Tankstellenbetreiber Markus Gasser (53) aus Dagmersellen LU
«Ich verstehe die Benzin-Abzocke nicht»

Die Preise an der Zapfsäule gehen durch die Decke, steigen stärker als der Preis von Rohöl. Der Grund: Die Raffinerien kassieren eine viel höhere Marge als zu Zeiten vor dem Ukraine-Krieg.
Publiziert: 02.06.2022 um 01:11 Uhr
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Aktualisiert: 02.06.2022 um 07:37 Uhr
Christian Kolbe

Das von der EU gegen Russland verhängte Ölembargo lässt den Ölpreis in die Höhe schnellen. Nur ein Wert steigt noch steiler an: der Preis für Benzin an der Zapfsäule. Der Sprit verteuert sich etwa doppelt so schnell wie das Ausgangsprodukt Rohöl. «Es kommt nicht so häufig vor, dass sich die Benzinpreise vom Rohölpreis entkoppeln», erklärt Erich Schwizer (59), Mobilitätsexperte beim TCS.

Das hat zunächst einmal mit einer banalen Erkenntnis zu tun. «Ein Auto fährt nicht mit Rohöl. Dazu muss erst Benzin raffiniert werden. Der Raffineriemarkt hat aber wieder ganz eigene Gesetzmässigkeiten», so Schwizer weiter. Dazu gehört, dass «die Margen der Raffinerien in den letzten Monaten stark angestiegen sind».

Nachfrage nach Benzin übersteigt Angebot

Konkret: Statt zehn bis zwölf Dollar wie früher verdienen Raffinerien im Moment 40 bis 50 Dollar an der Veredelung eines Fasses Rohöl zu Benzin oder Diesel. Ein stolzer Preis, der den Liter Treibstoff um 25 bis 30 Rappen verteuert. «Das hat auch damit zu tun, dass wegen Corona oder davor auch wegen zu tiefer Margen Raffinerien vorübergehend stillgelegt oder ganz geschlossen wurden», erklärt Schwizer.

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Foto: Getty Images
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Diese Kapazitäten fehlen nun am Markt, die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich. Eine Fehlentwicklung, dank der sich die Raffineriebranche eine goldene Nase verdient. Gegen den Vorwurf der Abzockerei, wie er in Deutschland immer mal wieder erhoben wird, wehrt sich allerdings Varo Energy, Betreiberin der einzigen Schweizer Raffinerie in Cressier NE: «Wegen des Kriegs in der Ukraine ist der Kauf von Rohöl oder Ölprodukten für Unternehmen wie Varo sehr viel teurer geworden, und wir investieren auch viele Ressourcen, um alternative Lieferanten zu finden, die die russischen Produkte ersetzen.» Zudem seien die Produktionskosten aufgrund der höheren Strom- und Gaskosten erheblich gestiegen.

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Es geht auch billiger

Markus Gasser (53) betreibt in Dagmersellen LU einen Recyclinghof mit angeschlossener Diesel-Tankstelle und sagt: «Ich sehe nicht ein, warum die Konsumenten bei Benzin und Diesel so abgezockt werden müssen.» Die Tankstelle ist bei Gasser ein Nebengeschäft, das mit entsprechend geringem Aufwand betrieben wird. Deshalb kostet bei ihm der Liter Diesel aktuell 2.16 Franken – und nicht 2.30 Franken wie im Schweizer Durchschnitt. Sein Verdacht: «Die Marge bei den grossen Tankstellenbetreibern liegt bei mindestens 25 Rappen pro Liter. Damit lässt sich viel Geld verdienen.»

Allerdings sieht Gasser auch Sparpotenzial: «Die Autofahrer sind noch zu wenig preisempfindlich. Wäre es anders, wäre die Schlange vor meiner Tankstelle noch länger.» Die allermeisten Schweizerinnen und Schweizer tanken noch immer noch dort, wo es am bequemsten ist – und nicht am günstigsten.


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