Ungerechtfertigte Schelte im Internet
Wenn Kunden zu Erpressern werden

Online-Kommentare und -Bewertungen entscheiden heute über den Geschäftserfolg und Aufmerksamkeit beim Kunden. Doch die sind den Unternehmen nicht immer gut gesinnt. Einzelne versuchen gar, mit negativen Bewertungen im Netz die Preise zu drücken.
Publiziert: 06.07.2018 um 12:39 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:13 Uhr
Patrik Berger und Ulrich Rotzinger

Rico Zimmerli (49) steht vor dem Computer in der «Velofabrik» in Zürich. Seit 1993 verkauft und repariert er Bikes. Der Inhaber zeigt BLICK die negativen Bewertungen, die seiner Firma im Internet verpasst wurden: «Schlechter Service und sehr unsympathisches Personal», steht da, «Wollen nur neues Zeug verkaufen, haben aber für Service und Reparatur nicht viel übrig», oder gar: «Die unfreundlichste Bikewerkstatt, die ich je erlebt habe!». 

Zimmerli schüttelt verärgert den Kopf. «Wir liefern Tag für Tag eine ehrliche Büez ab. Da nerven solche negativen Bewertungen einfach nur!» Wenn man direkt miteinander rede, finde man immer eine Lösung. «Ich will ja keinen Streit mit meinen Kunden», sagt Zimmerli. Die Kunden würden ihn auf schlechte Bewertungen ansprechen. Und was viel schlimmer sei: «Die Bewertungen haben durchaus einen Einfluss auf den Geschäftsgang», sagt Zimmerli.

Gewerbler spricht von «frustrierten Kunden»

Dabei habe er anfangs noch auf die Kommentare geantwortet. «Das habe ich dann aber aufgegeben. Das bringt nichts.» Genau so wie die Bemühungen, ungerechtfertigte Bewertungen bei Google löschen zu lassen. «Die meisten Bewertungen kommen von frustrierten Kunden.» Dass die Konkurrenz dahintersteckt, glaubt Zimmerli nicht.

Velohändler Rico Zimmerli beklagt sich über negative Bewertungen im Internet.
Foto: Thomas Meier
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«Löscht alte Bewertungen»

Was kann man gegen den Bewertungs-Bschiss tun? Velofabrik-Zimmerli hat einen interessanten Vorschlag an Google: «Löscht Bewertungen nach drei Jahren – sowohl die schlechten, wie auch die guten!» Läden oder Restaurants verändern sich, haben beispielsweise neue Köche oder bieten alte Dienstleistungen nicht mehr an. «Das sollten dann auch die Bewertungen abbilden.»

Rico Zimmerli, Chef Velofabrik.
Rico Zimmerli, Chef Velofabrik.
Thomas Meier

Was kann man gegen den Bewertungs-Bschiss tun? Velofabrik-Zimmerli hat einen interessanten Vorschlag an Google: «Löscht Bewertungen nach drei Jahren – sowohl die schlechten, wie auch die guten!» Läden oder Restaurants verändern sich, haben beispielsweise neue Köche oder bieten alte Dienstleistungen nicht mehr an. «Das sollten dann auch die Bewertungen abbilden.»

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Am meisten ärgert sich Zimmerli über Kunden, die ganz offen mit einer negativen Bewertung drohen, wenn ihnen etwas nicht passt. Er erinnert sich an einen, der mit seinem 9000 Franken teuren Velo die Werkstatt betreten hat. «Ich habe ihm eine Arbeit für 180 Franken offeriert. Das war ihm zu teuer.» Da habe der Mann mit einer negativen Bewertung gedroht. «So etwas ist einfach nur unverschämt», wettert der Unternehmer.

Kleiner Trost für die «Velofabrik»: Die meisten Bewertungen sind positiv und haben vier oder fünf Sterne.

«Grimmige Wirtin» geistert heute noch im Netz herum

Doch nicht nur Gewerbler wie Zimmerli leiden unter schlechten Kundenbewertungen im Internet, sie sind auch im Gastgewerbe und in der Hotellerie ein grosses Problem. Das zeigt der Fall von Rigi-Wirt Stefan Winiger (48). Auf dem Vergleichsportal Tripadvisor wird das Chalet Schild mit negativen Bewertungen in den Dreck gezogen. Die Vorwürfe scheinen frei erfunden. Trotzdem kriegt Winiger die Lügen nicht vom Netz.

«Auf Tripadvisor erscheinen immer wieder geschäftsschädigende Beiträge», sagte er zu BLICK. Besonders eine Kritik trifft ihn hart. Am 22. November 2016 schrieb jemand: «Grimmige Wirtin. Sogar nach den Ferien sind die Besitzer noch unfreundlich.» Beide Vorwürfe sind schlicht falsch. Die Bewertung erschien während der Betriebsferien. Und: Eine Wirtin gibt es nicht.

«Solche Lügen schmerzen», sagt Winiger. Er hat alles versucht, die falschen Bewertungen löschen zu lassen. Ohne Erfolg. Von Tripadvisor wurde er mit einem Standardschreiben abgespeist. Die «grimmige Wirtin» geistert heute noch im Internet herum. 

Reisegruppe wollte fetten Rabatt erpressen

Auch Gastronomen wird mit miesen Bewertungen gedroht. So etwa der Geschäftsführerin des Restaurants Schlüssel in Luzern. Eine 30-köpfige Gruppe ass Fondue. Als es ums Zahlen ging, hiess es erst: «Wir sind noch hungrig!», dann: «Euer Essen hat nicht geschmeckt!». Schliesslich forderten die Gäste einen fetten Rabatt, sonst würden sie in den sozialen Medien schlechte Kritiken platzieren. Was sie dann auch taten.

Solches Bashing im Netz kommt nicht nur vereinzelt vor, weiss man beim Verband Hotelleriesuisse: «Es sind aber nur sehr wenige Fälle, die uns tatsächlich gemeldet werden», sagt Sprecherin Dominique Flüeler.

Dem Verband seien auch einzelne Fälle bekannt, wo versucht wurde, mit kritischen Bewertungen Hoteliers zu erpressen. Auch gefälschte Bewertungen sind ein Problem. (BLICK berichtete)

Flüeler: «Wir empfehlen, nicht auf Erpressungsversuche einzugehen.» Sie rät zudem: Bei vielen negativen Bewertungen sollten die Betroffenen zeitnah reagieren und die Kritik mit einem Kommentar richtigstellen.

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