Viele kriegen von Swiss Life keine Mietreduktion – doch keiner muckt auf
Die grosse Angst vor dem Immobilienhai

Zahlreiche KMU hoffen bisher vergeblich auf ein ­Entgegenkommen des Grosskonzerns bei der Miete. Ihr Ärger ist gross. Doch ihren Unmut öffentlich zu äussern, trauen sie sich nicht.
Publiziert: 23.05.2020 um 23:46 Uhr
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Aktualisiert: 25.05.2020 um 19:14 Uhr
Swiss Life gehören in den Schweizer Städten zahlreiche Immobilien an Toplagen. So etwa dieses Gebäude am Utoquai in Zürich.
Foto: Homegate
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Thomas Schlittler

Swiss Life ist die grösste pri- vate Immobilienbesitzerin der Schweiz. Dem Lebensver­sicherungskonzern gehören hier mehr als 1300 Liegenschaften. ­Gesamtwert des Portfolios: 33 Milliarden Franken.

In der Corona-Krise wurde Swiss Life damit für Hunderte kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) wichtiger denn je: Wegen des Lockdowns sind sie darauf angewiesen, dass man ihnen bei der Miete entgegenkommt. Anfang April nährte Swiss Life ihre Hoffnungen noch – und verkündete, dass man «Kleinstbetriebe und Selbständige» in der Corona-Krise mit Mietzinsreduk­tionen unterstützen werde.

Nun zeigt sich: Viele KMU, die bei Swiss Life eingemietet sind, müssen trotz Pandemie die volle Miete ­zahlen – insbesondere in Städten wie Zürich und Genf, wo die Geschäftsmieten am höchsten sind.

Fast niemand bekommt Mietzinsreduktion

SonntagsBlick hat mehr als ein Dutzend Swiss-Life-Mieter ausfindig gemacht: Gastronomen, Coiffeure, Juweliere, Inhaber von Fitnesscentern, Papeterien, Freizeitbetrieben und Schönheits­salons. Einige davon sind Selbständige mit nur einem Standort und ­einer Handvoll Mitarbeiter, an­dere etwas grösser mit mehreren ­Filialen und ein paar Dutzend ­Angestellten. Alle sind klassische Schweizer KMU. Doch abgesehen von einem Coiffeur in Basel und ­einer Schneiderei in Zürich hat ­keiner der angefragten Betriebe eine Mietzins­reduktion erhalten.

Eine Gastronomin aus ­Zürich ­ärgert sich: «Seit mehr als zehn Jahren bezahle ich immer pünktlich meine Miete, pro Monat über 20'000 Franken. Insgesamt habe ich Swiss Life also schon fast drei Millionen Franken überwiesen. Und nun wollen sie mir in der Krise kein bisschen entgegenkommen? Das ist absolut unsäglich.»

Die Wirtin möchte anonym ­bleiben – genau wie alle anderen Unternehmer, mit denen SonntagsBlick gesprochen hat. Am Telefon machen sie zwar ihrem Ärger über den unnachgiebigen Konzern lautstark Luft.

Mit Name und Bild aber will ­niemand hinstehen. Alle haben Angst, dass sie bei der nächsten Mietzinsverhandlung mit Swiss Life die Quittung dafür erhalten – sprich: eine Mietzinserhöhung.

KMU fürchten sich

«Der Fall Manor hat ja gezeigt, wie skrupellos Swiss Life mit unliebsamen Mietern umgeht», so der Inhaber eines Detailhandels­betriebs mit zwei Dutzend Angestellten. Zur Erinnerung: Manor musste seine Niederlassung an der Zürcher Bahnhofstrasse Ende Januar räumen, weil das Warenhaus nicht bereit war, eine Mietzins­erhöhung von 6,3 auf 19 Millionen pro Jahr zu akzeptieren. «Wenn Swiss Life sogar mit Manor so umspringt, was droht dann einem ­Kleinen wie mir?», fragt sich der Unternehmer.

Um seine Angst zu verstehen, muss man wissen: Sobald ein ­Mietvertrag ausgelaufen ist und Verhandlungen über eine Verlängerung anstehen, sitzen Geschäftsmieter am kürzeren Hebel. Denn ­obwohl sie nur eingemietet sind, ­investieren sie zu Beginn oft mehrere Hunderttausend Franken in die Inneneinrichtung einer Liegenschaft – etwa für massgeschreinerte Tische, Bänke und Regale oder die perfekte Küche. «Ein Gastronom will deshalb in der Regel um jeden Preis verhindern, dass er umziehen muss – und das wissen die Eigentümer», sagt Urs Pfäffli (57), Präsident von Gastro Zürich-City.

«Swiss Life hat Vereinbarungen ausgearbeitet»

Swiss Life sieht sich selbstverständlich nicht als Immobilienhai, der seine Marktmacht knallhart ausspielt, sondern als grosszügige Eigentümerin, die ihren Mietern in der Krise entgegenkommt. «Bis heute hat Swiss Life rund 430 Vereinbarungen für Mietzinserlasse und -reduktionen ausgearbeitet», sagt Mediensprecher Florian Zingg. Weitere 100 seien in Bearbeitung.

Dass viele Geschäftsmieter dennoch leer ausgingen und Bedenken haben, sich öffentlich über das Verhalten von Swiss Life zu beklagen, will der Konzern nicht wahrhaben. Zingg: «Diese These entbehrt jeglicher Grundlage.» Viele Gewerbemieter schätzten das Vorgehen von Swiss Life wie auch die vielfach langjährige Partnerschaft sehr: «Wir erhalten viel positives Feedback.»

Swiss Life gesteht aber ein: Unterstützt werden lediglich Mieter, deren Miete nicht über 5000 Franken liegt. «Das sind aber rund 60 Prozent ­aller Geschäftsmieter.»

Swiss Life widerspricht Mietern

Das Problem: In Städten wie Genf und Zürich bezahlt kaum ein Geschäftsmieter weniger als 5000 Franken Miete. Urs Pfäffli dazu: «Mir ist in der Stadt Zürich kein einziges Restaurant bekannt, das weniger als 5000 Franken Miete bezahlt.» Zingg von Swiss Life hält dagegen: «Das stimmt schlicht nicht. Unser Lösungsansatz funktioniert in der ganzen Schweiz, auch in Zürich.»

Die Fronten sind verhärtet. B­etriebe, die bis jetzt keine Mietzinsreduktion erhielten, hoffen nun auf Unterstützung aus Bundesbern. Und diese bahnt sich an: Die Chancen stehen gut, dass das Parlament im Juni einen Mietzins­erlass von 60 Prozent für die Dauer des Lockdowns beschliessen wird.

Rente-Geld für grosse Konzerne

Swiss-Life-CEO Patrick Frost (51) stösst das sauer auf. «Ich ärgere mich wirklich enorm über diesen Vorschlag», sagte er im Interview mit der «SonntagsZeitung». «Wenn das Parlament tatsächlich Mieten bis zu 15'000 Franken mit einbezieht, würde uns das rund zehn Mil­lionen Franken kosten.» Die ­Politik nehme damit angehenden Rentnern Geld weg, um es grossen Konzernen zu geben.

Was Frost verschweigt: 2019 kassierte der Swiss-Life-Konzern Mieteinnahmen in Höhe von 1276 Millionen Franken. Die allfälligen Ausfälle von zehn Millionen Franken entsprechen demnach 0,8 Prozent der letztjährigen Mietzins­einnahmen. Das dürfte verkraftbar sein. Immerhin konnte Swiss Life ihren Aktionären für das Geschäftsjahr 2019 672 Millionen Franken an ­Dividenden ausschütten – 35 Mil­lionen davon an die US-Investmentgesellschaft Blackrock.

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