Von Fake-Häusern und Millionenverlusten
Der Immobilien-Krimi aus Zug

Eine Firma in Zug versprach hohe Renditen mit deutschen Immobilien. Die Käufer müssen nun Kredite zahlen für Projekte, die nie gebaut wurden.
Publiziert: 01.06.2024 um 13:57 Uhr
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Aktualisiert: 01.06.2024 um 14:07 Uhr
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Carmen SchirmAutorin Handelszeitung

Früh am Morgen, 5.10 Uhr. In Steinhausen im Kanton Zug fahren Polizisten im Streifenwagen vor. Die erste von mehreren Hausdurchsuchungen mit dem süffisanten Decknamen «Luftschloss» beginnt. M. F. (44, Name der Redaktion bekannt), Inhaber der BG Business Group AG, wird an diesem 5. Oktober unsanft aus dem Schlaf geklingelt. Er und sein Partner haben ein undurchsichtiges Geflecht an Immobilienfirmen in Deutschland und der Schweiz aufgebaut. Ihre Firmen werden an diesem Tag auf den Kopf gestellt. Die Polizei beschlagnahmt Laptops und Handys, sichert Daten an Ort und Stelle – 1,4 Terabyte. Mit dabei ist ein deutscher Kriminalbeamter, denn Drahtzieher der Aktion war die Staatsanwaltschaft Stuttgart. 

Verkehrte Welt. Einst überquerten deutsche Fahnder und Fahnderinnen die Grenze, um deutsche Steuersünder auf Anweisung des früheren deutschen Finanzministers Peer Steinbrück «mit der Kavallerie» aufzuspüren. Heute verfolgen deutsche Fahnder Schweizer Bürger, die Kunden und Kundinnen dies- und jenseits der Grenze mit deutschen Immobilieninvestments über den Tisch gezogen haben sollen.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Im Dezember 2022 war ein deutsches Rechtshilfeersuchen beim Bundesamt für Justiz in Bern eingetroffen. Nun schlug man zu. Die Vorwürfe sind happig: Betrug und Untreue. Konkret geht es um 44 Immobilienprojekte, die zwischen 2017 und 2021 an 114 Private verkauft wurden, die Mehrheit davon Schweizer und Schweizerinnen. Gebaut wurden die allermeisten Projekte nicht. Die BG Business Group AG ist in Liquidation. Der mutmassliche Schaden dürfte bei rund 80 Millionen Franken liegen. 

Die BG Business Group AG in Zug verkaufte Investorinnen und Investoren Beteiligungen an Immobilienprojekten in Süddeutschland.
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Null Risiko, kein Eigenkapital

Doch der Reihe nach. Für Gian (Name der Redaktion bekannt) sah es nach einer sicheren Investition aus. Ein Hochglanzprospekt, Projekte nahe der Grenze im süddeutschen Raum. Detaillierte Bauskizzen und Angebotsunterlagen zeigten auf, wie viel Geld mit der Vermietung dieser Immobilien verdient werden kann. Es würden nur noch wenige der acht Wohneinheiten des Projekts Erbach zum Verkauf stehen, flötete ihm ein Verkäufer der BG Business Group ins Ohr. Man gebe sogar eine Erstvermietungsgarantie ab. Es sei eine sichere Geldanlage, mit null Risiko.

Zum Schluss die Superlative: Gian benötigt keine eigenen Mittel für das Investment. Die Eigentumswohnung, die er kaufen will, kann zu 100 Prozent mit Fremdmitteln finanziert werden. In der Schweiz braucht er mindestens 20 Prozent Eigenkapital dafür. Gian erfährt, dass er sich um nichts kümmern muss. Die Kosten für Notariate, Grundbuchämter, Zins- und Tilgungszahlungen gegenüber der Bank bis zur Erstvermietung übernimmt die BG Business Group. Alles ist von A bis Z durchorganisiert.

So sitzt Gian wenig später in der Filiale der Volksbank Krautheim im Norden Baden-Württembergs, die Bankmitarbeitenden dort hat er nie zuvor gesehen. Sie legen ihm die fixfertigen Bankdokumente vor. 15 Minuten, eine Unterschrift und ein «Duzis» später ist alles erledigt. Das war 2020.

Und heute: Das Grundstück, auf dem das Mehrfamilienhaus stehen sollte, ist nach wie vor jungfräulich. Kein Bagger, kein Aushubloch, nichts. Bei der BG Business Group hatte man stets neue Ausreden parat. Den Chef der Firma bekam Gian nie zu Gesicht. Er agiert nur aus dem Hintergrund. Wie Recherchen zeigen, vermittelte M. F. ursprünglich Finanz- und Versicherungsprodukte. Ab 2010 trat er als selbstständiger Projektentwickler für Immobilien auf. Diese finanzierte er unter anderem via Crowdfunding, worauf die Aufsichtsbehörde Finma 2023 ein Verfahren einleitete, das noch läuft. Standesgemäss lebt er im steuermilden Kanton Zug, fährt einen Jaguar XJ.

Volksbank setzt ihm das Messer an den Hals

Dann der Mega-GAU. Mitte 2023 wird klar, dass die BG Business Group überschuldet ist und liquidiert werden soll. Gleichzeitig wird Gian von der Volksbank Krautheim aufgefordert, die Kreditraten, die bislang die BG Business Group bezahlt hatte, zu begleichen. Schliesslich kündigt die Bank den Kredit und fordert die Rückzahlung der Kreditsumme von 250’000 Euro. Als Gian sich weigert, erhält er eine Betreibung der Bank. In anderen Worten: Gian soll der Bank in Krautheim Geld zurückzahlen, das er nie gesehen hat und das ihm nie zugutegekommen ist. Geld für eine Wohnung, die nie gebaut wurde. Nebst Gian gibt es zahlreiche weitere Käufer und Käuferinnen, die von der Volksbank Krautheim betrieben werden. 

Wohin ist das Geld? Warum wurde nicht gebaut? Bei der BG Business Group weist man jegliche Verantwortung von sich. Man gibt dem beauftragten Generalunternehmen die Schuld. «Es ist augenscheinlich, dass Herr E. J. (der Generalunternehmer, Name der Redaktion bekannt) die von uns zweckgebundenen, überwiesenen Gelder nicht für die dafür vorgesehenen Baustellen verwendet hat», so der ehemalige Finanzchef. «Wir gehen davon aus, dass er die Gelder für eigene Bauprojekte und zur Finanzierung seines privaten Lebensstils verwendet hat.»

Man befinde sich seit Sommer 2021 in einem Rechtsstreit mit E. J. Dessen Baufirma wurde mittlerweile aufgrund Überschuldung liquidiert. Mit einer neuen Baufirma unter einem neuen Firmennamen ist er bereits wieder am Start. Eine Anfrage der «Handelszeitung» liess er unbeantwortet.

Untätigkeit der Schweizer Behörden

Bei der BG Business Group indes sollen sich Gläubigerforderungen von mindestens 80 Millionen Franken angehäuft haben. Zumindest habe das Konkursamt Zug bei 80 Millionen aufgehört, weiter zu zählen, heisst es aus Gläubigerkreisen. Im Februar 2024 wurde das Konkursverfahren gegen die Firma mangels Aktiven eingestellt. Für Gian ist die Konkurseinstellung ein Schlag ins Gesicht. Damit hat sich seine Hoffnung zerschlagen, einen Teil des Kaufpreises zurückzuerhalten. Das Grundstück in Erbach ist vorhanden, es könnte veräussert werden.

Doch durch den Entscheid des Konkursamts soll das Grundstück nicht vom Konkursamt verwertet und verkauft werden, sondern von der BG Business Group. Eine Aufsicht darüber gibt es nicht. «Wird die Einstellung des Konkurses rechtskräftig, werden wir umgehend mit der Veräusserung der Liegenschaften an die vorhandenen Interessenten und Interessentinnen beginnen», schreibt deren Ex-Finanzchef. Ziel sei es, mit dem Verkauf die Kundschaft vollumfänglich schadlos zu halten. Gian glaubt keine Sekunde daran. 

Für Gian ist die «Untätigkeit der Schweizer (Untersuchungs-)Behörden» ein Skandal. «Man versteckt sich hinter Vorschriften.» Die Staatsanwaltschaft Zug überlässt die Untersuchung den deutschen Kollegen. Eine doppelte Strafverfolgung sei nicht zulässig, heisst es dort. Das Konkursamt in Zug schiebt den Fall ebenfalls ab. Eine Veräusserung von Grundstücken in Deutschland von der Schweiz aus wäre zu kompliziert. 

Fragwürdige Rolle der Banken

Besonders fragwürdig ist die Rolle der deutschen Volksbanken. Neben der Volksbank Krautheim sind zahlreiche andere Volksbanken involviert. Obwohl jahrelang keine Bautätigkeit vonstattenging, wurden weiterhin Kredite gewährt. Die Baufortschritte wurden nicht kontrolliert, obwohl bei manchen Projekten quasi ein Blick aus dem Fenster gereicht hätte, um zu sehen, dass auf der vermeintlichen Baustelle kein Bauarbeiter anzutreffen war.

Die Volksbank Rhein-Wehra wiederum war nicht bloss Kreditgeber für die Schweizer Kunden, sondern auch für die BG Business Group beim Erwerb der Grundstücke. Beide Volksbanken wollten zu dem Fall keine Stellungnahme abgeben. 

Es wird wohl noch lange dauern, bis dieser Krimi vollständig geklärt werden kann. So lange gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.

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