Wegen Gesundheitstrend
Schweizer Bierdurst versiegt – mit einer Ausnahme

Die Corona-Pandemie hat ein Loch in die Fässer der Schweizer Brauereien gerissen. Nun zeigt sich: Der Abwärtstrend setzt sich fort. Es gibt nur eine Ausnahme.
Publiziert: 18.10.2021 um 11:11 Uhr
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Aktualisiert: 18.10.2021 um 12:40 Uhr
Sarah Frattaroli

Nirgends ist die Brauereidichte so hoch wie in der Schweiz. 1200 Bierproduzenten sind es laut dem Schweizer Brauerei-Verband (SBV) – Tendenz steigend. Die Schweizerinnen und Schweizer trinken gemäss Statistik des Verbandes 52 Liter Bier pro Kopf und Jahr. Macht einen Liter pro Woche – Tendenz sinkend.

Zum Vergleich: Die Deutschen trinken mehr als 90 Liter Bier im Jahr. Aber auch in den Stammlanden der Bierbrauerei ging der Konsum jüngst zurück.

Denn jedes fünfte Bier wird in der Gastronomie ausgeschenkt. Und die war in den letzten anderthalb Jahren coronabedingt monatelang geschlossen. Das spürten auch die Brauereien. Das Braujahr endet jeweils im Herbst. Im letzten Jahr meldete der SBV einen Einbruch von 2,2 Prozent. Klingt nach wenig, entspricht aber 34 Millionen Stangen.

Kein anderes Land hat eine derart hohe Brauereidichte wie die Schweiz.
Foto: Keystone
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Schlechtes Sommerwetter

Für das Braujahr 2020/21 sind die definitiven Zahlen noch nicht verfügbar. Der Brauerei-Verband rechnet aber damit, dass sich die Talfahrt fortsetzt, wie es auf Anfrage von Blick heisst. Schuld ist nicht nur Corona. «Auch das schlechte Wetter im Sommer und die vielen abgesagten Veranstaltungen haben ihren Teil dazu beigetragen», sagt Christoph Lienert (36), stellvertretender SBV-Direktor.

Das Wetter hat zwar den grössten Einfluss auf den Bierkonsum. Die Brauer hatten nach der Corona-Flaute aber auch grosse Hoffnungen in die Fussball-Europameisterschaft gesetzt. Vergebens. «Die EM hat – trotz guter Leistungen unserer Nationalmannschaft – nicht dazu geführt, dass sich die Schweiz in eine Festhütte verwandelte», so Lienert.

Alkoholfreies Bier boomt

Seit Jahren verkauft sich alkoholfreies Bier immer besser. Es hat im letzten Jahr trotz des Corona-Einbruchs um 15 Prozent zugelegt. «Ein kleiner Lichtblick», so der Verband. «Es gibt beim alkoholfreien Bier vermehrt verschiedene Varianten und Stile mit dementsprechend neuen Geschmacksrichtungen – auch wegen neuer und innovativer Herstellungsmethoden.»

Bisher macht alkoholfreies Bier in der Schweiz gerade mal vier Prozent vom Gesamtabsatz aus. In Deutschland sind es bald zehn Prozent. «Wir rechnen damit, dass sich auch bei uns der Anteil in den nächsten Jahren verdoppeln wird», sagt Lienert.

Auch bei anderen Getränken sind alkoholfreie Varianten gefragt: Gin, Rum und sogar Limoncello gibt es mittlerweile mit 0,0 Prozent Alkohol. Geschuldet ist der Trend dem zunehmenden Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung.

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Muskelkater statt Brummschädel

Die Generation Z, also die Gruppe der Anfang-20-Jährigen, ist Vorreiterin: Sie trackt ihre Schrittanzahl und den Schlafrhythmus mit dem Smartphone, steht auf Muskelkater nach dem Fitnesstraining statt Brummschädel nach der Partynacht.

Ist das für herkömmliches, also alkoholhaltiges Bier der Anfang vom Ende? Christoph Lienert widerspricht: «Wir sind ganz und gar nicht der Meinung, dass Bier nicht mehr dem Zeitgeist entspricht.» Den Boom beim alkoholfreien Bier erklärt er sich eher mit dem Wunsch nach Abwechslung. «Alkoholfreies Bier wird mehr als alleinstehender Bierstil wahrgenommen und nicht mehr nur als alternatives ‹Bier ohne Alkohol›.»

Deutsche und Rentner müssen einspringen

Bei den Schweizer Bierbrauereien ist der Fachkräftemangel akut. Auf 1200 Brauereien im Land kommen pro Jahr lediglich zwölf Lehrlinge. Viele Betriebe arbeiten daher mit Brauern aus Deutschland – oder reaktivieren schon mal pensionierte Leute vom Fach, wie es beim Brauerei-Verband heisst. Dieser will nun mehr Lehrlinge ausbilden. Statt einem Dutzend sollen es immerhin bald 20 sein. Das Problem: Nur die wenigsten Brauereien sind überhaupt gross genug, um Lernende auszubilden. Wer zum Beispiel keine eigene Abfüllanlage hat, muss den Stift für mehrere Monate zur Konkurrenz schicken. Hinzu kommt, dass die grossen Brauereien selbst die wenigen bestehenden Ausbildungsplätze kaum besetzen können. Offenbar ist der Beruf dermassen unbekannt, dass Bewerbungen nur spärlich eingehen.

Bei den Schweizer Bierbrauereien ist der Fachkräftemangel akut. Auf 1200 Brauereien im Land kommen pro Jahr lediglich zwölf Lehrlinge. Viele Betriebe arbeiten daher mit Brauern aus Deutschland – oder reaktivieren schon mal pensionierte Leute vom Fach, wie es beim Brauerei-Verband heisst. Dieser will nun mehr Lehrlinge ausbilden. Statt einem Dutzend sollen es immerhin bald 20 sein. Das Problem: Nur die wenigsten Brauereien sind überhaupt gross genug, um Lernende auszubilden. Wer zum Beispiel keine eigene Abfüllanlage hat, muss den Stift für mehrere Monate zur Konkurrenz schicken. Hinzu kommt, dass die grossen Brauereien selbst die wenigen bestehenden Ausbildungsplätze kaum besetzen können. Offenbar ist der Beruf dermassen unbekannt, dass Bewerbungen nur spärlich eingehen.

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Neben alkoholfreiem Bier boomen eben auch die Brauereigründungen weiterhin. Lienert spricht von einem «explosionsartigen Anstieg» in den letzten 15 Jahren. Im Land mit der höchsten Brauereidichte der Welt dürfte wohl auch der Durst nach alkoholhaltigem Bier so bald nicht ganz versiegen.

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