Trotzdem wird im Oberaargau weiter gebaut
Hier steht jede 10. Wohnung leer

Über 72'000 leer stehende Wohnungen zählte das Bundesamt für Statistik im Juni 2018 – und markierte damit einen neuen Rekord auf dem Schweizer Immobilienmarkt.
Publiziert: 25.10.2018 um 01:52 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2019 um 21:22 Uhr
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«Anlagen in Immobilien sind weiter sehr gesucht»
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Ronny Haase im Interview:«Anlagen in Immobilien sind weiter sehr gesucht»
Maren Meyer

Ende Jahr gibt es für rund 31'000 dieser Wohnungen weiterhin keine Nachfra­ge. Sie gelten mittelfristig als unvermittelbar! Zu diesem Ergebnis kommt die Immobilienberatungsfirma Wüest Partner in einer aktuellen Untersuchung. «Diese Zahl ist im historischen Kontext recht hoch, da wir in den 90er-Jahren einen ähnlichen Anstieg hatten», sagt Patrick Schnorf, Partner bei Wüest Partner. Trotz des Leerstands herrscht in der Schweiz Bedarf an Wohnraum. Und theoretisch wäre es möglich, die Nachfrage mit bestehenden Neubauten zu decken, meint Schnorf.

Das Problem: Gebaut wird in den falschen Regionen. Nämlich vor allem in Randgebieten, wo bereits eine hohe Leerstandsquote herrscht und die Nachfrage gering ist. Und selbst dort, wo ein überdurchschnittlich hoher Leerstand an Mietwohnungen herrscht, wird immer weitergebaut. Das zeigt ein Blick auf die 70 bevölkerungsstärksten Regionen. Betrachtet wurden die Veränderungen zwischen dem zweiten Quartal 2016, 2017 und 2018. Übliche Verdächtige sind dabei die Mittelland-Regionen Aargau, Solothurn und Jura. Obenaus schwingt der Oberaargau. Dort steht jede zehnte Wohnung leer. Trotz einer Leerstandsquote von stolzen 9,9 Prozent bei Mietwohnungen liegt die Veränderung für Neubaubewilligungen bei 94,3 Prozent. Das heisst: Es wird immer mehr gebaut, obwohl zig Wohnungen unvermietet leer stehen.

Foto: BLICK
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Auf 5000 Einwohner 300 leere Wohnungen

BLICK geht vor Ort: In Huttwil BE treffen Leerstand und Bauboom aufeinander wie kaum an einem anderen Ort. Auf 5000 Einwohner kommen 300 leere Wohnungen. Gebaut wird trotzdem noch. Insgesamt stehen noch über 300 neue Wohnungen im Bau oder warten auf eine Bewilligung. «In den letzten drei Jahren haben wir festgestellt, dass wir über der Nachfrage des Marktes bauen», sagt Walter Rohrbach, Gemeindepräsident von Huttwil.

Ein Grund für den Boom sei das günstige Bauland, das in den letzten Jahren von Investoren aufgekauft wurde. Dem Gemeindepräsidenten sind die Hände gebunden: «Baubewilligungen unterliegen einem Baureglement. Ist dies erst von der Gemeinde genehmigt, kann es nicht so auf die Schnelle geändert werden», sagt er. Um die Wohnungen attraktiver zu machen, böten einige Vermieter ­ihren zukünftigen Mietern sogar bis zu einem halben Jahr freie Mieten an. «Wir wissen fast nicht mehr ein noch aus.» Dass Mieten bei bestehendem Wohnraum gesunken seien, kann Rohrbach hingegen nicht bestätigen.

Es wird überdurchschnittlich viel gebaut

Eine ähnliche Situation zeigt sich in Olten SO. Bei einer Leerstandsquote von 6,9 Prozent bei Mietwohnungen liegt die Veränderung bei Neubauten bei 64,9 Prozent – auch hier wird überdurchschnittlich viel gebaut. In den Regionen Brugg-Zurzach AG, Mendrisio TI oder Erlach-Seeland BE stehen Leerstand und Neubautätigkeit ebenfalls in keinem Verhältnis.

Der Grund für den ungebrochenen Bau-Boom: «Im heutigen Marktumfeld sind die Renditen vieler Anlagen klein, und viele Investoren weichen deshalb auf den Immobilienmarkt aus», sagt Fredy Hasenmaile, Immobilienexperte der Credit Suisse. Obwohl sich Investoren durchaus bewusst seien, dass die Leerstände weiter steigen und die Mieten tendenziell sinken, kämen sie immer noch zu attraktiven Renditen. Ein Treiber des steigenden Leerstands ist für Hasenmaile die Reurbanisierung. Für die junge wie ältere Bevölkerung seien Städte wegen ihrer guten Infrastruktur sehr attraktiv. «Hier wird der Trend nicht so schnell kehren», sagt der CS-Experte. Das hätten Investoren mittlerweile auch gemerkt und würden vermehrt in Stadtnähe bauen.

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