Foto: Blick Sport Paolo Foschini

Urs Rohners Bilanz bei der CS
Der Hürdenläufer, der zehn Jahre auf der Stelle trat

Die Verluste bei Archegos und Greensill verpatzen Urs Rohner (61) den Abgang als Präsident der Credit Suisse. Doch auch sonst fällt seine Bilanz durchzogen aus: Die CS ist kleiner und weniger wert, ihre fundamentalen Probleme sind nicht gelöst.
Publiziert: 03.04.2021 um 10:38 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2021 um 08:54 Uhr
Guido Schätti und Christian Kolbe

Aktionäre erleben magere Zeiten. Mit üppigen Büffets und schönen Bhaltis an Generalversammlungen wird auch dieses Jahr nichts. Wegen Corona finden die Aktionärstreffen nur virtuell statt.

Einer kann froh sein darüber: CS-Präsident Urs Rohner (61) hätte bei seiner letzten GV am 30. April die Wut der CS-Besitzer zu spüren bekommen. Die CS steckt mittendrin bei der Pleite des US-Hedgefonds Archegos, der Verlust dürfte in die Milliarden gehen. Der Aktienkurs stürzte diese Woche um 17 Prozent ab. Nun kann Rohner einfach den Ton abschalten, wenn es ihm zu bunt wird.

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Voller Körpereinsatz: Als CEO von ProSiebenSat.1 stürzt sich Rohner 2004 auf einem Wok die Olympia-Eisbahn in Innsbruck hinunter.
Foto: PEOPPICT
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Der Knaller zum Abschied ist typisch für Rohners Präsidentschaft. In den zehn Jahren bekam er die Risiken des Bankgeschäfts weder extern noch intern in den Griff. Ein Drama in zehn Akten.

1. Der Hoffnungsträger
Schon als Rohner 2004 aus Deutschland in die Schweiz zurückkehrt und Chefjurist bei der CS wird, ist klar: Das wird nicht sein letzter Job bei der Grossbank sein. Der einstige Schweizer Meister im Hürdenlauf, Jurist mit New Yorker Anwaltspatent und ehemalige Boss der TV-Sender Pro Sieben / Sat.1 ist dazu bestimmt, die Nachfolge der Granden Rainer E. Gut (88) und Walter Kielholz (70) anzutreten. Ende April 2011 wird er zum Präsidenten des Verwaltungsrats gewählt.

2. Die Blossstellung
Das Selbstbewusstsein der CS-Spitze mit Rohner und CEO Brady Dougan (61) ist enorm. Kaum ein andere globale Bank kam besser durch die Finanzkrise, der «Economist» erklärt die CS zum besten Finanzinstitut der Welt. Umso brutaler die Demütigung im Sommer 2012: Die Nationalbank prangert die CS als Risiko für die Stabilität des Finanzsystems an und fordert ultimativ mehr Eigenkapital. Rohner und Dougan wehren sich erst mit Händen und Füssen dagegen – und pumpen dann doch die Aktionäre um neues Geld an.

3. Die weisse Weste
Die CS hat die zusätzlichen Mittel bitter nötig. Die US-Justiz sitzt ihr im Nacken und fordert ihren Tribut wegen amerikanischer Steuersünder bei der Bank. 2,8 Milliarden Franken Busse muss die CS zahlen, viermal mehr als die UBS – obwohl jene viel tiefer im Schwarzgeldsumpf steckte. Im Radio sagt Rohner den legendären Satz: «Persönlich haben wir eine weisse Weste.» Das kostet ihn viel Kredit. Es sieht aus, als wollte er die Verantwortung auf andere abwälzen.

4. Neuanfang mit Thiam
Investmentbanker Dougan ist der falsche Mann für die Bankenwelt nach der Finanzkrise. Doch erst 2015 ringt sich Rohner zur Trennung durch. Seine Wahl für den neuen CEO ist umso mutiger: Tidjane Thiam (58), Ivorer mit französischem Pass, soll die angeschlagene Escher-Bank flottkriegen. Er hatte beim britischen Versicherer Prudential Wunderdinge vollbracht, das soll er bei der CS wiederholen.

5. Rekordbusse
Bei Thiams Ernennung schiesst der CS-Kurs nach oben. Rohner scheint die richtige Wahl getroffen zu haben. Im Herbst 2015 legt Thiam einen Fünfjahresplan mit fantastischen Wachstumsraten vor. Doch zaubern kann auch er nicht. Der Plan ist ein Papiertiger, dafür steht die US-Justiz wieder auf der Matte: Wegen dubioser Deals im US-Hypothekenmarkt wird die nächste Busse fällig. Die 5,3 Milliarden Dollar bedeuten Schweizer Rekord, kein Ruhmesblatt für den Juristen Rohner.

6. Radikalkur
Thiam findet den Hebel fürs Wachstum zwar nicht, dafür den Hobel zum Sparen. Rigoros fährt er die Kosten herunter, nimmt noch mehr Kapital auf, macht die Bank sicherer. Das zahlt sich aus. Endlich kommen sie doch noch, die guten Jahre für Präsident Rohner. In der Vermögensverwaltung wird die Bank zur Macht. Deren Chef heisst Iqbal Khan (45), er ist der neue Regenmacher.

7. Clash der Superstars
Lange kann sich Rohner nicht freuen. Seine beiden besten Pferde geraten aneinander. Am Hauptsitz am Zürcher Paradeplatz, mehr aber noch am Wohnsitz der beiden Nachbarn in der Goldküsten-Gemeinde Herrliberg ZH spielen sich unglaubliche Szenen ab. Thiam stört sich an Bäumen, die Khan pflanzen will, eine Party endet in einem Eklat. Rohner will vermitteln – und scheitert.

8. Überwachungsaffäre
Khan kündigt und heuert bei Erzrivale UBS an. Die CS will verhindern, dass er Kunden und Mitarbeiter abwirbt und lässt ihn überwachen. Doch die Detektive stellen sich so stümperhaft an, dass Khan sie ertappt und zur Rede stellt. Thiam bestreitet, von der Überwachung gewusst zu haben. Die Posse geht durch die Weltpresse, für Rohner wird sie zur Blamage. Lange hält er an Thiam fest – und lässt ihn schliesslich doch fallen.

9. Credit Corona
In der Not kürt Rohner Schweiz-Chef Thomas Gottstein (57) zum neuen CEO. Er ist kein Visionär wie Thiam und kein Strahlemann wie Khan, aber ein grundsolider Macher. Zusammen mit dem Finanzdepartement stampft er das Corona-Kreditprogramm des Bundes aus dem Boden. Credit Suisse – nie mehr seit ihren Anfängen trug die Grossbank ihren Namen mit mehr Recht als im Frühling 2020. Heute ist auch Gottstein angezählt: Der Greensill- und der Archegos-Skandal treffen ihn ebenso wie Rohner.

10. Was bleibt
Ein Muster zieht sich durch Rohners Zeit an der Spitze der CS: Immer sind die Anfänge verheissungsvoll, doch dann wenden sich die Dinge gegen ihn. Der Hürdenläufer tritt an Ort, bestenfalls. In Zahlen fällt seine Bilanz brutal aus, die CS ist heute kleiner, weniger wert und schwächer kapitalisiert als vor zehn Jahren. Die Aktie hat 75 Prozent verloren, während der Gesamtmarkt 70 Prozent zulegte. Nur der Lohn blieb konstant – Rohner erhielt in den zehn Jahren 43 Millionen Franken.

Was hätte er anders machen können? Hatte er einfach Pech oder zahlte er den Preis dafür, dass er kein richtiger Banker ist und ihm die Manager auf der Nase herumtanzen konnten? Klar ist nur etwas: Die Probleme der CS sind nicht gelöst. Diesen Job überlässt Rohner seinem Nachfolger, dem Portugiesen António Horta-Osório (57). Er habe «herausragende Qualitäten», lobt ihn Rohner. Hoffen wir, dass er recht behält.

CS sagt Sorry für Verärgerung
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CS sagt Sorry für Verärgerung:Nach Rassismusvorwürfen von Thiam wegen Rohner-Party
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