Über die 2. Säule
Wie Rentenklau funktioniert

Das Problem der 2. Säule liegt darin, dass Versicherte die massive Umverteilung zulasten ihres Guthabens gar nicht bemerken.
Publiziert: 11.12.2021 um 12:57 Uhr
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Aktualisiert: 11.12.2021 um 18:46 Uhr
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

«Impfdurchbruch» ist das Wort des Jahres. Ich hätte einen anderen Vorschlag: «systemkonform». Ich habe nicht gezählt, wie oft dieses Wort in der zurückliegenden BVG-Debatte im Nationalrat in den Mund genommen wurde. Gefühlt hundert Mal.

Nicht systemkonform beziehungsweise systemfremd ist der Umstand, dass jährlich um die 6 Milliarden Franken von Erwerbstätigen zu Rentnerinnen und Rentnern umverteilt werden. In der ersten Säule, der AHV, sind Umverteilungen gewollt. In der zweiten Säule, der beruflichen Vorsorge, sind sie es nicht.

An einer Tagung des gewerkschaftsnahen PK-Netzes sagte der Gewerkschaftsökonom Daniel Lampart: «Die Versicherten interessieren sich nicht für systemkonform oder nicht, sondern dafür, wie hoch ihre Rente ist und wie viel sie dafür bezahlen.»

Wenn Erwerbstätige für die Renten anderer zahlen, erhalten sie dadurch im Alter weniger.
Foto: imago images/photothek
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Mit Systemkonformität gewinnt man keine Abstimmung. Da hatten es die Gewerkschaften mit ihrem Kampfbegriff «Rentenklau» leichter, als sie am 7. März 2010 eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes an der Urne mit 73 Prozent Nein-Stimmen erfolgreich bodigten. Urnengänger befürchteten damals, ihre laufende Rente könnte gekürzt werden, was keineswegs der Fall gewesen wäre.

Ein Rentenklau findet trotzdem statt. Nicht bei Rentnern, aber bei Erwerbstätigen, indem sie die Umverteilung von 6 Milliarden mitfinanzieren und damit bei der Pensionierung ein geringeres Kapital aufweisen, als sie Anspruch hätten. Das ist eben systemfremd. Bei der zweiten Säule, im Kapitaldeckungsverfahren, spart jeder für sich.

Doch Daniel Lampart hat recht. Die Versicherten interessiert nicht die Systemkonformität, sondern die Rente. Die Versicherten sollten aber auch die Kosten interessieren und damit die Systemkonformität. Oder die Frage, ob sie nur ihre eigene Rente finanzieren gemäss dem Kapitaldeckungsverfahren oder auch jene ihrer älteren Arbeitskollegen gemäss dem Umverteilungsverfahren.

Das Problem liegt darin, dass Versicherte diese Umverteilung zulasten ihres Guthabens gar nicht bemerken. Das geschieht etwa, indem ihr Kapital nur zum gesetzlichen Mindestzins verzinst wird, obschon die zum Teil stattlichen Erträge, die Pensionskassen dank dem Börsenboom zu erwirtschaften vermögen, eine weit bessere Verzinsung rechtfertigen würden.

Nochmals: Systemkonform heisst, ich zahle nur für meine Rente. Nicht systemkonform heisst, ich zahle auch die Renten anderer und erhalte dadurch im Alter weniger. Der Vorschlag des Bundesrats mit den Rentenzuschlägen ist nicht systemkonform. Die Vorlage des Nationalrats, die er am Mittwoch verabschiedet hat, ist es schon eher.

Wie soll man das kommunizieren? Bei der Volksabstimmung werden die Renten das Thema sein und nicht die Kosten und schon gar nicht die Systemkonformität.

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