Wasseraufbereiter
Die gefilterte Wahrheit von Evodrop

Die Erfolgsgeschichte des einst gefeierten Start-ups und seines Gründers Fabio Hüther entlarvt sich als ein Haufen Ungereimtheiten und falscher Angaben.
Publiziert: 08.04.2024 um 10:28 Uhr
|
Aktualisiert: 08.04.2024 um 12:23 Uhr
andrea_haefely_1.jpg
Andrea M. Haefely
Beobachter

Nichts Geringeres als «perfektes Trinkwasser» verspricht die Firma Evodrop. Die Filteranlagen des Start-up-Unternehmens sollen Leitungswasser entkalken, reinigen, «vitalisieren» und so bekömmlicher machen. Die Wirksamkeit der Systeme will die Firma, die laut eigenen Angaben über 30’000 Kundinnen und Kunden hat, mit Zertifikaten und Prüfberichten belegen. Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Es ist nicht alles wahr, was der Gründer und CEO der Firma, Fabio Hüther (28) behauptet.

Schon die Frontpage der Evodrop-Website strotzt vor Unwahrheiten, wie die Recherche des «Beobachters» zeigt. «Mit 6 Patentfamilien und 25 Patenten sowie aktiven Patentanmeldungen etablieren wir einzigartige Produkte auf dem Markt», steht da. Nachforschungen beim Institut für Geistiges Eigentum zeigen: Auf Fabio Hüther sind gerade einmal sechs Patentanmeldungen verzeichnet, fünf davon ohne Patentrecherche. Letzteres bedeutet, dass der Nachweis der «Neuartigkeit und erfinderischen Tätigkeit» bislang nicht erbracht ist.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

Probieren Sie die Mobile-App aus!

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

Probieren Sie die Mobile-App aus!

Der Lebenslauf von Evodrop-Gründer Fabio Hüther liest sich vorteilhafter, als es die Realität erlaubt.
Foto: Christian Schnur
1/5

Die angeforderten physischen Beweise, dass tatsächlich 25 Patente und Anmeldungen existieren, lieferte Evodrop nicht. «Jede Nationalisierung gilt als einzeln angemeldetes Patent», hiess es stattdessen.

«Bekannt aus ‹Tages-Anzeiger› und ‹K-Tipp›», steht da auch. Aber weder die Schweizer Mediendatenbank noch eine Internetrecherche bringen entsprechende Artikel zutage. Evodrop gibt auf Anfrage die Daten heraus, an denen sie erschienen sein sollen. Tatsächlich handelte es sich nicht um redaktionelle Artikel, sondern um bezahlte Publireportagen. Genauso wie bei einem Beitrag in der NZZ.

Unter den als Referenzen aufgeführten Unternehmen findet sich manch klingender Name. Doch etliche der vom «Beobachter» angefragten Firmen zeigten sich erstaunt. Sie haben oder hatten keine oder keine nennenswerte Geschäftsbeziehung mit Evodrop und wussten gar nicht, dass mit ihrem Namen geworben wird. Das Logo der SBB ist bereits von der Evodrop-Website verschwunden. Auch die beiden Immobilienfirmen Mobimo und Swiss Prime Site wollen deswegen auf die Firma zugehen.

Evodrop sieht das anders: «Es stimmt nicht, dass wir ohne das Wissen oder ohne entsprechende umgesetzte Projekte oder Erlaubnis Logos genutzt haben. Dies ausnahmslos.»

Fragwürdige Zertifikate

Unstimmigkeiten gibts auch bei den verschiedenen Zertifikaten für die Wasserfiltersysteme. Zum Beispiel jenes der US-Lebensmittelbehörde FDA. Die chinesische Zertifizierungsfirma, die es ausgestellt haben soll, kennt das Dokument nicht. Zwei weitere von der renommierten Zertifizierungsfirma SGS ausgestellte Papiere sind laut SGS ebenfalls keine Originale: «This is not an original SGS document. This document is thus of no value whatsoever and we advise you not to rely on it for any purpose», heisst es auf Anfrage bei beiden Papieren (auf Deutsch: Dies ist kein Originaldokument von SGS. Dieses Dokument ist daher von keinerlei Wert, und wir raten Ihnen, sich in keiner Weise darauf zu verlassen).

Man habe die Anlage sehr wohl prüfen lassen, behauptet Evodrop-Pressesprecher Luciano Novia. Die Berichte würden «die offiziellen Kennzeichennummern besitzen, die die Authentizität der Prüfberichte untermauern». SGS wolle aber nicht, dass man das Logo auf der Website nutze. Vielmehr solle man den Prüfbericht nur auf Anfrage herausgeben.

Die angesprochenen Nummern lassen sich auf der SGS-Website nicht verifizieren.

Dafür existiert der Laborbericht des akkreditierten Interlabor Belp, das Evodrop-Wasser im Herbst 2018 auf 614 Schadstoffe untersucht hat, gleich in drei Versionen.

«Optimierter» Prüfbericht

Das Original war gemäss «Beobachter»-Recherchen nie auf der Evodrop-Website publiziert. Auf der älteren veröffentlichten Version fehlt jene Seite, auf der die Ergebnisse zu bakterieller Kontamination stehen. Die jüngste Version ist von ursprünglich sechs auf vier Seiten zusammengekürzt, die Seiten wurden neu nummeriert. Unter anderem fehlt folgende Passage im Abschnitt zu Pestiziden: «Da sich durch den zunehmenden Rückdruck (Verblockung des Systems) der Anteil des Spülwassers gegenüber dem aufbereiteten Wasser ständig erhöhte, war keine dritte Probenentnahme möglich.»

Auf die Frage, ob es sich beim publizierten Papier um den Originalbericht handle, sagt Evodrop-Sprecher Novia, man habe das Prüfresultat von der Vorgängerfirma Umuntu übernommen. Olivier Aebischer vom Interlabor Belp: «Das ist ärgerlich und widerrechtlich. Ohne unsere Genehmigung dürfen keine Auszüge aus unseren Testberichten veröffentlicht werden. Da dies gegen unsere Werte verstösst, werden wir auf Evodrop zugehen.»

Viele auf der Evodrop-Site publizierten Studien befassen sich mit dem gezielten, anhaltenden Clustering von Wassermolekülen und deren Nutzen für die Gesundheit. Letzterer ist wissenschaftlich nicht belegt und wird der Esoterik zugeschrieben. Die technische Machbarkeit eines solchen Verfahrens gilt in der Wissenschaft als unmöglich: Die Lebensdauer einer Wasserstoffbrückenbindung liegt typischerweise im Bereich von 1 bis 20 Picosekunden und ist damit viel zu kurz, um bis zum Verbraucher transportiert werden zu können, wie dies nötig wäre.

Auch um die Unabhängigkeit etlicher dieser Studien ist es nicht gut bestellt. Evodrop-Gründer Hüther ist bei diversen als Co-Autor aufgeführt.

Die Uni weiss von nichts

Der Lebenslauf von Jungunternehmer Fabio Hüther liest sich ebenfalls vorteilhafter, als es die Realität erlaubt. Seine Geschichte: Als Achtjähriger erkrankte er an Knochenkrebs. Diese «Nahtoderfahrung» habe ihn das Leben in der Schweiz hinterfragen lassen, wie er in Interviews erzählte. Mit 14 habe er deshalb den gemeinnützigen Verein «Bee the Change» gegründet, mit dem er «gambalesischen» Schulkindern zu Bildung verholfen haben will. Weil eines der Patenkinder wegen verseuchten Wassers an Cholera gestorben sei, habe er sich «dem Wasser gewidmet».

Parallel zum Aufbau seines Hilfswerkes, das er zwischenzeitlich in Umuntu Movement umbenannte, will er ein Ingenieurstudium an der Makerere University in Kampala, Uganda, absolviert haben. «Herr Hüther hat den Abschluss im Jahr 2022 rechtmässig und würdevoll erlangt. Des Weiteren haben wir dank unserem epochalen Landwirtschaftsprojekt respektive technologischer Innovation in Uganda die Ehrenwürde kredenzt bekommen», lässt er via Pressesprecher Novia auf Anfrage verlauten.

Doch an der renommierten Uni weiss man nichts von Hüthers Master in «Environment and Natural Ressource Management» und dem Ehrendoktor in «Agriculture and Biosystems Engineering», mit dem er auf LinkedIn prahlt. Von Seiten der Universität heisst es dazu: «Gründliche Nachforschungen in unserer akademischen Datenbank haben ergeben, dass Fabio Hüther für keines unserer akademischen Programme zugelassen und registriert wurde. Er hat an der Makerere University keinen Studiengang abgeschlossen.»

Gesichert ist: Hüther hat eine Lehre als Drucktechnologe absolviert und danach die TGZ abgeschlossen. Zu einem Studium legitimiert dieser Abschluss nicht. Bei der TGZ handelt es sich um eine Höhere Fachschule «für Branchenangehörige des Druckgewerbes ohne Berufsmaturität», wie der Website zu entnehmen ist.

Bei den Nationalratswahlen 2019 kandidierte Hüther für die Jungen Grünen ohne entsprechende Ausbildung als «Umweltingenieur». Er sei damals bereits über die Online-Weiterbildungsplattform Coursera für ein Fernstudium «Environmental Engineering» immatrikuliert gewesen, kontert Evodrop. Wo genau, bleibt offen.

Die Zewo warnt

Die Vorgängerfirma Umuntu, die sich in Liquidation befindet, gab ihren Namen dem Umuntu Movement. Die NGO schreibt sich nicht weniger als vier Ziele auf die Fahne: sauberes Wasser durch Evodrops Wasserfiltertechnologie; reine Luft durch Baumpflanzung weltweit; biologische Nahrung durch nachhaltige Permakultur und «sinnhafte Bildung».

An Umuntu spenden lässt sich bequem über die Website. Wer möchte, kann sich gleich einen Steuernachweis ausstellen lassen. Verschwiegen wird, dass der Verein laut Auskunft der Thurgauer Steuerbehörde nicht steuerbefreit ist und Spenden deshalb auch nicht abzugsfähig sind. Die Zertifizierungsstelle für gemeinnützige Vereine Zewo warnt zudem auf ihrer Website vor Umuntu Movement – wegen mangelnder Transparenz.

«Umuntu ist nicht steuerbefreit», gesteht Evodrop ein. Es gebe aber Kantone, in denen eine Spende an Umuntu Movement trotzdem abzugsfähig sei. Und bei der Zewo mache man nicht mit, weil es zu viel koste. Zudem sei die Zewo selbst «in den Medien schon mehrmals als ‹suspekte Firma› bezeichnet worden».

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.