben, eine Entlassung persönlich in die Hand zu nehmen und das Ganze ausserhalb der offiziellen Kanäle abzuwickeln.
Foto: ©Francois Grivelet/opale.photo
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Obwohl der Inhalt der Untersuchungen dem Amtsgeheimnis unterliegt, gelangten in den letzten Jahren verschiedene Details aus den Berichten an die Öffentlichkeit. Doch ein brisanter Vorfall blieb bis heute geheim, wie SonntagsBlick-Recherchen zeigen: Es geht um die Absetzung eines CS-Mitarbeiters in Genf, der den damaligen CEO Tidjane Thiam (60) und dessen Familie rassistisch beleidigt haben soll. Als der Franko-Ivorer davon erfuhr, soll er die Entlassung des Mitarbeiters veranlasst haben.

Konkret soll er seine Kollegin Lara Warner (56) mit dieser heiklen Aufgabe betraut haben. Er soll sie angewiesen haben, die Entfernung des Mannes persönlich in die Hand zu nehmen und das Ganze ausserhalb der offiziellen Kanäle abzuwickeln. «Send private Whatsapp», soll er ihr mitgeteilt haben. Warner reiste nach Genf und konfrontierte den Mitarbeiter in einem Gespräch unter vier Augen mit den Vorwürfen. Dieser stritt alles vehement ab – musste die Bank aber trotzdem verlassen. Thiam und Warner waren enge Weggefährten. Er hatte sie 2015 zur Chief Compliance and Regulatory Affairs Officer befördert und in die Geschäftsleitung geholt. 2019 machte er sie zur obersten Risikochefin.

Nicht ansatzweise ordnungsgemässe Entscheidungsprozesse

Im Oktober 2021, also mehr als zwei Jahre nach Bekanntwerden der Spygate-Affäre, schloss die Finma ihr Enforcement-Verfahren zur «Beschattungsaffäre» ab. In einer Medienmitteilung stellte sie fest, dass bei der Credit Suisse «gravierende organisatorische Mängel im Zusammenhang mit Observationstätigkeiten bestanden». Auch seien die Aktivitäten «nicht ansatzweise» in ordnungsgemässe und dokumentierte Entscheidungsprozesse sowie in ein angemessenes Kontrollumfeld eingebettet gewesen.

Die Finma geht in ihrer offiziellen Kommunikation nur auf die Beschattungsaktionen ein. Den Genfer Fall erwähnt die Aufsichtsbehörde nicht. Ein Finma-Sprecher wollte sich am Freitag auf Anfrage nicht weiter zum Inhalt des Verfahrens äussern. Es muss daher offenbleiben, ob die Art und Weise der Entlassung des Mitarbeiters und die Kommunikation über private Kanäle ein mögliches aufsichtsrechtliches Problem in den Augen der Finma darstellte oder nicht.

Tidjane Thiam trat im Februar 2020 als Chef der Credit Suisse zurück. Sein Nachfolger wurde Thomas Gottstein (59). Interessanterweise hat dieser den Aufgabenbereich von Lara Warner erweitert und sie zur Leiterin Risk and Compliance befördert.

Recherche-Hinweise

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Ob die Finma zu diesem Zeitpunkt über den Genfer Fall Bescheid wusste, ist nicht klar. Sie setzte Thomas Werlen im Dezember 2019 als externen Prüfbeauftragten ein, nachdem die Behörde bereits zuvor eigene Abklärungen gestartet hatte.

Offenbar scheint die Behörde kein aufsichtsrechtliches Problem mit Lara Warner gehabt zu haben. Die obersten Führungskräfte einer Bank – Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder – müssen stets die sogenannte Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsbesorgung erfüllen. Kommt die Finma zum Schluss, dass ein Gewährsproblem vorliegt, sind die Tage eines Topmanagers gezählt.

Werlens Untersuchung ergab, dass die Credit Suisse nicht nur Iqbal Khan beschatten liess, sondern in insgesamt sieben Fällen Observationen plante und zum grossen Teil auch durchführte. Zwischen 2015 und 2019 wurden in zwei Fällen Geschäftsleitungsmitglieder in der Schweiz und weitere Mitarbeitende sowie Drittpersonen im Ausland beschattet.

Wie SonntagsBlick in Erfahrung bringen konnte, handelt es sich bei einem der Fälle um denjenigen, den die Tamedia-Zeitungen 2021 aufdeckten. Demnach plante die Bank, den Ex-Mann von Thiams Freundin in Hongkong beschatten zu lassen. Ob und wie intensiv die Observation durchgeführt wurde, ist unklar.

Die Zeitung spekulierte damals, es sei sehr wahrscheinlich, dass Thiam von den Beschattungsplänen gewusst haben müsste. Es stehe der Verdacht im Raum, dass er sein Privatleben mit den Aktivitäten der Bank vermischt haben könnte.

Ähnliche Fragen stellen sich im Zusammenhang mit der Entlassung des Genfer Mitarbeiters, der Thiam rassistisch beleidigt haben soll. SonntagsBlick bat Tidjane Thiam um eine Stellungnahme zu den damaligen Vorgängen. Eine Whatsapp-Nachricht blieb unbeantwortet. Auch vom Sprecher seiner Finanzboutique Freedom Acquisition kam keine Antwort.

*Der Journalist Beat Schmid schreibt im SonntagsBlick über Finanzthemen. Er ist Herausgeber des Onlinemediums tippinpoint.ch

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