Urs Berger (31) sass gestern in der letzten Air-Berlin-Maschine
«Was da abgegangen ist, war einfach sensationell»

Als Urs Berger vor fast fünf Monaten den Flug AB6210 von München nach Berlin-Tegel buchte, konnte er nicht ahnen, was er in der Nacht auf Samstag erleben durfte. Der Schweizer wird es nie vergessen, wie er BLICK am Telefon sagt.
Publiziert: 28.10.2017 um 18:37 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 16:53 Uhr
An Bord geht die Post ab
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BLICK-Leser auf dem letzten Air-Berlin-Flug:An Bord geht die Post ab
Ulrich Rotzinger

Bye-bye, Air Berlin. Mit Flug AB6210 von München (D) zum Heimatflughafen Berlin-Tegel (D) ist die zweitgrösste deutsche Airline seit gestern Nacht Geschichte.

Für die Crew des letzten Air-Berlin-Flugs überhaupt, gab es tosenden Applaus, ein mit Geld der Fluggäste gefülltes Kässli für ein Abschiedsessen und eine Torte. Deren Aufschrift: «Last callsign. AB4EVR. MUC-TXL. 27/10/17.»

Für manche Fluggäste, die gestern Nacht mit in der Maschine sassen, war es ein emotionaler Moment.

«Ich bin immer noch begeistert. Was da an Bord abgegangen ist, war sensationell. Manche haben ihren Emotionen freien Lauf gelassen», sagt Urs Berger (31) zu BLICK. «Ich habe einige beobachtet, wie sie ein Taschentuch hervorholten», so der Schweizer weiter. «Andere haben lauthals immer wieder die Air-Berlin-Hymne 'Flugzeuge im Bauch' gegrölt.»

Berger, der mit einem Kollegen Vincent zufällig auf dem letzten Air-Berlin-Flug landete, spricht von «einer Mischung aus Party und Trauerfeier» an Bord. Der Schweizer ist auch am Samstag noch begeistert, als BLICK mit ihm telefoniert.

Er habe diesen Flug nach Berlin vor vier bis fünf Monaten gebucht. Damals ahnte er noch nicht, was er am Freitag, den 27. Oktober erleben sollte. Die Maschine war gestern vollgestopft mit Journalisten und Planespottern aus aller Welt.

Berger und sein Kollege gehörten zu den wenigen «Namenlosen» an Bord. Nur fünf oder sechs Koffer seien später über das Gepäckband gekommen, erinnert sich Berger.

Vor dem Abflug: Urs Berger (31) mit Kollege Vincent.
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Deutlich weniger als Hundert Euro habe er für seinen Sitzplatz gezahlt. Dafür gabs einen grandiosen Service an Bord des Billigfliegers: Lachs-Schnittchen, Henkell-Sekt und süsse Stückchen à discrétion. «Der Sekt ist offenbar vom Caterer gesponsert worden», lacht Berger. Geld habe dir Airline ja keines mehr.

Herz über Berlin geflogen

Er berichtet vom Überflug über Berlin: «Die Maschine hat mehrere Schleifen ganz tief über der Stadt geflogen», schwärmt Berger. Er habe gar nicht wahrgenommen, dass der Pilot ein Herz über der Hauptstadt geflogen hat.

Für den Stadtrundflug hat Air Berlin eine Spezialbewilligung erhalten. Darum sei der gesamte Flug statt 55 Minuten rund eineinhalb Stunden gegangen, sagt Berger.

Kurz vor Mitternacht dann die Ankunft. Ein Menschenmeer aus Mitarbeitern und Freunden wartete auf der Piste des Flughafens Berlin-Tegel.

«Als wir aus der Flieger ausgestiegen sind, gings durch diese Menschenmasse. Auch wir Passagiere sind abgeklatscht worden wie Rockstars», sagt Berger.

Die Crew habe bei diesem Walk durch die Menge unzählige Geschenke erhalten. «Gänsehaut-Feeling», so der Schweizer.

Zurück in die Schweiz fliegen Berger und sein Kollege später dann mit der Lufthansa-Tochter Swiss. «Es war cool, eine Ehre auf dem letzten Air-Berlin-Flug mit dabei sein zu dürfen», sagt Berger.

Also dann: Tschüss und Bye bye, Air Berlin! 

Wo landet das Personal, wohin kommen die Flieger?

Mit dem letzten Flug der Air Berlin sind längst nicht alle Probleme gelöst. Lufthansa-Chef Carsten Spohr (50) rechnet damit, dass ab heute 80 Maschinen am Boden bleiben. Diese hatte die Kranich-Airline für ihre Billigtochter Eurowings gekauft. Lufthansa will zwar vorübergehend grössere Flugzeuge einsetzen – etwa einen Boeing-Jumbo 747-400 zwischen Frankfurt und Berlin. Dramatische Lücken in den Flugplänen lassen sich aber auch so nicht vermeiden. Sie könnten noch Wochen anhalten.

Spohr rechnet damit, dass es auf gewissen Strecken zu wenige Plätze gibt. Reisende müssten einen späteren Flug nehmen als geplant. Kurz: Das Chaos ist perfekt. Und wohl nicht nur heute. Die 6500 Mitarbeiter erhielten den blauen Brief. Wer will, kann sich bei Eurowings neu bewerben. Allerdings zu einem tieferen Lohn und zu schlechteren Bedingungen. Eine Einigung für die Übernahme der letzten 25 Flugzeuge steht noch aus. Air Berlin verhandelt derzeit mit den letzten beiden Bietern Easyjet und Condor.

Mit dem letzten Flug der Air Berlin sind längst nicht alle Probleme gelöst. Lufthansa-Chef Carsten Spohr (50) rechnet damit, dass ab heute 80 Maschinen am Boden bleiben. Diese hatte die Kranich-Airline für ihre Billigtochter Eurowings gekauft. Lufthansa will zwar vorübergehend grössere Flugzeuge einsetzen – etwa einen Boeing-Jumbo 747-400 zwischen Frankfurt und Berlin. Dramatische Lücken in den Flugplänen lassen sich aber auch so nicht vermeiden. Sie könnten noch Wochen anhalten.

Spohr rechnet damit, dass es auf gewissen Strecken zu wenige Plätze gibt. Reisende müssten einen späteren Flug nehmen als geplant. Kurz: Das Chaos ist perfekt. Und wohl nicht nur heute. Die 6500 Mitarbeiter erhielten den blauen Brief. Wer will, kann sich bei Eurowings neu bewerben. Allerdings zu einem tieferen Lohn und zu schlechteren Bedingungen. Eine Einigung für die Übernahme der letzten 25 Flugzeuge steht noch aus. Air Berlin verhandelt derzeit mit den letzten beiden Bietern Easyjet und Condor.

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