«Wir sind keine Weltpolizisten»
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Spuhler erklärt Minsk-Verbleib:«Wir sind keine Weltpolizisten»

Warum Peter Spuhler (63) in Belarus bleibt
«Wir bauen keine Produkte für Oligarchen, sondern für die breite Bevölkerung»

Stadler-Rail-Patron Peter Spuhler musste sich in den letzten Wochen einiges an Kritik anhören, warum er sein Werk in Belarus nicht geschlossen hat. Im Blick-Interview erklärt er seine Motive. Das Werk in Belarus ist für Spuhler mit einer klaren Mission verbunden.
Publiziert: 15.03.2022 um 18:08 Uhr
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Aktualisiert: 15.03.2022 um 18:35 Uhr
Martin Schmidt

Stadler Rail hat im letzten Jahr zahlreiche Rekorde gebrochen. Der Auftragsbücher sind mit 17,9 Milliarden Franken voll wie nie, der Umsatz mit 3,6 Milliarden auf einem neuen Höchststand. Trotzdem sind die Analysten mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden. Das Unternehmen konnte aufgrund der Pandemie-Folgen und exorbitant hohen Rohstoffpreisen die erhofften Gewinn-Margen nicht erfüllen. Und dann wäre da noch das alles dominierende Thema, das Patron Peter Spuhler (63) in den letzten Wochen auf Trab hielt: das Stadler-Werk im Land des Russland-Verbündeten Belarus.

Ihre Auftragsbücher sind voll, doch Sie müssen wegen der Sanktionen Produktionskapazitäten aus Belarus abziehen. Wird das Stadler Rail aus der Erfolgsspur werfen?
Peter Spuhler: Wir müssen wegen der Sanktionen gewisse Aufträge aus Belarus heraus in die Schweiz und nach Polen verlagern. Anlagen, die wir nun in Belarus haben, sind teilweise bereits nach Polen befördert worden. Doch die Sanktionen treffen uns eigentlich nicht so hart. Von all unseren Aufträgen im Umfang von 18 Milliarden, werden nur 2 Prozent in Minsk abgewickelt. Es ist absolut möglich, diese Kapazitäten innerhalb kurzer Zeit zu verlagern.

Halten Sie dauerhaft an Ihrem Werk in Belarus fest?
Ja. Es ist meine Überzeugung, dass wir solche Staaten wirtschaftspolitisch in den Westen einbinden müssen. Dadurch können wir mithelfen, den Demokratisierungsprozess voranzutreiben. Ich möchte auch betonen, dass wir ja nicht Produkte für Oligarchen bauen. Unsere Produkte haben einen alltäglichen Nutzen für die breite Bevölkerung. Aus diesem Grunde habe ich auch kein schlechtes Gewissen, dass wir das tun.

Stadler-Rail-Patron Peter Spuhler (63) freut sich über einen Rekordumsatz und volle Auftragsbücher.
Foto: keystone-sda.ch
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Ein Demokratieexport hört sich ja schön an, doch wie will Stadler Rail hier helfen?
Wir haben sehr viele gute Mitarbeiter aus Belarus in der Schweiz, in Deutschland und in den USA eingesetzt und ausgebildet. Diese Mitarbeiter lernen neue Sprachen und das westliche Gedankengut kennen und gehen dann wieder zurück nach Belarus, wo sie die westlichen Werte weitergeben. So können wir im Kleinen helfen, den Demokratisierungsprozess voranzutreiben.

Sie hätten also ohne Sanktionen gegen Belarus ganz normal weiterproduziert?
Mir wird ständig gesagt, dass wir Sanktionen ergreifen müssten. Wir sind als Unternehmen nicht Weltpolizist. Dafür gibt es supranationale Organisationen wie die Uno, die EU, wie die OSCE. Sie sind in der Verantwortung, müssen entsprechend die politische Situation beurteilen und Sanktionen aussprechen. Selbstverständlich halten wir uns zu 100 Prozent an die Sanktionen.

Die Kritik an Unternehmen, die in Weissrussland oder Russland aktiv sind, kommt von allen Seiten. Stört Sie dieser Moralismus?
Nein, viele dieser Kritiker kennen die Situation gar nicht. Ich kann nur wiederholen, dass es wichtig ist, dass wir als Unternehmer unseren Beitrag leisten. Und das ist eben nicht, Sanktionen auszusprechen. Sondern die Bevölkerung zu überzeugen, dass die westeuropäischen Werte und die Demokratie gute Sachen sind.

Viele Firmen haben aufgrund der Sanktionen oder aus Angst vor einer Rufschädigung ihre Standorte im Osten vorübergehend geschlossen, ihre Mitarbeiter aber behalten. Stadler Rail baut gleich radikal viele Hundert Arbeitsplätze ab. Weshalb?
Durch die Sanktionen ist der Auftragsbestand in Belarus kleiner geworden. Wir müssen die Kapazitäten verlagern und das hat zurfolge, dass weniger Angestellte benötigen. Wir haben die Zahl der Mitarbeiter in Belarus bereits von 1700 auf 1150 reduziert und dürften in den nächsten Monaten bei 700 bis 800 Personen angelangt sein. Einen Teil der Mitarbeiter setzen wir in Werken in anderen Ländern ein. Für alle anderen gleisen wir freiwillig einen Sozialplan auf, weil die Arbeitslosenversicherung in Belarus relativ bescheiden ist. Als Unternehmer sind wir für unsere weissrussischen Angestellten verantwortlich.

Wie viel Geld werden die Mitarbeiter über diesen Sozialplan erhalten?
Das kann ich so nicht sagen. Das kommt auch darauf an, wie viele Stellen wir abbauen müssen und wie lange der Prozess dauert. Wir rechnen damit, dass sich alle Kosten, die durch die Verlagerung und den Sozialplan anfallen, im niedrigen einstelligen Millionenbereich liegen.

Wie soll es im Werk in Belarus weitergehen, wenn der Ukraine-Krieg einmal vorbei ist?
Wir sind nach wie vor überzeugt, dass es wichtig ist, dass wir in diesen Ländern investieren, Mitarbeiter ausbilden und den Demokratisierungsprozess vorantreiben. Und das tun wir. Wir sind auch von der Qualität des Werks in Belarus und den Mitarbeitern überzeugt und hoffen, dass wir dort in Zukunft wieder zur alten Stärke zurückkehren können.

Sind wegen des Werks in Belarus in diesem Jahr ausserordentliche Abschreibungen vorgesehen?
Nein, im Moment gehen wir davon aus, dass wir dort nicht enteignet werden und wir das Werk nur vorübergehend stark herunterfahren.

Der Ukraine-Krieg dürfte sich auch auf Lieferketten auswirken, die bereits unter der Corona-Pandemie gelitten haben. Erwarten Sie Engpässe?
Wir sind mit unseren Lieferketten weder in Russland noch in der Ukraine involviert. Deswegen gehe ich aus, dass wir im Gegensatz zu anderen Unternehmen keine Auswirkungen spüren werden.

Der Krieg selber hat aber direkte Auswirkungen auf die Rohstoffpreise, mittelfristig vielleicht auch auf die Nachfrage?
Bei der Nachfrage sehen wir die Situation entspannt. Wir haben einen rekordhohen Auftragsbestand. In den nächsten Jahren wird das kein Problem sein. Die Rohstoffpreise sind da schon heikler. Die Aluminiumpreise sind enorm gestiegen. Sollte nichts völlig Überraschendes passieren, haben wir das aber im Griff. Wir beurteilen die Situation allwöchentlich in unserer Taskforce und schauen, ob wir neue Massnahmen beschliessen und umsetzen müssen. Aktuell ist vieles schwer planbar, aber das ist Unternehmertum.

Hat man aufgrund der geopolitischen Lage die angepeilten Wachstumsmärkte angepasst, weg von Osteuropa vermehrt in Richtung Westen?
Nein. Wir waren ja nie wahnsinnig erfolgreich in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Den Durchbruch im riesigen Bahnmarkt Russland haben wir im Gegensatz zu Alstom oder Siemens, die dort sehr erfolgreich agieren, nicht geschafft. Wir waren mehr der Rosinenpicker rundherum und hatten Aufträge in Georgien oder Aserbaidschan.

Wird der osteuropäische Markt weiter an Bedeutung verlieren?
Wir werden weiterhin versuchen, über unser Werk in Minsk die Staaten in Osteuropa abzudecken. Europa ist und bleibt der grösste Bahnmarkt mit einem jährlichen Auftragsvolumen von 12 Milliarden. Dort sind wir sehr gut positioniert und haben mit neuen Produkten die Möglichkeiten, unsere Marktanteile weiter auszubauen.

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