Unternehmer und Stiftungsgründer Thomas Knecht (71)
Ihm verdankt die Schweiz Tausende Jobs

Dem Unternehmer, Visionär und Stiftungsgründer Thomas Knecht verdankt die Schweizer Wirtschaft über 15'000 Jobs – und die Allgemeinheit Steuereinnahmen in Millionenhöhe.
Publiziert: 02.07.2022 um 20:20 Uhr
Text und Interview: Silvia Tschui

«In Deutschland würde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen, in England eine Ritterwürde» – das sagen prominente Redner wie ETH-Präsident Joël Mesot anlässlich der Feier zum 25-jährigen Bestehen der Stiftung Venture über den Stiftungsgründer Thomas Knecht (71), der dieses Jahr seinen Rücktritt gibt. Auch Ex-Bundesrätin Doris Leuthard oder André Hoffmann, Multimilliardär, Roche-Hauptaktionär und Philanthrop, sind voll der lobenden Worte.

Tatsächlich verdankt unter anderen ihm die Schweiz unzählige Steuermillionen und die Schweizer Bevölkerung Tausende Jobs – nicht nur wegen der von ihm gegründeten Stiftung Venture, die Jungunternehmer bei der Gründung ihrer Start-ups unterstützt, sondern auch dank seiner eigenen Unternehmen. Darunter die Reiseanbieter Knechtreisen und Eurobus. Oder das Transportunternehmen Welti-Furrer. Oder der Gesundheitsanbieter Knechtcare, der einen 24-Stunden-Dienst für Pflege und Rehabilitation zu Hause anbietet.

Er sieht eine Lücke in der Schweizer Wirtschaft – und handelt

Während seine Unternehmen schweizweit bekannt sind, bleibt die Person Thomas Knecht einer breiteren Allgemeinheit weitgehend verborgen. Was bekannt ist: Der Enkel eines Fuhrwerksunternehmers, dessen Firma von der darauffolgenden Generation zum Transport- und Reiseunternehmen erweitert wurde, hat seinerzeit nach dem ETH-Studium und Doktorat in Ingenieurwesen und Betriebswissenschaft eine internationale Karriere hingelegt: als Länderchef des global tätigen Wirtschafts-Beratungsunternehmens McKinsey.

Unternehmer und Stiftungsgründer Thomas Knecht in der Halle des Hauptsitzes der Knecht Holding in Windisch.
Foto: Nathalie Taiana
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In dieser Funktion fällt ihm Mitte der 1990er-Jahre auf, dass die Hürden für die Unternehmensgründung in der Schweiz grösser sind als etwa in den USA. Knecht will etwas dagegen tun: Er schafft es, die ETH für den Venture-Start-up-Wettbewerb ins Boot zu holen. Parallel dazu überzeugt er zehn Firmen, die er aus seiner McKinsey-Tätigkeit kennt, je zehn Millionen Franken für den «venture incubator» zu investieren, der Jungunternehmer berät und auch finanziell unterstützt. Venture schreibt ab 1997 den ersten Start-up-Wettbewerb aus.

Kein Prunk, sondern einfach solide Schweizer Arbeit

Ein Besuch im Hauptquartier der Knecht Holding in Windisch AG lässt Rückschlüsse darauf zu, weshalb Knecht nicht in den Klatschspalten vorkommt: Fern von einem Prunkbau ist der rostbraun gehaltene Hauptsitz der Firma in der Hauptsache funktional und praktisch gehalten – Schweizer Understatement in Reinkultur. Angestellte berichten nur Positives – und von enzyklopädischem Wissen zu aktuellsten Zahlen, Kennziffern und politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Wie auch von den unglaublichen Energielevels, über die Thomas Knecht verfüge, für den Zwölf-Stunden-Arbeitstage wohl eher eine Ausnahme gegen unten seien. Und der seinen Ausgleich zur Arbeit in einem anderen Leistungsfeld finde: Sport.

Funktional, praktisch und bescheiden gibt sich Knecht auch im Gespräch: Jede Frage, die auf Persönliches abzielt, wird freundlich-humorvoll geblockt. Auch wenn es nur darum geht, worauf er am meisten stolz sei im Leben: Er löse halt einfach gerne Probleme. Und statt dass er Kreuzworträtsel löse, löse er lieber Probleme, die der Allgemeinheit zugutekämen.

Nur einmal könnte der diskrete Thomas Knecht vielleicht etwas Persönliches verraten haben: Er meint im Interview, er verstehe nicht, weshalb Sportler und Schauspieler in unserer Gesellschaft so bejubelt würden, wenn doch eigentlich Menschen, die etwas für die Allgemeinheit tun würden, die den Mut hätten, ein Unternehmen zu gründen, und in Kauf nehmen, vielleicht auch damit zu scheitern, öffentlich gefeiert werden sollten – und präzisiert sogleich: Damit meine er übrigens nicht sich selbst.

Venture hilft den Jungen, ihre Ideen zu verwirklichen

Tragen Sie Calida-Unterwäsche? Haben Sie letzthin in einen dieser Planted-Fleischersatz-Burger gebissen? Oder staunen Sie über die unfassbar scharfe Auflösung, die Ihre neue Handykamera hinkriegt? Oder wurde Ihr Leben in einer komplexen Herzoperation dank eines völlig neuartigen Herzkatheters gerettet? Oder, oder, oder …

All die oben genannten Beispiele und unzählige andere Errungenschaften in den Bereichen Ernährung und Gesundheit, Fintech, Industrie und Ingenieurswesen, Detailhandel- und Konsumentenservices und Informations- und Kommunikationstechnologie verdanken wir unter anderem der Schweizer Stiftung Venture, die Jungunternehmer bei der Gründung ihres Unternehmens unterstützt.

Der Wettbewerb für die beste Business-Idee ging 1997 an den Start – und zeichnete gleich einen zukünftigen Industrie-Giganten aus: Sensirion, eine Firma, die Sensoren in allen denkbaren Variationen herstellt und deren Umsatz 2021 bei 287,5 Millionen Franken lag. Auch sonst wird einem bei den Zahlen, die man bei den durch Venture geförderten Unternehmen recherchiert, schwindlig: HeiQ, ein inzwischen börsenkotiertes Unternehmen, das sich auf Textilien und Hightech-Fasern spezialisiert und das unter anderem auch Fasern an Calida liefert, weist 2021 einen Umsatz von 57,9 Millionen Dollar aus. Andere Unternehmungen, die durch Venture das Licht der Welt erblickten, wurden für astronomische Summen an grössere Unternehmen verkauft. So zum Beispiel das Biotech-Unternehmen Esbatech, das für fast 600 Millionen Dollar an Novartis ging. Oder Glycart, ebenfalls ein Biotech-Unternehmen, das neuartige Krebsmedikamente entwickelt und für 235 Millionen Franken an Roche verkauft wurde.

Insgesamt hat Venture über 4500 teilnehmende Teams beraten, 1500 Firmen bei der Gründung unterstützt und so indirekt über 15'000 Jobs für die Schweizer Wirtschaft geschaffen. Ab 2023 prämiert die Stiftung übrigens auch Ideen im Non-Profit-Bereich, die Sozialem oder der Umwelt zugutekommen.

Tragen Sie Calida-Unterwäsche? Haben Sie letzthin in einen dieser Planted-Fleischersatz-Burger gebissen? Oder staunen Sie über die unfassbar scharfe Auflösung, die Ihre neue Handykamera hinkriegt? Oder wurde Ihr Leben in einer komplexen Herzoperation dank eines völlig neuartigen Herzkatheters gerettet? Oder, oder, oder …

All die oben genannten Beispiele und unzählige andere Errungenschaften in den Bereichen Ernährung und Gesundheit, Fintech, Industrie und Ingenieurswesen, Detailhandel- und Konsumentenservices und Informations- und Kommunikationstechnologie verdanken wir unter anderem der Schweizer Stiftung Venture, die Jungunternehmer bei der Gründung ihres Unternehmens unterstützt.

Der Wettbewerb für die beste Business-Idee ging 1997 an den Start – und zeichnete gleich einen zukünftigen Industrie-Giganten aus: Sensirion, eine Firma, die Sensoren in allen denkbaren Variationen herstellt und deren Umsatz 2021 bei 287,5 Millionen Franken lag. Auch sonst wird einem bei den Zahlen, die man bei den durch Venture geförderten Unternehmen recherchiert, schwindlig: HeiQ, ein inzwischen börsenkotiertes Unternehmen, das sich auf Textilien und Hightech-Fasern spezialisiert und das unter anderem auch Fasern an Calida liefert, weist 2021 einen Umsatz von 57,9 Millionen Dollar aus. Andere Unternehmungen, die durch Venture das Licht der Welt erblickten, wurden für astronomische Summen an grössere Unternehmen verkauft. So zum Beispiel das Biotech-Unternehmen Esbatech, das für fast 600 Millionen Dollar an Novartis ging. Oder Glycart, ebenfalls ein Biotech-Unternehmen, das neuartige Krebsmedikamente entwickelt und für 235 Millionen Franken an Roche verkauft wurde.

Insgesamt hat Venture über 4500 teilnehmende Teams beraten, 1500 Firmen bei der Gründung unterstützt und so indirekt über 15'000 Jobs für die Schweizer Wirtschaft geschaffen. Ab 2023 prämiert die Stiftung übrigens auch Ideen im Non-Profit-Bereich, die Sozialem oder der Umwelt zugutekommen.

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«Die Schweiz könnte noch viel innovativer sein»

Thomas Knecht, weshalb haben Sie Venture gegründet?
Das hatte mehrere Gründe: Mitte der 1990er-Jahre stagnierte die Schweizer Wirtschaft generell. Auch die einzelne Finanzierung war ein Problem: Jungunternehmer sind nicht an das nötige Kapital für die Firmengründung gekommen. Mit Venture konnten wir da teilweise Abhilfe schaffen. Und es gab einen weiteren Grund.

Welchen?
Abgänger unserer ausgezeichneten Hochschulen haben damals eher eine Anstellung gesucht, anstatt selber eine Firmengründung anzustreben. Ich denke, dass unternehmerisches Denken an den Hochschulen gefördert werden sollte. Auch deshalb, weil der Steuerzahler unsere Bildung bezahlt. Da sollte es für die Hochschulen wie auch für die Absolventen selbstverständlich sein, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen. Das tut man, indem man Arbeitsplätze schafft.

Hat sich diese Mentalität heute geändert?
Ja, eindeutig verbessert, aber in der Schweiz schöpfen wir unser Potenzial noch nicht aus. Ich möchte die Menschen dazu ermuntern, wenn sie eine gute Idee und das nötige Rüstzeug dazu haben, ein Unternehmen zu gründen – auch wenn sie auf Widerstand stossen. Hierzulande sind wir zu oft in einer Sicherheits-Mentalität verhaftet.

Könnten Sie dies noch etwas präzisieren?
Gesellschaftlich wird in der Schweiz jemand, der etwas wagen will, von seinem Umfeld oft eher klein gehalten als ermuntert. Als Unternehmer zu scheitern, ist gesellschaftlich gesehen schlimm, man wird als Versager gesehen. Diese Mentalität behindert den Fortschritt der ganzen Schweiz – viele erfolgreiche Unternehmer sind ein, zwei Mal gescheitert und mit einer neuen Idee wieder aufgestanden. Solche Menschen müssten für ihren Mut gefeiert werden – ähnlich wie erfolgreiche Sportler.

Was braucht es denn, um als Unternehmer erfolgreich zu sein?
Es ist eine Mischung – und auch etwas Glück. Zum einen braucht es Begeisterung. Und dann natürlich eine Geschäftsidee, die Menschen auch brauchen können, etwas, das ihnen hilft, Freude verschafft oder den Alltag erleichtert. Erforderlich sind sodann Durchhaltewillen und eine gewisse Flexibilität im Denken und Handeln, man muss seine Idee anpassen können, falls die Hindernisse zu gross werden.

Welche Hindernisse sprechen Sie an?
Es ist sehr schwierig zu generalisieren, aber wenn zu viel an den Rahmenbedingungen verändert werden muss, also die Umstände eines Markts zu stark angepasst werden müssen, dann wird eine Idee nicht funktionieren. Man kann mit einer durchschlagenden Idee auch zu früh sein.

Hätten Sie da ein konkretes Beispiel?
Wir haben vor 20 Jahren ein Start-up unterstützt, das einen Simulator für die Ausbildung von Chirurgen entwickelt hatte – damit angehende Chirurgen nicht an Menschen «üben» müssen. Ausbildungsstätten hätten damals hierfür aber einfach zu viel investieren und umstellen müssen. Dieses Projekt ist gescheitert, obwohl die Idee wirklich gut war. Es gibt ja das Sprichwort des frühen Vogels, der den Wurm fängt, aber in der Wirtschaft gilt eben auch: «… aber die zweite Maus frisst den Käse» – weil die erste in der Falle landet.

Die Schweiz gilt als Innovationsland. Aus Ihrer Sicht zu Recht?
Ja, unsere Hochschulen sind erstklassig. Und Unternehmensgründung ist heute einfacher als vor noch 30 Jahren. Aber wir könnten noch viel innovativer sein. Wir müssten noch viel mehr Kapital in Start-ups investieren. Ein Vergleich: 2021 wurden in der Schweiz drei Milliarden Franken, in Israel 25 Milliarden Dollar in Start-ups investiert!

Woher soll dieses Geld kommen?
Es gibt in der Schweiz sehr viel Kapital. Nur schon in den Pensionskassen. Unsere Gesetzgebung erlaubt erst seit kurzem, dass diese in Start-ups investieren können. In den USA gab es 1979 eine Gesetzesänderung, die den dortigen Pensionskassen ein solches Investment erlaubte – und der Silicon-Valley-Zug begann Fahrt aufzunehmen. Hierzulande haben Pensionskassen bisher konservativer investiert.

Fördert unsere Politik die Innovationskraft des Landes oder behindert sie sie eher?
Der Bund fördert unsere Hochschulen. Was uns geschadet hat, ist der Ausschluss aus dem fast 80 Milliarden Euro schweren EU-Forschungsprogramm Horizon. Der Bund hat Massnahmen getroffen, dies aufzufangen, und finanziert teilweise Schweizer Forscher nun direkt, was gut ist. Aber mittelfristig gilt es, darauf hinzuarbeiten, wieder teilhaben zu können.

Sie haben an der Preisverleihung eine Erweiterung des Venture-Wettbewerbs angekündigt?
Ja, ich möchte, dass der Wettbewerb künftig um die Kategorie «nicht-gewinnorientierte Start-ups» erweitert wird. Gewichtige Initiativen aus der Schweiz haben die Gesellschaft weitergebracht, wie zum Beispiel das Rote Kreuz oder der WWF. Hier möchten wir anknüpfen und solche Initiativen fördern. Die Anforderung ist, dass sich solche Initiativen nach einer Startphase finanziell eigenständig entwickeln können.

Sie ziehen sich nach 25 Jahren aus Venture zurück – weshalb?
Ich habe diesen Wettbewerb aufgebaut und in den 25 Jahren zusammengerechnet etwa vier Arbeitsjahre pro bono investiert. Der Wettbewerb läuft wunderbar und wird ohne meine operative Leitung weiterlaufen. Ich verbleibe in der Venture-Stiftung, als Ehrenpräsident. Seit Jahren führe ich in vollem Pensum meine eigenen Firmen und baue diese laufend aus. Momentan gerade im Bereich Gesundheitswesen und Logistik.

Venture-Gewinnerin 2022: Wege aus der Energiekrise

Margaux Peltier, EPFL-Ingenieurin, Co-Gründerin und CEO der Cleantech-Firma Enerdrape, gewinnt gemeinsam mit ihren Mitstreitern Alessandro Rotta Loria und Lyesse Laloui den diesjährigen Hauptpreis der Stiftung Venture, der mit 150'000 Franken dotiert ist. Die drei Jungunternehmer haben flache Paneele entwickelt, die einfach an der Wand zu montieren sind und die geothermische Umgebungswärme von Untergeschossen aufnehmen. Diese Wärme kann in ein normales Heizungssystem eingespeist und zur Heizung oder Kühlung der oberen Stockwerke verwendet werden.

Margaux Peltier, EPFL-Ingenieurin, Co-Gründerin und CEO der Cleantech-Firma Enerdrape, gewinnt gemeinsam mit ihren Mitstreitern Alessandro Rotta Loria und Lyesse Laloui den diesjährigen Hauptpreis der Stiftung Venture, der mit 150'000 Franken dotiert ist. Die drei Jungunternehmer haben flache Paneele entwickelt, die einfach an der Wand zu montieren sind und die geothermische Umgebungswärme von Untergeschossen aufnehmen. Diese Wärme kann in ein normales Heizungssystem eingespeist und zur Heizung oder Kühlung der oberen Stockwerke verwendet werden.

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