Vincenz-Urteil aufgehoben!
Es gibt heute nur Verlierer

Das Zürcher Obergericht hat das erstinstanzliche Urteil gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz aufgehoben. Es braucht nun eine neue Anklage. Die Extrarunde ist ein Debakel für die Beteiligten, schreibt Wirtschaftschef Ulrich Rotzinger.
Publiziert: 20.02.2024 um 16:53 Uhr
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Ulrich RotzingerWirtschaftschef

Zurück auf Feld Eins! Der grösste Wirtschaftsprozess seit Jahrzehnten, er muss neu aufgerollt werden – wegen «schwerwiegenden Verfahrensmängeln». Schuldig! 3 Jahre und 9 Monate Knast für Pierin Vincenz. Eigentlich ein klares und scharfes Verdikt gegen den Ex-Starbanker, der vor fast zwei Jahren unter anderem wegen Veruntreuung, Betrug und Urkundenfälschung verurteilt wurde.

Nun also eine Extrarunde. Was für ein Debakel für alle Beteiligten! Hier gibt es nur Verlierer. Für die Hauptbeschuldigten Pierin Vincenz und Beat Stocker ist der Beschluss des Obergerichts kein Freispruch. Die angelasteten Vergehen verjähren durch die Verzögerung auch nicht. Bis ein finales, rechtskräftiges Urteil vorliegt, geht es jetzt aber massiv länger. Pierin Vincenz wird weit über 70 Jahre alt sein, bis er weiss, ob er ins Gefängnis muss. Sein Vermögen bleibt sichergestellt, seine Gelder werden nicht freigegeben.

Die Urteilsaufhebung mit der Begründung «ausschweifende Anklageschrift» ist peinlich für das Staatsanwaltstrio um Marc Jean-Richard-dit-Bressel. Rechtsprofessor Peter V. Kunz bezeichnet diese Schrift als «grottenschlecht». Waren die Egos der Staatsanwälte zu gross und die Faktenlage zu dünn, um eine präzisere Anklage zu formulieren? Offenbar ja. Eine Klatsche ist der Beschluss auch fürs Bezirksgericht. Es hätte die Anklageschrift im Plauderton zurückweisen müssen, anstatt das Urteil nonchalant und in aller Schnelle zu fällen.

Der grösste Wirtschaftsprozess seit Jahrzehnten, er muss neu aufgerollt werden – wegen «schwerwiegender Verfahrensmängel». Im Bild: Pierin Vincenz, Prozess in Zürich im April 2022.
Foto: keystone-sda.ch
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Der grösste Verlierer ist heute der Rechtsstaat. Fälle wie dieser ritzen am Vertrauen und Glauben in die Rechtssprechung.

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